Ungewisse Zukunft

Freiberufliche Hebammen im Landkreis kämpfen um Existenz

Alleine im Landkreis Ebersberg konnte Agnes Lang in kürzester Zeit 1726 Unterschriften sammeln, die sie dem Landtagsabgeordneten Thomas Huber (links ) und dem Bundestagsabgeordneten Dr. Andreas Lenz übergab.	Foto: Büro Andreas Lenz

Alleine im Landkreis Ebersberg konnte Agnes Lang in kürzester Zeit 1726 Unterschriften sammeln, die sie dem Landtagsabgeordneten Thomas Huber (links ) und dem Bundestagsabgeordneten Dr. Andreas Lenz übergab. Foto: Büro Andreas Lenz

Ebersberg · Ein Plüschfrischling mit Babywindel und Schnuller um den Hals sitzt auf einer grünen Mappe. Außen auf der Mappe steht in dicken Zahlen »1726 Unterschriften«.

»Das Wildschweinbaby soll symbolisch darauf hinweisen, dass es im Landkreis Ebersberg auch weiterhin für freiberuflich tätige Hebammen möglich bleiben muss, ihren Dienst zu tun«, sagt Agnes Lang aus Grafing, die Initiatorin der Aktion bei der Übergabe der Unterschriften an den Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz und den Landtagsabgeordneten Thomas Huber. Der Hintergrund: Mit dem Ausstieg der Nürnberger Versicherung aus den letzten beiden verbliebenen Versicherungskonsortien für Hebammen, endet der Haftpflichtversicherungsschutz für die freiberuflichen Hebammen zum 1. Juli 2015. Das bedeutet das Ende für diesen Berufsstand. Mehrere tausend Hebammen verlieren ihre berufliche Existenz, weil keine Versicherung ihnen Haftpflichtschutz gewährt. »Bei jeder Operation kann ich mir den Arzt frei aussuchen«, sagt Agnes Lang. »Aber bei einer Geburt – und dies ist für eine Frau ein äußerst intimer Moment – wird einem die diensthabende Hebamme zugewiesen, ohne dass man sie vorher kennengelernt hat.«

Derzeit sind im Landkreis Ebersberg 15 Hebammen auf freiberuflicher Basis tätig. Ihre Arbeit besteht aber meist nur noch aus der Vorsorge und der Nachbetreuung der Schwangeren. Die Beiträge zur Haftpflicht, um Geburten abzusichern, sind so immens gestiegen, dass eine Hebamme derzeit erst einmal 15 Geburten in der Klinik begleiten muss, um dann etwas zu verdienen. Die von der verbleibenden Versicherung angekündigten 5000 Euro Prämie sind quasi nicht bezahlbar. Den durchschnittlichen Stundenlohn einer Hebamme beziffert Agnes Lang auf 8,50 Euro. »Davon können die Frauen in diesem Beruf nicht leben – schon gleich gar, wenn sie ihn nicht in Vollzeit ausüben«. Ursprünglich wollte die Grafingerin nur 500 Unterschriften sammeln, um auf die Situation aufmerksam zu machen. »Aber hier hat jeder sofort seinen Namen drunter gesetzt. Wir haben keinen Infostand aufgebaut – nur einfach im Sportverein oder im Kindergarten die Listen herumgegeben«. Und so kam flugs mehr als das Dreifache an Unterschriften zusammen, eben genau 1726.

Die Politik ist sich des Problems bewusst. Die Bundesregierung arbeite zwar intensiv an verschiedenen Möglichkeiten, »sollte man jedoch nicht bald eine Lösung finden, müssen viele freiberufliche Hebammen ab 2015 zwangsläufig ihren Beruf aufgeben,« sagten MdB Andreas Lenz und MdL Thomas Huber übereinstimmend. Lenz hat sich bereits bei Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe für eine Unterstützung der Hebammen eingesetzt, Thomas Huber bei Gesundheitsministerin Melanie Huml. In ihrem Appell fordern sie ein einfaches und bezahlbares Haftpflichtversicherungsmodell für die Hebammen. Die Abgeordneten sorgen sich um die Existenzsicherung dieses wichtigen medizinischen Berufsstandes und auch um die flächendeckende Versorgung mit Geburtshilfemöglichkeiten im Landkreis Ebersberg.

Schon im November vergangenen Jahres hat MdL Thomas Huber deshalb einen Dringlichkeitsantrag in den Bayerischen Landtag eingebracht, um so auch Druck in Berlin zu erzeugen. Der zuständige CSU-Arbeitskreis habe erst kürzlich in einem Gespräch mit der Landesvorsitzenden des Hebammenverbandes, Astrid Giesen, nach Lösungsansätzen gesucht, die nun im Ministerium geprüft würden, sagte Huber. Nun richten sich beide mit den Unterschriften an ihre jeweiligen Minister. So wollen Lenz und Huber Hand in Hand arbeiten, und beide politischen Ebenen mit der Übergabe der Unterschriften sensibilisieren. »Wenn die Gesellschaft ein Bedürfnis hat, muss der Staat handelnd eingreifen«, sagte Thomas Huber. Letztlich gelte jedoch nach Meinung von MdB Andreas Lenz: »Wenn wir die Leistungen der Hebammen erhalten wollen, muss notfalls der Staat die Haftpflichtversicherung für Hebammen garantieren«.

Artikel vom 03.04.2014
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