CSU-Kandidat Josef Schmid über den Charme wechselnder Mehrheiten, ­Schnittmengen mit den Grünen und die SPD

»Möglichst viele Probleme möglichst schnell lösen«

Josef Schmid: »Für mich gelten nur die Interessen Münchens.«

Josef Schmid: »Für mich gelten nur die Interessen Münchens.«

München · Das bisherige rot-grüne Bündnis hat seine Stadtratsmehrheit verloren, will aber weiter zusammenarbeiten. Die CSU ihrerseits wurde zwar stärkste Fraktion im Stadtrat, ist aber auf Partner angewiesen.

Oberbürgermeisterwahl in München 2014

Welches Bündnis wird München in Zukunft lenken? Wer wird in der Stichwahl am 30. März Oberbürgermeister? Mit dem CSU-Hoffnungsträger Josef Schmid, der noch einmal gegen Dieter Reiter antritt, sprach Johannes Beetz.

»Wir setzen den Gegenpunkt«

Wie ist der Stand Ihrer Gespräche mit den Grünen? Sie haben Frau Nallinger vorgeschlagen, zweite Bürgermeisterin zu werden.

Josef Schmid: Natürlich sprechen wir mit den Kollegen aus den Fraktionen, aber ich habe bisher keine zielgerichteten Gespräche geführt, denn die Stichwahl steht ja noch aus. Ich bin wirklich erstaunt, dass Rot-Grün offenbar schon seit letzter Woche Hinterzimmergespräche führt, wer in den nächsten sechs Jahren welchen Posten besetzen darf. Durch die Rathaushallen wabert das - unbestätigte - Gerücht, dass SPD-Kollegin Beatrix Zurek Kreisverwaltungsreferentin werden soll. Ich will kein Postengeschacher, keine Parteibuchbesetzungen mehr.

Wir setzen den Gegenpunkt: ein breites Bündis für Sachfragen, wo keine gute Idee deswegen missachtet wird, nur weil sie von einer kleineren Gruppierung kommt. Klar muss man sich verabreden. Weil der oder die zweite(r) und dritte(r) Bürgermeis­ter(in) aus der Mitte des Stadtrats gewählt wird, erfordert das eine Einigung. Aber ansonsten gibt es mit mir nur ein Bündnis für Sachfragen. Und darüber rede ich dann, wenn ich Oberbürgermeister bin. Ich will nicht vorab ausmachen, wer welcher Referent oder Geschäftsführer einer städtischen Gesellschaft wird, wie das Rot-Grün bisher immer gemacht hat.

»Das Angebot geht an alle«

Aber Frau Nallinger wäre Ihr Favorit für eine Zusammenarbeit?

Josef Schmid: Das Angebot geht an alle Demokraten. Frau Nallinger gehört der drittstärksten Fraktion an. Es kommt schließlich darauf an, wie sich die Gespräche über Sachfragen gestalten. Ich möchte möglichst viele Probleme der Bürger möglichst schnell lösen.

»Wir haben Schnittmengen«

Sie haben immer wieder angesprochen, dass es zwischen Ihnen und den Grünen viele Berührungspunkte gebe. Wo sehen Sie die größten?

Josef Schmid: Wir haben eine ganz große Schnittmenge beim U-Bahn-Ausbau. Ich habe die Vision vorgegeben und im Wochenrhythmus haben die einzelnen Wettbewerber stückchenweise meine Positionen übernommen.

Ich glaube, dass ich das Thema Wohnungsbau gerade mit Frau Nallinger vorantreiben kann. Das dritte ist die Bürgerbeteiligung. Mit unserem Münchner Bürgerbeteiligungsstandard haben wir die Pflöcke für eine echte Bürgerbeteiligung eingeschlagen. Da sind die Grünen auch sehr aktiv. Bei der Transparenz des politischen Handels gibt es ja schon gemeinsame Ergebnisse: die Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle, Live Stream der Stadtratssitzungen, die Einführung einer Informationsfreiheitssatzung.

Dann ist Frau Nallinger plötzlich dafür, dass wir eine zentrale Anmeldestelle für die Kinderbetreuung bekommen. Dieser Vorschlag kommt ursprünglich ebenfalls von mir, schon im Jahr 2007 habe ich dafür einen Stadtratsantrag gestellt, also hätten die Grünen auch schon 2007 mit uns dafür stimmen können, haben sie aber nicht. Beim Thema Schultoiletten- und Schulhaussanierung gehe ich davon aus, dass sie – entgegen der früheren Haltung der Grünen - mit anschieben möchte.

Eine große Differenz sehe ich bei meinen Autotunnelplänen. Bei den Grünen muss ich feststellen, dass sie aus ideologischen Gründen nach wie vor gegen Autos sind. Wenn wir aber in den nächsten 15 Jahren 200.000 Menschen mehr in die Stadt bekommen und 200.000 ins Umland, dürfen wir selbst bei noch so starkem U-Bahn-Ausbau das Automobil nicht außer Acht lassen, weil auch dieser Verkehr zunehmen wird. Solche Auto-Tunnel sind die Zukunft einer pulsierenden Großstadt. Unter die Erde zu gehen schafft zusätzlichen oberirdischen Verkehrsraum – gerade für Radler und Fußgänger, siehe als bestes Beispiel die neuen Grünflächen, Rad- und Fußwege im Petuelpark. So geht moderne Verkehrspolitik.

»Wir gehen weiter als die Grünen«

Die Grünen haben den Rückkauf der GBW-Wohnungen gefordert, weil der versprochene Mieterschutz nicht trägt. Wie ist Ihre Position?

Josef Schmid: Wir gehen sogar weiter als die Grünen: Während Rot-Grün nur bereit ist, ganze Blöcke zu kaufen, wäre ich sofort bereit, auch nur einzelne Wohnungen zu kaufen. Ich werde versuchen, jede einzelne GBW-Wohnung auf Münchner Flur zu kaufen und in den städtischen Bestand zu nehmen.

»Wechselnde Mehrheiten«

Sie haben das beste OB-Ergebnis der CSU seit 1999 erzielt. Im Stadtrat war die CSU aber schon mal deutlich stärker als jetzt und es gibt gleich zehn Splitterparteien. Haben Sie mehr erwartet?

Josef Schmid: Wir sind die stärkste Fraktion seit 20 Jahren. Rot-Grün hat keine Mehrheit mehr. Das ist ein großer Erfolg für uns.
Dass wir auch viele kleine Parteien im Stadtrat haben, macht das Regieren nicht leichter. Aber nach meinem Modell, das den Geist der Gemeindeordnung wiedergibt, ist das egal. Der Stadtrat soll ein Kollegialorgan sein, das zu Sachproblemen die beste Lösung findet. Natürlich ist es anstrengender, wenn ich zu jedem Sachproblem alle nach ihrer Haltung abfragen muss, aber dafür ist ein Oberbürgermeister da. Das garantiert, dass die Lähmung, dieses „Weiter so“ des erschlafften rot-grünen Bündnisses der Vergangenheit angehört. Wir können die Stadt viel besser voranbringen, wenn wir von Sache zu Sache die beste Lösung finden.

Das kann mit wechselnden Mehrheiten sein, da habe ich überhaupt kein Problem. Wenn die Grünen bei etwas nicht mitmachen, aber die SPD, die Freien Wähler und die Bayernpartei, dann ist mir das doch recht - und wenn die CSU zusammen mit ÖDP, Freien Wählern, Grünen und FDP etwas für richtig hält, dann auch - vorausgesetzt, es führt zur besten Lösung für die Sache.

»Die SPD hat Pro­bleme geleugnet«

Ist es das Dilemma der SPD, nach einer langen Zeit an der Macht keine Perspektiven mehr bieten zu können? Die CSU hat diese Erfahrung auf Landesebene ja auch schon gemacht.

Josef Schmid: Die SPD in München ist völlig degeneriert. Sie hat bis vor zwei Jahren noch geleugnet, dass wir die von mir genannten Probleme haben. Dass eine zentrale Kita-Anmeldestelle schnellstens nötig ist, hat man bis vor drei Wochen noch geleugnet. Dabei würde diese Stelle so vielen Eltern helfen. Lange Zeit hat die SPD die Probleme bei den Münchner Schulen geleugnet, obwohl wir seit Jahren Beschwerden von Lehrern, Schulleitern, Eltern und Schülern haben. Die SPD ist erst aufgewacht, nachdem wir diese Themenfelder definiert haben, auf denen wir dringend Veränderungen und Lösungen brauchen und diese auch angeboten haben. Dann ist die SPD in hektischen Aktionismus verfallen und Dieter Reiter hat zahlreiche meiner Positionen übernommen.

»Bürger müssen ihre Rechte wahrnehmen«

Sie setzen auf Bürgerbeteiligung und haben viele Nichtwähler an die Urnen geholt. Trotzdem haben wir die bisher geringste Beteiligung an einer Stadtratswahl zu verzeichnen. Fehlt den Bürgern das Bewusstsein, dass sie auch eine »Holschuld« haben, wenn sie eingebunden werden wollen?

Josef Schmid: Ich sehe unseren Zuwachs aus dem Nichtwähler-Bereich als Belohnung für unser Bemühen um mehr Beteiligung an. Wir wissen, dass Bürger heutzutage weniger eine Partei im Ganzen unterstützen, aber wenn es um eine einzelne Frage geht, z.B. einen einzelnen Neubau, dann sind sie sehr wohl interessiert. Darum bekommen Bürgerinitiativen hohen Zulauf. Deswegen wollen wir mehr Bürgerbeteiligung, während bei der SPD 100.000 Wähler enttäuscht in die Nichtwählerschaft abgewandert sind.

Wenn wir Bürgerentscheide durchführen, müssen sich die Bürger aber auch beteiligen - vor allem auch die schweigenden Mehrheiten, die für ein Projekt sind. Auch diese Bürger müssen lernen, sich zu artikulieren. Das müssen wir alle noch lernen: unsere direkten Demokratierechte wahrzunehmen!

»Ich kann es finanzieren«

Viele bezweifeln, dass Ihre Vorhaben – die Sanierung der Schulen, der Ausbau der Tunnel – finanzierbar sind.

Josef Schmid: Man muss nicht neben Jura erst ein BWL-Studium haben wie ich, um eine ganz einfache Rechnung aufzumachen: Welche Investitionskraft hat diese Stadt? In den letzten sieben Jahren war es im Schnitt eine Milliarde Euro. München hat jedes Jahr mindestens 600 Millionen Euro investiert und in den vergangenen sieben Jahren 2,5 Milliarden Schulden zurückgezahlt. Das sind zusammen knapp sieben Milliarden Euro in sieben Jahren.

Auf der Ausgabenseite stehen 1,5 Milliarden für die städtischen Kliniken; 1,5 Milliarden für die U-Bahn; 1,5 Milliarden für die Schulen; dazu Gasteig, Großmarkthalle, Olympiapark. Das sind insgesamt auch rund sieben Milliarden Euro, aber diese Projekte sind auf 15 bis 20 Jahre ausgelegt. Deswegen kann die Stadt sie sehr wohl finanzieren, selbst wenn zwischendurch auch noch anderes finanziert werden muss, z.B. der Kauf von Feuerwehrfahrzeugen. München boomt, wir sind wirtschaftlich hochattraktiv.

»Spielraum für die Zukunft«

Werden Sie den Schuldenabbau fortführen?

Josef Schmid: Der Schuldenabbau wird noch zwei bis drei Jahre benötigen. Unsere Projekte müssen ja erst geplant werden, ehe sie starten können. Ich will die Investitionskraft in dieser Zeit nutzen, um die Schulden zu reduzieren. Nach der Rekordverschuldung von Rot-Grün von 3,5 Milliarden Euro 2006 hat sich der Schuldenstand auf unter eine Milliarde verringert. Wir wollen die Schulden weiter drücken: Dann haben wir erst recht Spielraum für Investitionen in der Zukunft.

»Das ist ein großer Kraftakt«

Das erwartete Wachstum wird die schon bestehenden Herausforderungen verschärfen: Es fehlt an Wohnungen, Fachkräften, Personal in sozialen Berufen - für viele Münchner existentielle Fragen, die nur gemeinsam lösbar sind. Wäre da eine stabile Mehrheit im Stadtrat nicht effektiver als Ihre wechselnden Bündnisse?

Josef Schmid: Ich spreche vor allem von einem breiten Bündnis. Das Thema Wohnungsbau wollen und müssen alle Gruppierungen angehen. Der Wohnungsbau ist ein großer Kraftakt. Es schadet nicht, wenn alle Gruppierungen dabei an einem Strang ziehen und jede ihre Ideen einbringt - und nicht wie bisher zwei Fraktionen die Ideen aller anderen kategorisch ablehnen. Ich sehe eher eine Beschleunigung in meinem Ansatz, einen großen Vorteil gegenüber starren Koalitionen.

»Wir brauchen eine offene Verwaltung«

Alle einzubinden, schließt die SPD mit ein?

Josef Schmid: Selbstverständlich. Die SPD ist als zweitgrößte Fraktion aufgefordert, sich ebenfalls einzubringen. Aber ich erkenne momentan nur halbherzige Bekenntnisse der SPD, die dem Wahlkampf geschuldet sind.
Ich war und bin nach wie vor bei den Menschen. Ich weiß, wo sie der Schuh drückt. Wir haben die Themenfelder benannt. Unsere Lösungsvorschläge wurden nur kopiert. Wenn die SPD ernsthaft bereit ist, sich selber aktiv in Gang zu setzen, endlich ihr bürokratisches Verwaltungsdenken und Bedenkenträgertum abzulegen, dann sehe ich hervorragende Chancen, dass es Lösungen für die Probleme unserer Stadt geben wird. Leider fehlt mir der Glaube, denn die SPD besetzt die Verwaltung nach Parteibuch, nicht nach bester Qualifikation. Mir fehlt der Glaube, dass die SPD diese Innovationskraft hat. Wir haben bewiesen, dass wir zur Erneuerung fähig sind, wir stehen für neues Denken und frischen Wind.

Wir brauchen auch Veränderungen im Verwaltungsablauf im Sinne einer Projektorganisation. Wir brauchen eine bürgerfreundliche, offene Verwaltung, die jeden, der etwas gestalten will - z.B. eine Mittagsbetreuung organisieren, Wohnungen bauen - willkommen heißt und diese Menschen zügig durch die Verfahren führt und in ihrem Engagement unterstützt, wo es geht, und nicht blockiert wie bisher viel zu oft.

»Scheue mich nicht vor Deutlichkeit«

Eine Zusammenarbeit wäre auch zwischen Stadt und Freistaat wünschenswert, aber es gibt oft unterschiedliche Interessen. Ministerpräsident Seehofer gibt zudem gerne Ratschläge, welche Konstellationen für München sinnvoll seien. Wo positioniert sich ein OB Schmid in diesem Umfeld?

Josef Schmid: Für mich gelten die Interessen Münchens - und nur die Interessen Münchens. Das weiß der Ministerpräsident und findet das auch richtig, wie er selbst schon gesagt hat. Das wissen auch die Bürgerinnen und Bürger. Ich verfolge die Interessen Münchens und scheue mich auch nicht vor entsprechend deutlichen Äußerungen, egal wem gegenüber.

Der Hinweis Seehofers zu einer schwarz-grünen Zusammenarbeit war wie der meines Bezirksvorsitzenden Ludwig Spaenle ein Appell an die Grünen, sich aus der starren bisherigen Umklammerung zu lösen. Bei der Hälfte der Grünen sehen wir da auch Bewegung.
Allerdings enttäuschen mich die Grünen nach dem ersten OB-Wahlgang, denn es fanden wohl von der ersten Sekunde an intensive Gespräche hinter verschlossenen Türen mit der SPD statt, wer welchen städtischen Posten besetzen darf. Das heißt, es hier zum reinen Machterhalt genauso weiter, wie bisher. Und genau das lehne ich ab.

»Politik aus einer Position der Stärke«

Sie kandidieren zum zweiten Mal als Oberbürgermeister. Werden Sie nochmals antreten, sollten Sie jetzt scheitern?

Josef Schmid: Mein Ziel ist, OB zu werden. Wenn man so ein Ziel erreichen will, muss man sich auf den entscheidenden Tag konzentrieren. Das ist der 30. März. Wenn Sie vorher schon überlegen, was Sie machen, wenn es nichts wird, dann lassen Sie an Kraft nach. Ich will Oberbürgermeister werden. Alles weitere sehen wir.

Notabene: Ich habe - auch das zeigt meine Unabhängigkeit - Politik immer aus einer Position der beruflichen Unabhängigkeit von der Politik gemacht. Ich bin Partner einer mittelständischen Anwaltskanzlei; alle meine Partner versichern mir, sie würden sich freuen, wenn ich wieder mehr Zeit in der Kanzlei verbrächte. Ich muss mir also gar keine Gedanken über meine berufliche Zukunft machen. Ich will nicht OB werden, um überhaupt etwas zu werden, sondern um die Probleme der Bürger zu lösen und um diese Stadt in eine gute Zukunft zu führen.

Steckbrief zu Josef Schmid

  • Geboren am 27. September 1969 in München, verheiratet mit Natalie Schmid (seit 2003), Vater von zwei Kindern, römisch-katholisch
  • 1987 Eintritt in die CSU
  • 1989 Abitur am Ignaz-Taschner-Gymnasium Dachau
  • 1990-1995 Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Passau
  • 1993-2000 Zweitstudium der Rechtswissenschaft an der Universität Passau und München (1. und 2. Staatsexamen)
  • 1995-2000 Selbstständiger Diplom-Kaufmann in München
  • 2000-2003 Selbstständiger Rechtsanwalt in München
  • seit 2002 Stadtrat der Landeshauptstadt München
  • seit 2003 Partner einer überregionalen mittelständischen Rechtsanwaltskanzlei
  • seit 2004 Vorsitzender des Kreisverbandes CSU München-West
  • seit 2007 Vorsitzender der CSU Stadtratsfraktion im Münchner Rathaus
  • seit 2008 Mitglied im Deutschen Städtetag
  • seit 2008 stellv. Vorsitzender im Aufsichtsrat der städtischen Wohnbaugesellschaft GEWOFAG
  • seit 2011 stellvertretender Bezirksvorsitzender der CSU München

Artikel vom 28.03.2014
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