Skelette ausgegraben

Zwei uralte Gräber am Hachinger Bach in Perlach entdeckt

Die in Perlach gefundenen Skelette (kleines Foto) sind bereits freigelegt und abtransportiert. Erwin Bohlig freut sich jetzt bereits auf die Integrierung in den Kulturgeschichtspfad. Fotos: bus / Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege / Digit

Die in Perlach gefundenen Skelette (kleines Foto) sind bereits freigelegt und abtransportiert. Erwin Bohlig freut sich jetzt bereits auf die Integrierung in den Kulturgeschichtspfad. Fotos: bus / Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege / Digit

Perlach · »Die zwei gerade freigelegten Skelette in Perlacher Gräbern sind für uns nicht sehr überraschend«, sagt Beate Zarges, Pressesprecherin des Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege. »Denn hier gab es schon 1936 Grabfunde und dann können die Verstorbenen nicht weit sein.« Für den Bauträger, die Martin und Rita Ballauf-Stiftung sind die antiken Funde dagegen schon »ein bisserl aufregend und außergewöhnlich«. Als Nachbar freut sich Erwin Bohlig (CSU), Vorsitzender des Unterausschusses Kultur, Vereine und Soziales im Bezirksausschuss (BA) 16 Ramersdorf-Perlach über die uralten Perlacher und wird dafür sorgen, »dass dieser neu entdeckte Teil der Ortsgeschichte dokumentiert wird und Einzug in den Kulturgeschichtspfad erhält«, so Bohlig.

»In Perlach werden auf dem Grundstück Holzwiesenstraße 1 seit dem 13. November archäologische Untersuchungen durchgeführt. Bei den aktuellen Grabungsarbeiten entdeckten wir Siedlungsbefunde mittelalterlicher Zeitstellung und zwei weitere Gräber. Beide Bestattungen mit jeweils einem Skelett enthielten ein einzelnes Eisenmesser und sind nach West-Ost orientiert. Bereits vor Beginn der Arbeiten waren uns einzelne Funde und wenige Gräber bekannt. Diese wurden bereits 1907, 1936 und 1956 entdeckt«, erklärt Dr. Jochen Haberstroh, Referatsleiter, Archäologische Denkmäler im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, fachmännisch. »Vermutlich handelt es sich hier, wie schon bei den früher entdeckten Gräbern, um sogenannte Hofgrablegen. Das sind einzelne kleine Grabgruppen innerhalb der Siedlungen und Hofstellen. Dies ist für die Münchner Schotterebene im 7. / 8. bis 10. Jahrhundert charakteristisch. Eine vergleichbare Grabung hatten wir 2013 zuletzt auch im benachbarten Unterhaching. Nicht bestätigt haben sich dagegen die Vermutungen, dass es sich hier um eine spätrömische Nekropole handeln könnte.« Bereits beim Bau eines Spielplatzes in Perlach im Jahr 1999 wurde ein größeres Siedlungsareal archäologisch untersucht. Die Fachaufsicht war auch hier beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, das gesetzlich zuständig ist und die wissenschaftliche Auswertung übernahm. »Wir sind immer sehr hinterher, dass diese Grabungsarbeiten, die der Bauherr beauftragen und bezahlen muss, so ablaufen, dass sich die Bauarbeiten nicht unnötig verzögern«, erklärt Beate Zarges. Sie kennt die Sensibilität des Themas, aber auch die große Freude der Bürger über spannende alte Funde in ihrer Nachbarschaft.

Broschüre informiert über Funde in Bayern

In einer gut erklärten Broschüre »Aus gutem Grund – Bodendenkmäler in Bayern: Standpunkte, Ziele, Strategien«, die man kostenlos bestellen kann unter publikationen@blfd.bayern.de oder unter Telefon 21 14 -2 61, können sich Interessierte über die Einzelheiten informieren. Bisher fand man auf einem insgesamt 3700 Quadratmeter großen Gelände in Perlach Siedlungsspuren unterschiedlicher Epochen. Neben Hinweisen auf einen römischen Gutshof, dessen Pfosten, Gruben, Keller, Ofen und Zaungräben sich als Verfärbungen im Boden erhalten hatten, gab es eine Wassermühle, die 1995 ausgegraben wurde. Man fand dort auch eine Gewandspange, Eisenbeschläge und Keramik aus einem Siedlungszeitraum zwischen 100 und 450 n. Chr. Nach den 300 Jahren römischer Besiedlung ließen sich gegen Ende der Völkerwanderungszeit um 500 n. Chr. hier Menschen nieder. Ein Friedhof mit 30 Körperbestattungen, die westöstlich ausgerichtet und gruppenweise nach Familien angelegt waren, zeugt davon. Den Toten gab man ihre persönliche Habe, wie Schmuck, Waffen und Gerät, mit auf den Weg ins Jenseits. Da die Geschichte der Bajuwaren und ihre Stammesbildung noch nicht vollständig geklärt sind, stellt jeder neue ergrabene Friedhof dieser Epoche eine Besonderheit dar. Die Archäologen erhoffen sich durch die wissenschaftliche Auswertung der Funde und Befunde aus Perlach Hinweise darauf, unter welchen Verhältnissen die Menschen hier gelebt haben.

Für die aktuelle Baustelle eines Pflegeheims für ältere und behinderte Menschen der Martin und Rita Ballauf Stiftung in der Holzwiesenstraße 1 bedeuten dieser Fund aber keine Verzögerung im Bauvorhaben. »Die Skelette auf dem Gelände der ehemaligen Hofstätte wurden bereits abtransportiert«, bestätigt Florian Walter, Geschäftsführer der zuständigen GmbH für Planung und Betrieb von Altenhilfe- und Behinderteneinrichtungen Schwan & Partner. »Zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir davon aus, dass das Grundstück zum Jahresende frei von Auflagen aus der Baugenehmigung wie Denkmalschutz, Baum- und Wurzelschutz zum Bau übergeben werden kann. Die Inbetriebnahme der Senioreneinrichtung Martin und Rita Ballauf Hof ist dann im Frühjahr 2015 geplant.«

Auf dem Gelände entsteht ein Pflegeheim

Auf Wunsch des verstorbenen Ehepaars wird hier am Hachinger Bach auf der ehemaligen landwirtschaftlichen Hofstelle eine Einrichtung für Menschen im Alter entstehen. Die Ballaufs haben ihr großes Vermögen gespendet, damit im Herzen von Perlach die zukünftigen Bewohner in ihrer vertrauten Umgebung wohnen und gleichzeitig aktiv am sozialen Leben teilnehmen können. Denn hier gibt es in unmittelbarer Nähe eine Vielzahl von Einkaufs- und Gastronomieangeboten. Im Ballauf-Hof sollen Menschen füreinander da sein und miteinander leben. Besonderen Schutz erfahren in diesem Konzept demenziell veränderte Menschen, die dann behütet und sicher einen eigenen Garten, bayerische Küche und Gemütlichkeit im hauseigenen Biergarten genießen werden. Ein renoviertes altes Wegkreuz aus dem Besitz der Familie des Stifters Martin Ballauf, und eine kleine Kapelle laden zum Verweilen und zum Gebet ein. So hat es Ballauf in seinem Testament verfügt. Der Perlacher, der 2009 verstorben ist, hat seinen aufgelassenen Bauernhof einer Stiftung hinterlassen.

Selbst pflegebedürftig erkannte der Witwer, wie wichtig menschenwürdige soziale und medizinische Pflege im Alter ist. »Für die Perlacher ist das Ehepaar ohne direkte Nachfahren ein Glücksfall«, sagt Bohlig, der im BA vom »Kratzen, Schürfen und Pinseln« der Grabungsfirma berichtete. »Der Hachinger Bach, einst Lebensader der Perlacher, ist von großer geschichtlicher Bedeutung«, weiß Bohlig. Aus dem Bach wurde das zum Leben, zur Bewässerung, zur Reinigung von Mensch und Tier benötigte Wasser bezogen und er war gleichzeitig auch Entsorgungskanal. Der ursprüngliche Verlauf des Hachinger Baches führte einmal durch die ehemalige Keltensiedlung zwischen Schmidbauer-, Ottobrunner- und Hofangerstraße. Er ist jetzt durch eine Senke und eine Steinmarkierung gekennzeichnet. Man kann die Vergangenheit beim Wandern auf dem beschilderten Kulturgeschichtspfad in Perlach erkunden. Auch das »Grüne Klassenzimmer« mit Schautafeln lädt hier zum Begehen und Mitmachen ein, berichtet Bohlig. Wenn die neu ausgegrabenen Perlacher Skelette und Eisenmesser wissenschaftlich umfassend untersucht sind, stellt sich die Frage, ob sie in Zukunft vielleicht sogar ausgestellt werden können. Wie und wo ist aber heute noch völlig offen.

bus

Artikel vom 10.12.2013
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