Wie feiern die Schwabinger Weihnachten?

Schwabing · Irgendwas ist immer

Wie feiern die Schwabinger Daniel, Kathleen mit Sohn Luca und Freund Daniel  Weihnachten? 	Foto: scy

Wie feiern die Schwabinger Daniel, Kathleen mit Sohn Luca und Freund Daniel Weihnachten? Foto: scy

Schwabing · Vielleicht wird Luca ja den halben Tag verschlafen. Weihnachten jedenfalls spielt erstmal kaum eine Rolle in seinem Leben. Sechs Monate ist er alt und sein schlafendes Köpfchen liegt auf der Brust von Mama Kathleen, die selbst den Festtagen gelassen entgegensieht. »Bloß keinen Stress«, sagt die Schwabingerin. Freitagabend: Wie zig andere aus dem Viertel steht Kathleen auf dem Christkindlmarkt an der Münchner Freiheit und genießt Punsch aus einem großen Haferl. Die übliche Hektik der vorweihnachtlichen Wochen hat hier gerade Pause.

Man steht zusammen mit Freunden. Stimmengewirr. Lachen. Eine gemütliche Atmosphäre, aber wird sie anhalten bis zum Heiligen Abend? Überhaupt, wie verbringen die Schwabinger die anstehenden Feiertage? Neben Kathleen steht ihr Freund Daniel. »Dieses Jahr bleiben wir zuhause«, erzählt er. Mehrere 100 Kilometer müssten sie reisen, um Kathleens Eltern und dann seine zu besuchen. Aber ihrem Baby wollen sie die lange Reise einfach nicht zumuten. Ohnehin will sich das Paar überlegen, wie es in Zukunft Weihnachten verbringen möchte. Etwas ändern werde sich auf jeden Fall. »Wir haben nun unsere eigene kleine Familie und werden mal gucken, welche Bräuche, die wir seit unserer Kindheit kennen, wollen wir weiterführen und welche nicht«, so Daniel. Sein Kumpel, der ebenfalls Daniel heißt, lässt hingegen alles beim Alten. »Ich fahre die 520 Kilometer rauf zu meinen Eltern«, sagt der 39-Jährige. »Es ist schön, wenn wir zu Weihnachten alle zusammenkommen, darauf freue ich mich immer sehr.«

Zusammen werde dann gegessen, Bockwurst mit Kartoffelsalat, dann die Bescherung und auch der Alkohol dürfe nicht fehlen. »Zusammen kippen wir schon ganz schön was runter«, sagt er lachend. Sich gemeinsam mit der Familie um den Christbaum versammeln, davon hält Sina Schreyer überhaupt nichts. »Das gibt bloß Streit«, sagt die Studentin aus Altschwabing. »Irgendwas ist immer. Ich glaube, ich habe noch nie erlebt, dass Weihnachten mal entspannt abgelaufen ist.« Vor allem ihre Mutter setze sich selbst unter Druck und wolle ein perfektes Fest abliefern. »Und schön harmonisch muss es sein. Das ist praktisch Pflicht.« Um diesem Zwang zu entgehen, flieht Sina seit inzwischen vier Jahren schon in exotische Länder. Je weiter weg, desto besser. »So kann ich auch der Kälte entkommen. Und auf den Schnee kann ich auch gut verzichten«, sagt sie. Letztes Jahr war Sina in Tasmanien bei Australien, heuer soll es in den Süden Thailands gehen, in die Provinz Krabi. Unter anderem will sie zum Tigerhöhlentempel. Und trifft auch Gleichgesinnte zum Meditieren. »Das ist besinnlicher als hierzulande. Weihnachten ist längst zum Konsumfest verkommen.« Rund 70 Milliarden Euro werden die Deutschen heuer für die Weihnachtsfeierlichkeiten ausgeben. So das Ergebnis einer Studie eines Online-Portals. Pro Haushalt sind das im Schnitt knapp 670 Euro. Gut 380 Euro werden in Geschenke investiert. Zu den beliebtesten Präsenten gehören laut eines Verbraucherportals unter anderem elektrische Zahnbürsten, Sportutensilien, Küchengeräte, Internetradios und allen voran Smartphone und Tablets.

Gedichte unterm Weihnachtsbaum

Nichts davon taucht auf der Liste von Michael Pfäffl auf. »Seit Jahren schon verschenke ich selbst geschriebene Gedichte und Geschichten, eingerahmt und zum An-die-Wand-hängen«, erzählt der Westschwabinger. Überhaupt stehen Geschichten im Zentrum, wenn die Familie zusammenkommt. »Es ist bei uns sehr gemütlich, wir verbringen gerne die Zeit miteinander, indem wir uns Geschichten erzählen, das geht dann ewig bis in die Nacht«, so Pfäffl. Seine Eltern kommen am Heiligen Abend nach München, dann steht eine Fahrt ins Allgäu an und das Treffen mit den Eltern von Freundin Angela. »Wir lassen es uns einfach gut gehen«, sagt sie. Von viel Aufhebens um Weihnachten hält sie nichts. »Ich verbringe auch sonst Zeit mit lieben Menschen und wir beschenken einander auch das Jahr über«, so Angela. Der christliche Bezug zum Lichterfest aber ist da. Wie rund 45 Prozent der Deutschen besucht Angela mit ihrem Freund und der Familie an den Weihnachtstagen die Kirche.

Weihnachten ist auch eine Zeit, um Atem zu holen. So etwa für den Chef des Bezirksausschusses Schwabing-West (BA 4), Walter Klein. Das stadtteilpolitische Engagement ruht ausnahmsweise. »Weihnachten ist bei meiner Frau und mir ganz familiär«, sagt Klein. Den Heiligen Abend verbringe er nach dem Friedhofsbesuch zunächst mit seinen Eltern und im Anschluss mit seiner Frau und deren Töchtern und Freunden. Am ersten Feiertag gehe es nach Sees-haupt zu Schwägerin und Schwager. Und am zweiten Feiertag ist Klein mit seinen Eltern und seiner Schwester zum Mittagsessen mit anschließendem Weihnachtsspaziergang verabredet. Wo ist das Christkind? Ist es auf ein Dach gehuscht? Hält es sich hinter Bäumen versteckt? Mit großen, mit suchenden Augen gehen zwei Kinder, Jaron und Anisha, durch die Straßen, an ihrer Seite Nadine Eggersh, ihre Oma. Eine Szene, wie sie sich jedes Jahr aufs Neue abspielt. »Bei uns ist es Brauch, das Christkind zu suchen. Und wenn wir dann wieder zurück in die Wohnung kommen, liegen plötzlich die Präsente unter dem Baum«, erzählt die Schwabingerin. Weihnachten ohne ihre Enkelkinder könne sie sich gar nicht vorstellen. »Mir geht jedes Mal das Herz auf, wenn ich mit ihnen zusammen bin«, sagt die 63-Jährige.

Die Familie muss zusammen sein

Dass die Familie zusammen sei, darauf komme es an. Inzwischen handele es sich um eine typische Patchwork-Familie. »Das heißt, ich muss mich aufteilen, mal bin ich bei meiner Ex-Schwiegertochter, dann bei meinem Sohn und seiner neuen Frau und deren Familie, schön bunt, viel los«, sagt sie. Weihnachten beginne bei ihr bereits mit den Vorbereitungen zuhause: »Ich mag es sehr, die Geschenke möglichst schön einzupacken und nehme mir viel Zeit dafür.« Und Schnee, natürlich, der müsse sein, mit möglichst dicken Flocken. »Auch wenn das im Grunde nicht meine Jahreszeit ist«, verrät Nadine Eggersh. Und fügt an: »Ostern ist mir lieber. Da freue ich mich jetzt schon drauf.«

Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 10.12.2013
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