Wissenschaftler möchte den Alltag sicherer machen

Münchner Erfinder verschenkt Patente

Anatoly Paley mit einigen seiner Patente: Der 80-Jährige tauscht sich bis heute gern mit Kollegen über aktuelle wissenschaftliche Neuigkeiten aus. Foto: Marina Maisel

Anatoly Paley mit einigen seiner Patente: Der 80-Jährige tauscht sich bis heute gern mit Kollegen über aktuelle wissenschaftliche Neuigkeiten aus. Foto: Marina Maisel

München · Deutschland gilt nicht nur als Land der Dichter und Denker, sondern vor allem der Ingenieure (auch wenn die zunehmend Mangelware sind) und sein Zukunftskapital sind seine geistigen und technischen Erfindungen. Noch müssen wir uns keine Sorgen machen: Mit rund 34.000 Patentanmeldungen im Jahr 2012 steht Deutschland in Europa an der Spitze – auch wenn die Anmeldungen aus China, Japan und Korea eine rasantere Entwicklung vorlegten und nahezu 60 Prozent des Anmeldezuwachses zwischen 2011 und 2012 ausmachten, so das Europäische Patentamt.

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Besonders erfindungsreich sind die Süddeutschen: Von den 2012 rund 46.500 Patentanmeldungen aus Deutschland beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) kam mehr als die Hälfte der Anmeldungen aus Bayern (14.340) und Baden-Württemberg (14.225). Aus dem In- und Ausland wurden dort 2012 über 61.000 Patente angemeldet. Die meisten dieser Patente sind seit Jahren von Großunternehmen, »über 60 Prozent«, erklärt Petra Knüfermann von der Pressestelle des Deutschen Patentamtes, das seinen Hauptsitz in München in der Zweibrückenstraße hat (neben Ämtern in Berlin und Jena). »Knapp 7 Prozent aller Patentanmeldungen, also etwa 3.200, wurden aber 2012 vom Erfinder selbst angemeldet«.

Dass es dabei oft um mehr geht, als Geld zu verdienen, sondern dass da viel Herzblut dahintersteckt und der Wunsch, mit einer guten Idee wenn nicht die Welt, dann wenigstens den Alltag zu verbessern, zeigt die Geschichte von Anatoly Paley aus Schwabing. Schon vor Jahren hat der 80-Jährige, der in Russland als Professor für Astronomie im Bereich Astrophysik und Messgerätebau für kosmische Forschung tätig war und seit 1996 in München lebt, immer wieder Patente beim Deutschen Patentamt angemeldet. Das Bemerkenswerte: Sieben davon möchte er jetzt an Unternehmen verschenken, die seine Erfindungen umsetzen können. Dabei handelt es sich um Erfindungen die die Sicherheit von Flug-, Auto- und Aufzugpassagieren erhöhen sollen. »Immer, wenn ich von Notfällen höre oder lese, denke ich, warum das passieren konnte und wie man das vermeiden kann«, erklärt der Professor seinen Erfinderdrang. Warum er seine Patente verschenken und nicht selbst daraus Profit gewinnen möchte? »Das ist der einfachste Weg zur Verwirklichung meiner Entwicklungen«, erklärt Anatoly Paley, der 1998 den Münchner Club russischsprachlicher Wissenschaftler gegründet hat und der 50 Mitglieder zählt. Aufwendigen Modellbau und die EU-weite oder gar internationale Patentierung kann sich der 80-Jährige nicht leisten. Die Hoffnung, bei seiner Ankunft in Deutschland im Rentenalter noch eine Anstellung im wissenschaftlichen Bereich zu finden, wurde schnell enttäuscht. Aus seiner gut dotierten Tätigkeit in Russland erhält er zwar eine Rente von etwas mehr als 300 Euro pro Monat. Die wird aber mit der Sozialhilfe verrechnet, auf die der Erfinder zu seinem Bedauern angewiesen ist.

Ein Patent kostet Geld: »Eine Anmeldung in Papierform mit bis zu zehn Patentansprüchen beläuft sich auf 60 Euro, dieselbe elektronische Anmeldung kommt auf 40 Euro«, so Petra Knüfermann vom Deutschen Patentamt, das vor über 130 Jahren als Kaiserliches Patentamt in Berlin gegründet wurde, um das geistige Eigentum zu schützen. »Die Gebühr für einen Prüfungsantrag beläuft sich auf 350 Euro. Hinzu kommen ab dem dritten Jahr nach der Anmeldung die Jahresgebühren für die Aufrechterhaltung der Anmeldung oder des Patents: 70 Euro für das dritte Jahr und bis zu 1.940 Euro für das 20. Jahr«. Das Schutz- und Exklusivrecht für die Verwertung einer Erfindung entsteht nämlich nicht automatisch mit Anmeldung einer Erfindung beim Deutschen Patentamt. Sie kann erst dann patentiert und geschützt werden, wenn ein gesetzlich vorgeschriebenes Verfahren mit positivem Ergebnis durchlaufen wurde. Eines der sieben Patente, die Anatoly Paley verschenken möchte, ist eine Art Stoßdämpfer für Fluggäste. »Es ist allgemein bekannt, dass die größte Gefahr für die Passagiere des Flugzeuges beim Startanlauf und bei der Landung besteht«, erklärt der Wissenschaftler. »Bei Auffahren eines Flugzeuges auf ein Hindernis oder bei scharfem Bremsen (auch bei Bauchlandung) wirkt auf die Passagiere eine große Beschleunigungsbelastung, bei der der Sicherheitsgurt nicht ausreichend sein kann«. Der von ihm entwickelte Dämpfer soll nun die gefährlichen Folgen solcher Situation wesentlich verringern. Sein Vorbeugungsdämpfer ist ein an der Rückseite der Rückenlehne angebrachtes aufblasbares elastisches Element, das mittels Druckluft aus einem Druckluftkanal nur vor dem Startanlauf und vor der Landung in Betriebsbereitschaft gebracht wurde. Wenn der Luftüberdruck (vom Piloten) ausgeschaltet wird, nimmt das elastische Element einen passiven (zusammengelegten) Zustand ein.

Dass jemand anderes mit seinen verschenkten Patenten Geld verdient, ist für Anatoly Paley aber kein Problem: »Wie alle Eltern möchte ich sehen, dass meine ›Kinder‹ leben und dass ich nicht umsonst mein Leben gelebt habe«.

Bei Interesse an den Patenten (nur Firmen), kann man sich an Anatoly Paley wenden: Telefon 089/3612516, E-Mail apaley@yandex.com.

Was muss unbedingt noch erfunden werden? Stimmen Sie ab unter www.samstagsblatt.de.

Von Michaela Schmid

Artikel vom 05.12.2013
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