Albrecht Ackerland im Münchner SamstagsBlatt über Politiker

„Da schau her“ - Zum Thema der Woche: Politiker

München · Dafür war das Stüberl schon immer gut, und da wird es in den Hunderten Münchner Boazn nicht anders zugehen als in meinem Stammstüberl oben auf Giesings Höhen.

In der gemeinen Kneipe lässt sich vieles ablesen, raushören, die Stimmungen und Meinungen, die viele Menschen gerade beschäftigen. Die vielen ewigen Parolendeppen und plumpen Stammtischlösungen bekommen von mir traditionell ein taubes Ohr, es gibt genug Feineres. Das bekommt jeder, der genau hinhört und vielleicht mal eine richtige Frage stellt. Das reizt mich am Stüberl weit mehr als die drei Weißbiere, so schön ihre Kronen auch sein mögen.
Bei einer wichtigen Sache hat der Wind gedreht, besser noch: Er ist abgeflaut. Wenn es um Politiker geht, ist die Meinung fast immer zu allen gleich. Alle seien sie ähnlich, es gehe nur um ihren eigenen Vorteil. Und ja! Seit Jahren höre ich in der Boazn nichts mehr von einzelnen Köpfen in der Politik, die maßlos aufregen, denen etwas zugetraut wird, von Köpfen, die vom einen ehrlich verabscheut und denen vom Tresennachbarn fast schon gehuldigt wird - alles freilich in einer angenehm gereizten wie friedlichen Art.

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Dieses Fehlen von gefühlter Nähe zum Politiker hat eine schlimme Folge: Nicht nur die Macher interessieren in der Boazn nicht mehr, auch die wichtigen Themen, die das Land und uns Menschen voranbringen sollten oder könnten, fallen durch. Dann wird halt eben eine halbe Stunde länger über den Bayern-Pep schwadroniert. Ob das Gymnasium denn nun wirklich nur acht Jahre dauern sollte? Durchgefallen.

Ganz besonders schön lässt sich das bei den Grünen ablesen, dieser Partei, die eigentlich unbedingt nötig wäre, die aber langsam droht, ihrer großen Gegenspielerin FDP ins Ignoriertsein zu folgen. Woran liegt’s? Bestimmt am Fehlen echter Köpfe, die aufregen und gleichzeitig genug Charisma besitzen, um auch den Gegner zu beeindrucken. Köpfe, die eine gewisse Dosis Machtgeilheit mitbringen, die dazu dient, ihre tiefe Überzeugung, Haltung, Linie nach vorne zu bringen.

Stattdessen herrscht: unsympathisches Geeiere oder Duckmäuserei mit Beißhemmung nach innen wie nach außen. Bei den anderen Gruppen: das Gleiche in rot, in schwarz, in wasweißich. Hätte ich eine Lösung, ich würde sie nun hier hinschreiben. Wie lässt sich das mit dem Nachwuchs ändern? Warum gehen junge Leute mit Charme, Überzeugung in welche Richtung auch immer, mit Witz und einem starken Rücken wie Sprechwerkzeug nicht in die Politik? Oder warum kommen sie nicht nach oben?
Aus diesem Jammertal will ich jedenfalls schleunigst raus. Und im Stüberl: will ich endlich wieder anständig unterhalten werden, weil man sich über Politik unterhalten kann.

Artikel vom 01.11.2013
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