Die Sprache der Früchte

Führung im Botanischen Garten

Die roten, stark duftenden Erdbeeren werden von Vögeln und Säugern gleichermaßen verbreitet.	 Foto: Franz Höck, Botanischer Garten München-Nymphenburg

Die roten, stark duftenden Erdbeeren werden von Vögeln und Säugern gleichermaßen verbreitet. Foto: Franz Höck, Botanischer Garten München-Nymphenburg

Moosach/Nymphenburg · Der Botanische Garten (Menzinger Straße 65) lädt am Sonntag, 22. September, um 10.00 Uhr zu der Führung »Die Sprache der Früchte.

Wie Pflanzen mit Tieren kommunizieren, Teil 2« mit Dr. Thassilo Franke ein. Treffpunkt ist vor dem Gewächshauseingang.

Um die Qualität einer Frucht zu beurteilen setzen wir unterschiedliche Sinne ein. Die Reife von Tomaten etwa beurteilen wir mit Hilfe der Augen: umso röter desto besser. Gleiches gilt für Erdbeeren, allerdings prüfen wir diese meist auch mit der Nase, denn nur wenn sie duf­ten, schmecken sie auch. Bei den Birnen spielt die Farbe kaum eine Rolle. Hier verlässt sich der Kunde am Obststand hauptsächlich auf die Nase und – oft zum Ärger des Verkäufers – auf den Tastsinn, denn bei Birnen gilt: je weicher desto reifer. Bei Weintrauben, vor allem bei den grünen Sorten, versagen Seh-, Geruchs- und Tastsinn – hier zählt nur der Geschmack. Ein Sonderfall ist die Wassermelone: bei dieser Frucht kann man die Reife sogar hören. Klopft man auf die harte Schale, verrät der Klang ob die Melone reif ist. Wie man sieht, kommen bei der Abschätzung des Reifegrads von Obst alle Sinne zum Einsatz.

Pflanzen machen mit unterschiedlichen Signalen auf ihre Früchte aufmerksam. Die eigent­lichen Adressaten sind aber nicht wir Menschen, sondern Tiere. Indem sie die angeprie­senen Früchte fressen und die Samen andernorts wieder ausscheiden, sorgen sie für deren Verbreitung. Süßes, nahrhaftes Fruchtfleisch ist der Lohn für den Kurierdienst. Die wich­tig­sten Samentransporteure gehören zu den Vögeln und Säugetieren. Diese beiden Tier­gruppen unterscheiden sich deutlich in ihrem Wahrnehmungsvermögen – entsprechend unterschiedlich fallen die pflanzlichen Signale aus. Im Gegensatz zu den meisten Säuge­tieren, können Vögel die Farbe Rot sehr gut wahrnehmen. Säugetiere hingegen verfügen über einen empfindlichen Geruchssinn, der wiederum den meisten Vögeln fehlt. Diese Unterschiede erklären die Beschaffenheit vieler Fruchttypen. Pflanzen, die bevorzugt Vögel als Samenkuriere einsetzen, bringen meist rote, duftlose Früchte hervor – Kirschen und Johannisbeeren gehören in diese Kategorie.

Die Früchte jener Pflanzen, die Säugetiere ins Visier nehmen, sind hingegen meist gelb oder unauffällig gefärbt, dafür aber mit einem intensiven Duft ausgestattet. Beispiele für diesen Fruchttyp sind Birne, Banane und Honig­melone. Manche Früchte, wie etwa die roten, stark duftenden Erdbeeren werden von Vögeln und Säugern gleichermaßen verbreitet. Es gibt aber auch Früchte, die eine Tiergruppe gezielt ausschließen. Dies bewerkstelligen sie durch die Einlagerung von Substanzen, die für unerwünschte Fresser ungenießbar sind. So soll beispielsweise das scharfe Alkaloid Capsaicin Säugetiere am Verzehr von Chilischoten hindern. Vögel reagieren hingegen unempfindlich auf Capsaicin und fressen die roten Früchte gerne. Fliegend legen sie größere Strecken zurück als die meisten Säuger und sind somit die effektiveren Samen­verbreiter. Durch einen viele Millionen Jahre währenden Prozess der Ko-evolution ist ein fein abgestimmtes Kommunikationssystem zwischen Pflanzen und Tieren entstanden: Die Sprache der Früchte. An der Führung kann jeder teilnehmen, der eine gültige Eintrittskarte in den Botanischen Garten besitzt.

Artikel vom 17.09.2013
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