Albrecht Ackerland im Münchner SamstagsBlatt über Überwachung

München · „Da schau her“, zum Thema: Kameras - Das Auge auf München

München · Das Schlimmste ist, dass es mich nicht mehr aufregt.

Mei, was hat es uns noch erschüttert vor zehn, zwanzig Jahren und wütend gemacht, dass da ein Staat oder ein Unternehmen auch nur mein Geburtsdatum haben wollte. »Meine Daten gehören mir«, das war der Spruch, vielleicht erinnern Sie sich noch an die großen Boykottaufrufe bei der Volkszählung 1987. Das war vielleicht ein Remmidemmi.
Ein Vierteljahrhundert später ist alles ganz anders. In Bussen, Bahnen, an immer mehr Bahnhöfen, an immer mehr öffentlichen Plätzen, hängen selbstverständlich Kameras, die mittlerweile sicher so aufgelöst sind, dass in den Kontrollzentralen auch noch das letzte Nasenwimmerl vom Schneider Beppi bestaunt werden kann, oder zumindest die zunehmende Grobporigkeit seines stattlichen Münchner Zinken. Und juckt das den Beppi, also nicht das Wimmerl, sondern die Tatsache, dass er kaum mehr unbeobachtet durch sein Leben strawanzt? Nix is’. Was mich vor zehn Jahren noch rasend gemacht hat, die Haltung, dass wir freie Menschen sind und jeden anderen es genau einen Scheißdreck angeht, vor allem irgendwelche Behörden, was ich so tue - die Haltung ist dermaßen geschliffen, dass mir angst und bange wird. Vielleicht ist es ja wirklich ein großer Schmarrn, dass sich da eine große Gefahr zusammenbraut, bei der es im richtigen Moment nur schnackeln muss, und plötzlich kann jeder, der einem Mächtigen nicht passt, keinen Schritt mehr machen, der frei ist. Das schön-gruselige Ironische daran ist, dass wir alle fleißig mithelfen: Ich poste Fotos, die sehen lassen, mit wem ich es so zu tun habe, jeder kann wissen, was ich von etwas halte, und mittlerweile ist auch klar, dass halbwegs jede E-Mail irgendwie durchforstet wird. Und was juckt’s mich? Nix is’.
Und die Kameras? Fast kein Monat vergeht mehr, wo nicht ein irrer U-Bahn-Schläger mittels Videoüberwachung erwischt wird. Was soll man da noch sagen? Prost, Mahlzeit.

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Artikel vom 15.08.2013
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