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Bald ist Wiesn: Diese Zahlen und Anekdoten kennt nicht jeder

Heinrich Ortner kennt sich bestens mit der Wiesn aus. Jetzt, während des Aufbaus, erzählte er Wissenswertes über das größte Volksfest der Welt.	Foto: scy

Heinrich Ortner kennt sich bestens mit der Wiesn aus. Jetzt, während des Aufbaus, erzählte er Wissenswertes über das größte Volksfest der Welt. Foto: scy

Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt · Wie viele blaue Augen es gegeben hat, weiß niemand. Es war um das Jahr 1900, da löste eine Rauferei auf der Wiesn eine Kettenreaktion aus.

Themenseite zur Wies und dem Tollwood-Festival

Mehrere Hundert Menschen waren daran beteiligt, die Streithammel schlägerten sich bis hin zum Marienplatz. Auch vor etwa fünfzig Jahren wusste jeder, der auf die Wiesn geht: Am zweiten Wiesn-Montag, dem sogenannten »Maurer-Montag«, wird es gefährlich. »Es war bekannt, dass es dann todsicher Raufereien gibt. An diesem Tag bin ich lieber daheimgeblieben«, erzählt Heinrich Ortner, der damals Jugendlicher war.

Heute macht er regelmäßig Führungen durch München, auch vor und während des Oktoberfests. Und weiß: »Inzwischen dürfte es nur wenige geben, die sich bei einer Schlägerei Blessuren holen. Die meisten verletzen sich an Glasscherben.« Die Wiesn sei, auch wenn viele über die »Ballermann-Atmosphäre« schimpfen, viel braver geworden.

Freitag, vergangene Woche. Sengende Hitze über der Theresienwiese, die Gerippe der Zelte stehen bereits, dort und da braungebrannte Arbeiter mit freien Oberkörpern. Der Aufbau der Wiesn ist seit dem 22. Juli im Gang. Wie üblich bietet Heinrich Ortner einen Vorab-Rundgang an, 20 Teilnehmer sind gekommen. Doch den Sicherheitsleuten, die im Auto regelmäßig das durch Bauzäune abgesicherte Gelände fahren, ist die frei herumlaufende Gruppe wohl ein Dorn im Auge. »Was machen Sie denn hier?«, wird Ortner angesprochen. Der Tonfall ist streng, die Blicke sind skeptisch, die Sache aber schnell geklärt. Doch ist diese Szene exemplarisch. Wer nichts mit dem Wiesn-Aufbau zu tun hat, muss draußen bleiben. Eine Querung des Geländes ist nicht möglich, die Sperrung verläuft großräumig. Und das verärgert seit Jahren Anwohner und Bezirkspolitiker. Auch wenn es an dem Betretungsverbot kein Rütteln gibt, heuer öffnet die Stadt dennoch zwei Trassen für Radler und Spaziergänger. Bis einschließlich 25. August steht die Matthias-Pschorr-Straße zwischen Esperantoplatz und Bavaria offen, jedoch nur an den Wochenenden von Freitag, 18 Uhr bis Montag, 6 Uhr. Und bis zum 28. August kann die Schaustellerstraße, die neben dem Bavariaring in Nord-Süd-Richtung verläuft, genutzt werden, außerdem das Festgelände auf der Straße südlich der Käfer-Wiesn-Schänke bis zur Schaustellerstraße.

Während in diesen Wochen gut 150 Arbeiter an den 14 Zelten herumwerkeln, kommen die Schausteller erst Ende August, dann aber werden gut 800 Arbeiter auf dem 34 Hektar großen Festplatz beschäftigt sein, die letzten Handgriffe werden noch bis einen Tag vor dem Anstich am 21. September getan.

Unter anderem müssen Tanks mit einem Gesamt­volumen von etwa ­­28.000 Litern aufgestellt, kilometerweise Kabel verlegt und die Küchenböden betoniert werden. Insgesamt 43 Kilometer lange, unterirdisch verlegte Leitungen versorgen die Wiesn mit Strom. Mit 2,6 bis 2,9 Millionen Kilowattstunden. In Spitzenzeiten entspricht das dem Verbrauch einer Kleinstadt mit ungefähr ­21.000 Einwohnern.

60 Prozent Münchner auf der Wiesn

Der Wasserverbrauch ist etwa 16 Mal höher als der Bierverbrauch, der bei knapp sieben Millionen Litern liegt. Beim Abbau übrigens muss mehr Gas gegeben werden. Nur ein Monat bleibt dafür Zeit, und danach schon starten die Aufbauarbeiten für das Winter-Tollwood.

Ortner gehört zu den 76 Prozent der Wiesn-Besucher, die jedes Jahr kommen – wobei 60 Prozent aus München und Umgebung kommen. »So touristisch ist die Wiesn gar nicht, wie man glaubt«, so Ortner. Aus dem Ausland reisen knapp 20 Prozent der Besucher an, allen voran Italiener und Amerikaner.

Zwei bis drei Mal schlendert der 65-Jährige über die Wiesn. Allerdings nicht in Tracht und man trifft ihn auch nicht im Bierzelt mit einer Maß in der Hand. »Ich mag einfach die Atmosphäre, deshalb gehe ich dorthin.« Damit spart er sich freilich jede Menge Geld. Bierliebhaber müssen heuer zwischen 9,40 Euro und 9,85 Euro für eine Maß hinlegen. Und während der 16 Tage einer Wiesn wird natürlich auch beim Essen zugelangt. Im Jahr 2012 konsumierten die Besucher insgesamt 520.000 Brathendl, 125.000 Paar Schweinsbratwürstl, 92 Kälber und 118 Ochsen.

Das Essen spielte freilich schon immer eine große Rolle. Kein Wunder also, dass sich im Jahr 1904 ein Hungerkünstler vergeblich um Zuschauer bemühte. »Die Besucher protestierten heftig, sie hatten keine Lust, ausgerechnet auf der Wiesn einem solchen Gerippe zu begegnen«, erzählt Ortner. Einen Skandal anderer Art provozierte der legendäre Löwenbräu-Löwe, das 4,5 Meter hohe Brauerei-Maskottchen, berühmt für sein kontinuierliches Brüllen.

Ein Maulkorb für den Löwen

Anfangs wehrten sich die anderen Wirte heftig dagegen und erwirkten im Jahr 1952 sogar ein Schweigegebot. Dem Löwen wurde plakativ ein Maulkorb verpasst. Das wiederum brachte die Münchner auf die Barrikaden. Und zwei Jahre später schon brüllte der Löwe wieder aus Herzenslust. Und verkündete seine wieder gewonnene Freiheit auf einem Plakat: »Ich brauch nun nicht mehr zittern, befreit aus Kerkergittern, brüll ich ins neue Jahr.« Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 06.08.2013
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