Zornedingerin Renate Fröhlich erhält MS-Pflegepreis

Zorneding · Die Familie erhalten

Renate Fröhlich mit ihrem Mann Willibald (vorne) und den drei Söhnen bei der Verleihung des Pflegepreises 2013.	Foto: privat

Renate Fröhlich mit ihrem Mann Willibald (vorne) und den drei Söhnen bei der Verleihung des Pflegepreises 2013. Foto: privat

Zorneding · Vor 23 Jahren wurde bei dem Zornedinger Willibald Fröhlich Multiple Sklerose (MS) diagnostiziert. Nach einem Zusammenbruch war er von einem Tag auf den anderen pflegebedürftig und auf die Unterstützung seiner Frau Renate angewiesen.

Zorneding · Vor 23 Jahren wurde bei dem Zornedinger Willibald Fröhlich Multiple Sklerose (MS) diagnostiziert. Nach einem Zusammenbruch war er von einem Tag auf den anderen pflegebedürftig und auf die Unterstützung seiner Frau Renate angewiesen. Sie nahm die Herausforderung an. Für sie und ihre drei Söhne – damals neun, sechs und drei Jahre alt – brach eine harte Zeit an. Für ihre außergewöhnliche Leistung zeichnete die Bayerische Multiple Sklerose-Stiftung sie jetzt mit dem Pflegepreis 2013 aus. »Dass es nicht einfach werden würde, war mir klar, aber was tatsächlich auf mich zukommen sollte, wusste ich nicht«, sagt die 60-Jährige, die trotz ihrer zierlichen Figur stark wirkt. »Für mich zählte nur eines: die Familie erhalten.« Bevor ihr Mann krank wurde, war er beruflich sehr engagiert als Serviceleiter im Bereich Medizintechnik, sie hatte ihren Beruf als Sekretärin und Assistentin im Geschäftsleitungsbereich wegen der Kinder aufgegeben. Als er noch in der Klinik war, dachte Renate Fröhlich: »Na gut, dann tauschen wir eben die Rollen. Ich gehe wieder arbeiten, er ist für die Kinder da.«

Sie bereitete ihren beruflichen Wiedereinstieg im Schnellverfahren vor: Computer-Kurse, Examen in Wirtschaftsenglisch, Crash-Kurs Spanisch. Doch dann wurde ihr schnell klar, dass der Plan nicht funktionieren würde. Ihr Mann, auf den Rollstuhl angewiesen, fast blind und ständig von Schmerzen gequält, war fast immer auf Hilfe angewiesen. Jetzt ging es nur noch darum, ihn so gut wie möglich zu unterstützen und den Kindern ein stabiles Zuhause zu schaffen. Woher sie die Energie nahm? »Mir blieb nichts anderes übrig. Wenn man sieht, wie alles zusammenzubrechen droht, dann mobilisiert man Kräfte, von denen man vorher nichts wusste«, erzählt sie so leicht und gelöst, als spreche sie über ein Erdbeerkuchenrezept. Jammern ist ihr fremd. »Es bringt ja nichts«, sagt sie.

Nach drei Jahren galt Willibald Fröhlich aus ärztlicher Sicht als austherapiert. Geändert hatte sich an seinem Zustand jedoch nur wenig. »Also entschloss ich mich, medizinische Kenntnisse zu erwerben, um ihn selbst weiterbehandeln zu können«, so seine Frau. Sie begann eine Ausbildung zur Heilpraktikerin. Während die Kinder in der Schule waren, besuchte sie Vorlesungen und lernte, danach kümmerte sie sich wieder um die Familie. Nach vier Semestern legte sie erfolgreich die Prüfung ab und spezialisierte sich anschließend im naturheilkundlichen Bereich. Seit 1996 arbeitet sie in eigener Praxis im Haus, so dass sie in der Nähe ihres Mannes sein kann.

13 Jahre dauerte es, bis sie die erste Auszeit nehmen konnte. Ihr ältester Sohn Florian hatte seinen Zivildienst bei der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) absolviert und versorgte den Vater mithilfe von Freunden, während die Mutter mit den jüngeren Geschwistern einige Tage nach Lettland zu einer Freizeit der MS-Gesellschaft fuhr – als Betreuerin. Sie sei einfach eine »Macherin«, sagt sie. Seitdem gönnt sie sich öfters einmal tageweise kleine Pausen, in denen die beiden älteren Söhne einspringen, die glücklicherweise in der Nähe wohnen. Nur der jüngste, der seinen Zivildienst ebenfalls bei der DMSG geleistet hat, studiert noch in Tübingen. »Und mein Erholungs-Schnellprogramm ist: raus in die Natur«, sagt sie lächelnd. Das Reihenhaus, in dem sie mit ihrem Mann zur Miete wohnt, liegt direkt am Ebersberger Forst. Doch oft reiche ihr schon der Garten. Er ist ein einziges Meer aus duftenden Blumen und Heilpflanzen. Dort sitzt sie dann unter dem großen Ahorn und genießt die wohltuende Energie, die man dort spüren kann.

Die Erfahrungen mit der Krankheit ihres Mannes gibt sie in der MS Gruppe Zorneding, weiter, die sie seit 2005 ehrenamtlich leitet. »Wir gehören seit 1991 zu dieser Gruppe, die sich damals noch in Baldham traf und im Oktober ihr 30-jähriges Bestehen feiert«, erzählt Fröhlich. Alle 14 Tage treffen sich Betroffene und Angehörige für einige Stunden zu Gymnastik, Gedächtnistraining, geselligem Beisammensein und Informationsaustausch. »Ich achte darauf, dass die Mitglieder sich verstanden und angenommen fühlen, ohne sich groß erklären zu müssen, und dass Angehörige entlastet werden«, so die Leiterin. Angehörige, die währenddessen dabei sind, erhalten kleine Mutmachprogramme. »Das Gute ist: Ich bin authentisch, weil ich alles selbst erlebt habe und noch erlebe. Ich finde das wichtig. Man sollte vorleben, was man anderen vermitteln möchte.« Ihr Resümee der letzten 23 Jahre: »Federn haben wir alle gelassen. Aber die können nachwachsen, oder?« Sybille Föll

Artikel vom 30.07.2013
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