„Da schau her“ - Albrecht Ackerland im Münchner SamstagsBlatt

München · Albrecht Ackerland über den Sommer

München · Harte Zeiten verlangen härtere Maßnahmen. Ich werde mich beruflich umorientieren. Habe ich bisher gern über die leichten Seiten des Lebens berichtet, Altersarmut und dergleichen, so möchte ich nun die heißen Eisen anpacken.

Genauer: ein Eisen, das Temperatur hat, egal welche. Ich will Münchner Wetterspezialist werden. Sie werden von mir keine Einschätzung der Azorenhochlage bekommen und keine Erklärungen, warum ein Tief über Hinterhuglhapfing Einfluss auf das Münchner Wetter hat. Was ich plane, ist höchste Medienmacher-Kunst: Themen selbst setzen.

Meine erste Schlagzeile habe ich freilich schon im Kopf: »München leidet unter der Hitze! Die Stimmung in der Stadt kippt - so fiebern die Münchner dem November entgegen.« Damit setzt sich dann der Lauf in Gang, den jeder gute Spezialist für Wetterthemen, der sich mit dem Wetter an sich nullkommanull auskennt, draufhaben muss: »Hau ab, Hugo! Grüß’ Dich, Glühwein! Auf diese Szenedrinks freuen wir uns schon, wenn endlich die Temperaturen sinken.« Bis es soweit ist, lohnt sich ein Besuch im Tierpark: »Hellabrunn völlig Banane: So macht die Hitze den Affen zu schaffen«. Dann kommt schon bald die Wiesn, Zeit zu orakeln, dass wir eine Rekordwiesen bekommen, was freilich am Wetter liegt: »Hirnschaden statt Hautschäden – die Münchner haben sich eine Abkühlung aus dem Maßkrug redlich verdient«. Es kommt, wie es kommen muss. Am ersten Sonntag regnet es zum Trachtenumzug, am Montag hab ich die Geschichte parat: »Wird das sie mieseste Wiesn aller Zeiten?« Am Mittwoch dann, es wird seit zwei Tagen wieder die Sonne geschienen haben, eine schöne Wohlfühlpackung: »Golden glitzert der Gerstensaft – die Münchner feiern die Sonne über ihrer Wiesn«. In der zweiten Woche steigen die Temperaturen auf fast 30 Grad, ein wichtiger Grund zu warnen: »Sonnenbrand statt Brand am Morgen - das Oktoberfest droht zum Desaster zu werden! Die Badeseen sind voll, die Bierbänke zwischen neun und elf Uhr vormittags verwaist.«

Nachdem dann doch alles gut wurde, kommt auch schon bald der Winter, der erst keiner wird, unter dessen Schneemassen Anfang Dezember die Stadt versinkt, dann aber mit zehn Grad plus um Weihnachten punktet, was zur Folge hat, dass die Liftbetreiber um ihr Geschäft bangen. Das dann aber sensationell läuft, weil selbst die bayerischen Gebiete bis nach Ostern auf haben. Ostern selbst bringt hübsche Farbtupfer in Eiform in die geschlossene Schneedecke. Zeit, sich bereit zu machen, für die wichtigsten Wochen im Leben eines spezialisierten Wetterspezialisten wie mich: »Sommer, was ist das? Die Münchner haben abgeschlossen mit der Hoffnung auf ein paar schöne Tage«.

Artikel vom 26.07.2013
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