Diskussion über Lebensmittelmarkt am Kirchplatz

Oberhaching · Gespaltene Meinung

Die einen wünschen sich ihn, einen Supermarkt (hier eine Visualisierung) am Kirchplatz, die anderen fürchten Lärm und deutlich mehr Verkehr. 	Fotos: aba

Die einen wünschen sich ihn, einen Supermarkt (hier eine Visualisierung) am Kirchplatz, die anderen fürchten Lärm und deutlich mehr Verkehr. Fotos: aba

Oberhaching · »Das wird eine Riesen-Kiste!« So drastisch wie es ein Oberhachinger Bürger ausdrückte, der sich vergangenen Mittwoch im Bürgersaal beim Forstner bei der Informationsveranstaltung über den am Kirchplatz geplanten Lebensmittelmarkt zu Wort meldete, wollten es die meisten der gut 200 Anwesenden zwar nicht ausdrücken. Doch dass der Laden groß wird, ist unbestritten: Mit 67 Metern Länge und 60 Metern Tiefe füllt er – zumindest erdgeschossig – fast das gesamte zur Verfügung stehende Grundstück an der Kybergstraße aus.

Auf 1.600 Quadratmetern Ladenfläche will ein Vollsortimenter seine Waren präsentieren. Dass ein solches Geschäft in der Ortsmitte Oberhachings gut angenommen würde, davon sind sowohl die Befürworter, als auch die Gegner des Projektes überzeugt. Doch während erstere überwiegend positive Effekte für den Ortskern und die gesamte Gemeinde erhoffen, fürchten letztere die dadurch entstehende Verkehrsbelastung, den Lärm und ein Sterben der bisher am Kirchplatz ansässigen kleineren Einzelhändler. Mithilfe einer Bürgerinitiative »Rettet den Kirchplatz« wollen sie den Bau des Geschäftes verhindern. Bürgermeister Stefan Schelle (CSU), selbst überzeugter Befürworter des Ladens, will die Bedenken der Anwohner und Gegner keinesfalls unter den Tisch kehren. Damit das kürzlich neu gestartete Bebauungsplanverfahren für die Bürger möglichst transparent abläuft, hat sich die Gemeinde deshalb für ein moderiertes Verfahren mit vorgezogener Bürgerbeteiligung entschieden. Neben dem Bürgerinformationsabend, an dem alle Gutachten über das Projekt vorgestellt wurden, hat die Gemeinde auch noch ein umfangreiches Heft mit allen relevanten Informationen, Planskizzen und Luftbildern herausgegeben.

»Lärm macht krank und ist nicht tolerabel. Wenn die Grenzwerte nicht eingehalten werden, bringt das das Projekt zu Fall«, verspricht der Rathauschef. Doch es ist zwar Lärm durch Park- und Anlieferverkehr sowie haustechnische Anlagen zu erwarten, aber dieser soll durch schalltechnische Maßnahmen wie Tiefgarage, Lärmschutzwand und eingehausten Anlieferbereich minimiert werden, erklärte dazu Dominik Prislin vom Ingenieurbüro Greiner, der das Lärmschutzgutachten erstellt hat. »Die schalltechnische Situation stellt sich recht unproblematisch dar. Richtwerte werden zum Teil deutlich unterschritten«, resümierte er. Ein Gutachten, dass der Anwohner und Mitglied der Bürgerinitiative, Ludwig Ertl offen anzweifelt: »Das ist kein Lärmschutz- sondern ein Lärmermöglichungsgutachten«, ärgerte er sich. Auch die von Christian Fahnberg (Ingenieurbüro INGEVOST) in seinem Verkehrsgutachten vorgelegte Prognose über eine Zunahme des Verkehrs um circa 2.000 Kfz pro Tag auf der Kybergstraße (bei derzeit 10.000), ist in Ertls Augen schöngerechnet. Doch das sei nicht der Fall, versicherte Schelle schon im Vorfeld.

Im Gegenteil, alle Gutachter seien dazu aufgefordert, nichts zu beschönigen und die Berechnungen mit den jeweils ungünstigsten Zahlen durchzuführen. »Uns ist wichtig, dass die Gutachten gerichtsfest halten«, so Schelle. Doch auch die von Christian Hörmann (CIMA Beratung und Management) vorhergesagte »nachhaltige Sicherung der Ortsmitte durch einen Magnetbetrieb« wie den geplanten Lebensmittelmarkt, will Ertl nicht glauben. Etwa 4,32 Millionen Euro Kaufkraft könnten zusätzlich am Ort gebunden werden, hat Hörmann errechnet. Ertl dagegen fürchtet Umsatzeinbußen für die kleinen Geschäfte und ist sich sicher: »Unser Kirchplatz wird erstickt.« Eine viel bessere, »den Kirchplatz belebende Wirkung« sähe er zum Beispiel durch den Bau von Wohnraum für Senioren an dieser Stelle.

Doch auch aus dem Publikum bleibt Ertls Meinung nicht unwidersprochen: »In Deisenhofen gibt es vier Läden, ein Café, eine Eisdiele, die die Bahnhofstraße beleben. In Oberhaching ist es eher ruhig«, berichtet eine Bürgerin. »Der Laden ist für mich unabdingbar zur Belegung des Kirchplatzes«, findet ein weiterer Bürger. Zustimmung findet das Projekt auch beim Bund Naturschutz und das obwohl laut Umweltgutachter Christian Ufer (Terrabiota) für den Bau gut 3.000 Quadratmeter Fläche neu versiegelt und 30, teils sehr alte Bäume, gefällt werden müssten. Aber angesichts eines Alternativstandorts auf der »grünen Wiese« und der Möglichkeit im Ortskern zu Fuß oder mit dem Fahrrad einzukaufen, »befürworten wir den Standort grundsätzlich«, erklärte Erna Pletschacher, die Vorsitzende des Bund Naturschutz.

Alle Bürger haben nun noch bis Ende August die Möglichkeit, sich zu den Planungen der Gemeinde zu äußern. Auch zu weiteren Gesprächen am runden Tisch lud der Bürgermeister ein.

Andrea Pietsch

Artikel vom 16.07.2013
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