Münchner Dortmund-Fans – wo sehen sie das Finale?

München · Schwarz-Gelbe im Exil

Dortmund-Fan seit Geburt: Isa Runkel aus Vaterstetten. Foto: Leuendorf

Dortmund-Fan seit Geburt: Isa Runkel aus Vaterstetten. Foto: Leuendorf

München · Wenn am Samstag, 25. Mai, im Londoner Wembley-Stadion, um 20.45 Uhr deutscher Zeit der Anpfiff ertönt, stehen sich zum ersten Mal zwei deutsche Teams im Endspiel um die Champions League, die wichtigste Trophäe im europäischen Vereinsfußball, gegenüber. Ganz München wird dann dem FC Bayern gegen den Rivalen Borussia Dortmund die Daumen drücken! Ganz München? Nein!

Denn neben eingefleischten Löwen-Fans und eingeschworenen Bayern-Gegnern leben auch in der bayerischen Landeshauptstadt Anhänger der schwarz-gelben Borussen aus dem Ruhrpott. Doch wie lässt es sich eigentlich als BVB-Fan im fußballerischen Exil aushalten? Isa Runkel wohnt seit fünf Jahren in der Nähe von München – genauer gesagt, in Vaterstetten. Dortmund-Fan und auch Vereinsmitglied ist die 18-Jährige – laut eigener Aussage – schon so lange, wie sie auf dieser Welt ist: „Mein Vater hat mich gleich beim BVB angemeldet. Das war so ziemlich das Erste, was er nach meiner Geburt gemacht hat.“ So etwas ist im besonders fußballverrückten Ruhrgebiet durchaus üblich. Freunde oder Bekannte vor Ort, die ihre Leidenschaft zum BVB teilen, hat Isa, seit sie mit ihren Eltern aus Bochum nach Bayern umsiedelte, nicht mehr: „Hier habe ich eigentlich nur die Familie.“ Und ausgerechnet Isas Freund ist Anhänger des FC Bayern München. „Wir scherzen schon ab und zu. Aber wir nehmen das Ganze nicht so ernst. Fußball ist oft eher zweitrangig“, erklärt die 18-Jährige. Blöde Sprüche oder gar Anfeindungen von Bayern-Fans musste Isa noch nie ertragen. Aber beim Champions-League-Finale möchte sie trotzdem unter ihresgleichen sein – und fährt dazu extra in die Heimat, wo in der Dortmunder Westfalenhalle ein Public Viewing, ausschließlich für BVB-Anhänger, stattfindet. „Falls Dortmund verlieren sollte, würde ich das in München nicht aushalten“, gibt die gebürtige Ruhrpottlerin zu. Sonst schaut Isa, die im September ein Studium an der Münchner Schauspielschule beginnen wird, die Spiele ihrer Mannschaft gerne in der BVB-Fankneipe „Clemensburg“ in Schwabing an.

Die „Clemensburg“ war früher auch das Stammlokal des Fanclubs „Münchner Borussen“ - dem ersten und bisher einzigen Verein für BVB-Treue in und um München. (In Dortmund sind übrigens drei Fanclubs des FC Bayern registriert.) Gegründet wurden die Münchner Borussen im Juli 2010 von Johannes Mischo, der gemeinsam mit Thomas Knorr als Vorstand fungiert, und Sebastian Stauffert. „Wir wollten nicht immer Bayern oder Konferenz sehen, sondern eine Anlaufstelle für Dortmunder schaffen“, erzählt Stauffert, der seit April 2007 in München lebt. Heute hat der Verein etwa 150 Mitglieder, „von 7 bis 77 Jahre“, wie das Gründungsmitglied sagt, darunter sowohl zugezogene Dortmunder als auch echte Münchner. Ein Drittel der Mitglieder sind Frauen. In den Anfangszeiten schaute man die BVB-Spiele gemeinsam im Schlachthofviertel, dann in der Schwabinger „Clemensburg“, bis dorthin zu viele Fußballbegeisterte kamen. „Nach der Meisterschaft 2011 wurde der Ansturm einfach zu groß“, erzählt Stauffert. Man musste wegen der Lärmbelastung für die Anwohner umsiedeln und fand durch Beziehungen eines Club-Mitglieds mit der „Storchenburg“ im Münchner Osten eine neue geeignete Location. Dort, auf dem Optimol-Gelände hinter dem Ostbahnhof, verfolgen in der Regel 100 bis 150 Anhänger die Spiele des Doublegewinners von 2012 live im TV. Willkommen ist jeder, nicht nur Fanclub-Mitglieder.

Beim siegreichen Halbfinale gegen Real Madrid waren es schon etwa 500, zum Finale erwarten die Organisatoren sogar bis zu 700 Dortmund-Anhänger in der „Storchenburg“. Das Lokal ist am Samstag die ganze Nacht lang für die schwarz-gelbe Fangemeinde reserviert, „entweder zum Feiern oder zum Frusttrinken“, wie Stauffert sagt. Der 25-Jährige selbst wird aber nicht dabei sein: Denn er hat eines der heißbegehrten Tickets für Wembley ergattert und sieht das Spiel live in London. „Das war reine Glückssache. Ein Freund hat in der Verlosung zwei Karten bekommen.“ An das bisher letzte Champions-League-Finale mit dem BVB kann sich Stauffert noch gut erinnern: Den Triumph gegen Juventus Turin 1997 (in München!) sah er bei deutschen Soldaten in einer Kaserne in Frankreich, wo er geboren und aufgewachsen ist, und sympathisierte schon damals mit den Ruhrgebietlern, die das Spiel 3:1 gewannen. Durch seine Freunde zu Schulzeiten wurde der 25-Jährige, der heute im Bereich Marketing arbeitet, schließlich zum eingefleischten BVB-Anhänger und Fanclub-Gründer. Echte Konflikte mit Anhängern des FCB hat auch er noch nicht erlebt. „Bisher gab es null Probleme. München ist eher ein ruhiges Pflaster“, meint Stauffert. Allerdings grenzt er sich mit seinen „Münchner Borussen“ klar ab von Ultrabewegungen und jeglicher Gewalt. Dies hindert die Borussen im bayerischen Exil freilich nicht an einem selbstbewussten Statement: „München ist schwarz-gelb“, so lautet ihr Motto – was im Übrigen zumindest bei den offiziellen Stadtfarben durchaus zutrifft...

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Von Benjamin Schuldt

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Artikel vom 23.05.2013
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