Bekommt München einen »Isarboulevard« im Sommer?

Zentrum · Altstadt autofrei

Flanieren auf Autostraßen wie hier vor der Lukaskirche? Laut Benjamin David (kl. Foto) könnte das schon im Juni der Fall sein. 	Fotos: urbanauten/Jury Gottschall

Flanieren auf Autostraßen wie hier vor der Lukaskirche? Laut Benjamin David (kl. Foto) könnte das schon im Juni der Fall sein. Fotos: urbanauten/Jury Gottschall

Zentrum · In Paris beispielsweise wird seit Jahren schon für 31 Tage im August eine vierspurige Straße an der Seine autofrei gehalten und für Flaneure geöffnet. Das Münchner Projekt Isarboulevard verfolgt nun dieselbe Idee.

Bald soll also hier in der Innenstadt möglich sein, was in der französischen Hauptstadt längst umgesetzt wird: Fußgänger erobern die Straßen. Die Initiatoren sind die Urbanauten, dessen Sprecher Benjamin David darauf verweist, dass im Grunde bereits Karl Valentin vor knapp 100 Jahren die temporäre Umnutzung von Straßen vorschlug. »Die Umsetzung ist also längst überfällig«, sagt David. Die Urbanauten hoffen, dass ein Pilotprojekt bereits in diesem Sommer starten kann. Konkret sollen Isaruferstraßen wie die Wittelsbacher-, Auen-, Erhardt- und Steinsdorfstraße an Sommertagen in einen temporären Fußgängerboulevard umgewandelt werden. Täglich rollen hier ungefähr ­­37. 000 Autos durch, in Ferienzeiten und an Wochenenden allerdings weniger. Und genau das wollen sich die Urbanauten zunutze machen.

Gerade in Niedrigverkehrszeiten lässt sich laut Benjamin David die Idee gut umsetzen. Der Durchgangsverkehr könne dann problemlos durch den Richard-Strauss-Tunnel und auf den Mittleren Ring umgeleitet werden. Die Busse, die parallel zur Isar unterwegs sind, könnten zudem im Schritttempo den Boulevard durchfahren, wie es auch an anderer Stelle in München praktiziert wird. »Es ist also nicht gleich ein Verkehrschaos zu befürchten«, so David. Das dürfte die Anwohner im Lehel beruhigen: Die nämlich hätten entsprechende Bedenken, wie Wolfgang Püschel (SPD), Vorsitzender des Bezirksausschusses Altstadt-Lehel (BA 1), berichtet. Er würde zudem noch einen Schritt weitergehen und schlägt deshalb vor, an Wochenenden im Sommer die komplette Innenstadt innerhalb des Altstadtrings für den Autoverkehr zu sperren. »Das fände ich besser und wesentlich konsequenter«, so Püschel.

Doch erstmal muss überhaupt ein Anfang gemacht werden. Und dafür stehen die Zeichen ziemlich gut. Stadtteilpolitiker, Umweltaktivisten und die Pfarrer der beiden Isar-Gemeinden, Rainer Schießler von Sankt Maximilian und Helmut Gottschling von Sankt Lukas sagen »Ja« zu einem temporären Isarboulevard. Auch die OB-Kandidaten Dieter Reiter (SPD), Josef Schmid (CSU) und Sabine Nallinger (Grüne) haben bereits ihre Unterstützung für ein Modellprojekt zugesagt. Reiter spricht von einer »Idee mit Charme« und Nallinger verspricht sich durch das Projekt »mehr Lebensqualität und Raum« für die Bürger. Auch Stadtbaurätin Elisabeth Merk ist dem Modellprojekt nicht abgeneigt, ebenso wenig Wolfgang Czisch, Sprecher des Arbeitskreises Isarlust: »Es ist toll zu sehen, wie die generationen-, konfessionen- und ­parteiübergreifende Initiative, so wie es aussieht, schon diesen Sommer Wirklichkeit wird«, sagt er. Noch allerdings steht der notwendige Stadtratsbeschluss aus. Voraussichtlich am 8. Mai wird sich der Planungsausschuss in seiner Sitzung mit der Angelegenheit befassen, im Juni tagt der Stadtrat.

Um das Vorhaben umsetzen zu können, wären zwei Wege gangbar. Da wäre etwa ein einfaches Verfahren zur »Temporären Umwidmung« von Autostraßen zu Fußgängerboulevards. Das Musterprojekt »Fußgängerboulevard an der Isar« könnte dabei als Experiment mitbeschlossen werden – unter der Zuständigkeit des Baureferats. Oder man einigt sich auf eine Ergänzung zu den »Veranstaltungsrichtlinien der Landeshauptstadt München«, in dem auch das »Flanieren« als gültiger Veranstaltungsanlass eingefügt wird. Dafür wäre dann das Kreisverwaltungsreferat zuständig.

Denn bisher gilt, dass Straßen nur dann für Fußgänger geöffnet werden dürfen, wenn das für eine Veranstaltung geschieht, wenn also entweder Kulturbühnen aufgestellt sind oder Gastronomiebetriebe ihre Ware anbieten. Das war auch der Grund, warum im Jahr 2007 der Vorschlag des Bezirksausschusses Maxvorstadt, den Königsplatz temporär ausschließlich Fußgängern zugänglich zu machen, abgelehnt wurde. Dass das Projekt Isarboulevard eine ähnliche Ablehnung erfährt, glauben die Urbanauten nicht. Sie sind zuversichtlich, dass sie bereits an einem Wochenende im Juni starten können und dann in den Folgejahren im gesamten August. Stadtverwaltung und Stadtrat würden laut Benjamin David damit einen mutigen Schritt wagen. Und einen längst überfälligen, denn die Fußgänger dieser Stadt – die immerhin einen Anteil von 28 Prozent am Gesamtverkehr ausmachen – seien eine viel zu vernachlässigte Gruppe. »Man muss viele Plätze wieder so gestalten, dass Fußgänger sich wohl und willkommen fühlen, oder eben neue schaffen«, fordert David. Insbesondere in München mit dem starken Bevölkerungswachstum.

Ein »entscheidendes Signal« wäre es für den Urbanauten auch deshalb, weil München die internationale WALK 21 Konferenz mit über 700 Fußgängerexperten, Bürgermeistern und Planern aus der ganzen Welt vom 11. bis 13. September 2013 in der Alten Kongresshalle an der Schwanthalerhöhe ausrichtet. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 30.04.2013
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