„Da schau her!“ - Albrecht Ackerland im Münchner SamstagsBlatt über die Sommergrippe

München · Zum Thema: Impfung

München · Für mich als großen Bewunderer von Krankheiten sind das fantastische Zeiten, die wir da erleben. Wir hatten einen Winter, der sechs Monate anhielt, lang genug also, dass viele von uns Patienten in drei, vier, fünf Infektionsrunden gehen konnten.

Die einfache, einmalige, stinklangweilige Erkältung hat sich überlebt. Modern ist, wer dem Retrostil treu ergeben bereits überwundene Keime zurückkehren lässt, ihnen eine zweite Chance gibt. Dabei hat sich in dieser, der nun vergangenen, Saison noch ein zweiter großer Trend etabliert: Ein Husten, der nahezu allen meinen Bekannten in der dunklen Jahreszeit von ihrer quälenden Langeweile befreite. Ein Husten, der drei Monate anhielt – lässig, cool, röchelnd. Ich habe Menschen erlebt, die extra nach zwanzig Jahren das Rauchen wieder anfingen, um ihrem Husten einen Sinn zu geben. Dabei erkannten sie nur nicht, dass jeder Krankheit auch ein Zauber innewohnt.

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Dann halt impfen. Sagt der Arzt so leicht. Dabei ist so ein Impfen ja nichts anderes als ein Vorgaukeln: Der Körper nimmt an, er hat eine Krankheit und bildet eine Abwehr, die dann der echten Krankheit trotzt. Manchmal ist das ja schon supi-dupi, die Pocken, so ging es kürzlich durch die Öffentlichkeit, stünden kurz vor der Ausrottung. Für sich schon mal ein schöner Umstand, wenn wir eine Ausrottung zur Abwechslung mal feiern könnten und nicht beweinen müssten. Bis es so weit kam, musste viel geimpft werden. Die Pockenimpfung war eine ganz besondere, erinnert doch bis heute dieser spezielle Körperschmuck am Oberarm eines jeden Geimpften daran – die kräuselige Impfnarbe. Die Pockenimpfnarbe war das Piercing einer ganzen Generation. Und darf spätestens jetzt als Siegessymbol gegen die nun wirklich unansehlichen und gefährlichen Pocken gelten.

So sehr ich bei den Pocken also Impffreund bin, so sehr bin ich bei der Sommergrippeimpfung skeptisch. Ich habe dann doch lieber das Original und kein vorgetäuschtes Gripperl. Wir fahren schließlich auch lieber Mercedes, Audi und BMW als ein billiges China-Imitat. Apropos Sommergrippe: Es wird ja mittlerweile gerne schlagartig Sommer, und der lästige Frühling feiert langsam seine Ausrottung. Das bedeutet ganz neue Aussichten für uns Freunde des gepflegten grippalen Infekts: Die Wintergrippe kann der Sommergrippe gleich die Tür aufhalten. Da sage noch einer, am Klimawandel sei alles schlecht.

Artikel vom 18.04.2013
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