Projekt will indische Studenten mit Münchnern zusammenbringen

München · Familienanschluss stundenweise

Rahul Chaudhari arbeitet an der TU München an seiner Doktorarbeit zum Thema „Komprimierungs-Ansätze für haptische Daten in Teleoperation". Foto: ms

Rahul Chaudhari arbeitet an der TU München an seiner Doktorarbeit zum Thema „Komprimierungs-Ansätze für haptische Daten in Teleoperation". Foto: ms

München · Gemeinsam etwas zu unternehmen, um eine andere Kultur kennenzulernen, ist in der Regel für beide Seiten bereichernd und vergnüglich. Manch lokaler Freizeitspaß aber bedarf einer gewissen Erklärung. Beispiel Rodeln.

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„Niemand hat mir gesagt, wie das geht, es war nachts, die Strecke war über sechs Kilometer lang und teilweise unbeleuchtet – da hab ich schon um mein Leben gefürchtet“, erzählt Rahul Chaudhari. Seitdem ist der Inder, der seit 2010 an der TU seine Doktorarbeit schreibt, etwas vorsichtig, was bayerische Gebräuche angeht, lacht er. Aber ansonsten ist der 27-Jährige, der sehr gut Deutsch spricht, auch wenn er die bayerische Variante nicht immer versteht, auf den Geschmack gekommen: Bergwandern etwa gehört heute zu seinen geschätzten Hobbys und „Weißwurst und Leberkässemmel würde ich sehr vermissen“, erzählt der Inder, der 2007 durch ein Siemens-Stipendium aus Pune, einer kleinen Stadt bei Mumbai, nach München kam, um seinen Master in Elektro- und Informationstechnik zu machen. Gleich nach dem Abschluss 2009 bekam er das Angebot, seinen Doktor an der Isar zu machen.

Jedes Jahr beginnen mehr als 100 junge indische Studenten ein Studium an der Ludwigs-Maximilian-Universität (LMU) oder Technischen Universität (TU). Meistens sind es technische Fächer, die sie studieren: IT, Biowissenschaften oder Elektrotechnik. „Auf dem deutschen Arbeitsmarkt sind sie später begehrt, denn gerade in diesen Fächern herrscht Fachkräftemangel“, sagt Siddharth Mudgal, Vorsitzender der Gesellschaft für Deutsch-Indische Zusammenarbeit (GDIZ) aus München. „Die deutsche Sprache ist meist nicht das Problem. Was viele allerdings vermissen, ist eine familiäre Umgebung, wie sie es von Indien her kennen.“ Die GDIZ, die an der TU seit 2012 auch ein gut vierstündiges Einführungsprogramm für alle interessierten ausländischen Studenten anbietet, hat deshalb ein Gastfamilien-Programm ins Leben gerufen. „Ziel wäre ein- oder zweimal im Monat etwas gemeinsam zu unternehmen, was beiden Seiten Spaß macht“, so Mudgal. Der 31-jährige IT-Manager bei BMW lebt seit 2006 in München, kam vor zehn Jahren zum Studium von Indien nach Deutschland („selbstfinanziert“, wie er betont) und wurde vor zwei Jahren von der Staatsregierung vorzeitig eingebürgert. „Wir von der GDIZ würden uns sehr freuen, wenn wir bis dahin deutsche Gastfamilien gefunden hätten, die zusammen mit einem indischen Studenten Ostern feiern – Inder feiern nämlich sehr gerne.“

Auch Rahul Chaudhari hat schon einmal Feiertage in der Familie eines deutschen Freundes verbracht: „Das war Silvester, das in Indien so nicht gefeiert wird, und mir hat das hier sehr gefallen.“ Gerade an solchen Tagen, etwa auch in der Weihnachtszeit, wenn alles so festlich ist, meint der Doktorand, kann man sich leicht allein und einsam fühlen als „Zuagroaster“ aus einer anderen Kultur. Diese deutschen Feiertage wie jetzt Ostern sind nicht nur mit vielen Bräuchen verbunden, die es in Indien nicht gibt. Sie finden meist in der Familie statt, die für Inder eine sehr wichtige Rolle spielt. So freute sich Rahul über seinen ersten Schnee, „aber irgendwie fehlte die Familie, um diesen schönen Moment zu teilen.“

Beide Seiten „profitieren vom aktuellen Gastfamilienprogramm der GDIZ, meint Siddharth Mudgal, der auch Mitglied im Bayerischen Integrationsrat ist: „Die Familie erfährt von dem Studenten mehr über Indien und seine Kultur, und dem Studenten fällt es leichter, sich an das Leben in Deutschland anzupassen und zu integrieren. Damit können langfristig die deutsch-indischen Beziehungen nicht nur auf politischer oder wirtschaftlicher, sondern auch auf zwischenmenschlicher Ebene gefördert und vertieft werden.“

Das ist auch das Ziel der GDIZ: „Wir sind kein Verein für Heimatpflege, nicht religiös oder politisch ausgerichtet, sondern wollen einfach das Potenzial beider Länder verbinden und stärken.“ Auch wenn er sich in München sehr wohlfühlt – etwas getrübt von der manchmal etwas wenig herzlichen Stimmung bei Behördengängen – und das vielfältige Kulturangebot und die deutsche, weil zielorientierte und effektive Art des wissenschaftlichen Arbeitens und Forschens sehr schätzt: Rahul, der mit einer Inderin verheiratet ist, plant nach ein paar Jahren Berufspraxis in einem deutschen Unternehmen nach Indien zurückzukehren – „dort ist einfach mein Zuhause“. Dorthin „mitnehmen“ wird er einiges aus Deutschland, meint er: etwa eine liberale Denkweise und den gleichberechtigten Umgang mit Frauen. Und: „Zu Hause am Feierabend mal ein Bier trinken, am liebsten bayerisches – das ist in der indischen Mittelschicht, aus der ich stamme, absolut nicht üblich.“ Von Michaela Schmid

Wer Interesse hat an dem Gastfamilienprogramm, kann sich an GDIZ wenden unter E-Mail info@gdiz.de oder Tel. 0 89/8 90 91 38 77.

Ihre Meinung zum Thema Fachkräftemangel? Stimmen Sie ab unter www.samstagsblatt.de.

Artikel vom 21.03.2013
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