Im Haidhauser St. Josefsheim begegnen sich Jung und Alt

Haidhausen · Bestrickende Projekte

Wochenlang klapperten generationenübergreifend die Stricknadeln. Die Damen der Senioreneinrichtung und die Kinder aus dem Hort des St. Josefsheims verschönerten gemeinsam den winterlich kahlen Baum vor dem Gebäude in der Preysingstraße. Fotos: js, privat

Wochenlang klapperten generationenübergreifend die Stricknadeln. Die Damen der Senioreneinrichtung und die Kinder aus dem Hort des St. Josefsheims verschönerten gemeinsam den winterlich kahlen Baum vor dem Gebäude in der Preysingstraße. Fotos: js, privat

Haidhausen · Ein bunt bekleideter Baum in der Preysingstraße verkörpert derzeit das Miteinander von Jung und Alt im St. Josefsheim. Gemeinsam mit Kindern aus dem im gleichen Gebäude ansässigen Hort haben vier Bewohnerinnen des Altenheims den Stamm eingestrickt.

Insgesamt vereint das Haus sieben Einrichtungen, in denen rund 200 Kinder und Jugendliche sowie 100 Senioren betreut werden. In generationenübergreifenden Projekten profitieren die unterschiedlichen Altersgruppen voneinander.

Gestrickt habe sie schon seit 20 Jahren nicht mehr, erzählt Emma Bajohr. Seit 1949 lebt die 83-jährige in Haidhausen und ist vor einigen Jahren von ihrer Wohnung in der Gravelottestraße in das St. Josefsheim gezogen. Auch die 85-jährige Marie Rückert, die ursprünglich aus Lörrach stammt und sich wegen der Nähe zu ihrer Ziehtochter, die gegenüber der St. Johanneskirche wohnt, für das Heim entschied, hat ihr Hobby, das Handarbeiten, lange vernachlässigt. »Früher habe ich viel gestrickt, sogar Unterröcke«, erzählt sie. Nach ihrem Schlaganfall habe sie jedoch damit aufgehört.

Sissy Maier, eine von knapp 60 ehrenamtlichen Helferinnen, die die 180 Mitarbeiter des Heims unterstützen, hat die Bewohnerinnen nun wieder an ihr ehemaliges Hobby herangeführt. »Ich habe mich gefühlt wie bei der Handarbeitsstunde in der Schule«, sagt Bajohr und lacht. Inspiriert zu dem Projekt hat Maier ein Trend, den sie in ihrer Heimatstadt Salzburg zum ersten Mal gesehen hat, das sogenannte »Guerilla Knitting« (Guerilla-Stricken), bei dem Bürger Gegenstände aus dem öffentlichen Raum wie Bäume, Blumentöpfe oder Verkehrsschilder einstricken. Streetart, gestrickte Graffitis oder wie immer man das auch nennt – Ziel ist es, den öffentlichen Raum zu verändern und zu verschönern. Sissy Maier: »Ich habe das gesehen und dachte mir, das können wir hier auch.«

Mitgestrickt haben bei der Haidhauser Aktion auch die Kinder aus dem Hort der Einrichtung, der von Schülern der Flur- und der Kirchenschule besucht wird: »Jeder hat ein DIN A4 großes Stück gestrickt«, sagt Maier. Betreut wurde das Projekt außerdem von der 21-jährigen Tamara Milanovic, die ebenfalls ehrenamtlich in dem Haus tätig ist und die Aktion gemeinsam mit ihrer gleichaltrigen Kollegin Justyna Chojuacka im Rahmen ihrer Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau mitorganisiert hat. »Wir müssen ein Projekt über Nachhaltigkeit durchführen«, erklärt sie. Im Sommer werden die beiden die Ergebnisse in Form von Fotos und einer Dokumentation in ihrem Ausbildungsbetrieb vorstellen. »Wir haben viel von den alten Menschen gelernt«, sagt Milanovic. Neu sei für sie etwa die entspannte Haltung der Senioren gewesen: »Ältere Leute sehen die Dinge oft lockerer als wir, weil sie nicht mehr so unter Druck stehen.« Diese Gelassenheit zu erleben sei für sie eine wichtige Erfahrung gewesen.

Das Zusammensein der Generationen hat im St. Josefsheim eine lange Tradition. Die 1855 gegründete Einrichtung war nämlich ursprünglich ein Kinderheim. 1930 zog die erste Pensionärin ein. Das Altenheim war damit eröffnet. Inzwischen umfasst das Anwesen in der Preysingstraße 21 bis 25 ein Heilpädagogisches Kinderheim sowie eine Heilpädagogische Kindertagesstätte, ein Altenheim, einen Hort, einen Kindergarten sowie eine Kinderkrippe. Hinzu kommen eine Heilpädagogische Kindertagesstätte für Grundschüler in der Wörthstraße und eine Heilpädagogische Wohngruppe für Kinder, die sich im Landkreis Fürstenfeldbruck befindet.

Einzige Einrichtung dieser Art

»Wir sind die einzige Einrichtung dieser Art in München«, sagt Heimdirektor Heinrich Mittermaier. Im Vordergrund stehe vor allem die Integration von geistig und seelisch behinderten Kindern, die eine besondere Betreuung erhalten, aber im regulären Betrieb mit den gesunden Kindern zusammen seien. Früher seien diese Kinder oft bei Tagesmüttern untergebracht gewesen, berichtet Mittermaier: »Aber das hat nicht funktioniert.« Mitte der 90er-Jahre sei daher das Stadtjugendamt an das St. Josefsheim herangetreten und habe angefragt, ob ein entsprechender Ausbau der Einrichtungen möglich sei. Inzwischen erziele man gerade bei behinderten Kleinkindern große Erfolge: »Die meisten können anschließend in den regulären Kindergarten gehen.«

Abgesehen vom Kinderheim, dessen Einzugsgebiet stadtweit ist, stammen die Besucher der Kinderbetreuungseinrichtungen nahezu alle aus Haidhausen. Noch bis vor einigen Jahren seien die Jungen und Mädchen der Heilpädagogischen Tagesstätte bis aus Pasing gekommen, erzählt Mittermaier: »Aber inzwischen decken wir vor allem den Bedarf vor Ort.«

Auch im Altenheim ist der Anteil von Bürgern aus dem Viertel vergleichsweise hoch. Laut Heimleiter Roland Decker liegt sie bei rund 35 Prozent. In Kontakt kommen die Senioren mit den Kindern immer wieder durch verschiedene Projekte. Zwar sei ein gemeinsamer Alltag bei einer Einrichtung dieser Größe aus organisatorischen Gründen nicht möglich, räumt Mittermaier ein: »Für gemeinsame Mahlzeiten fehlt uns zum Beispiel ein entsprechender Raum.« Allerdings werde immer wieder zusammen gesungen und musiziert, und es gebe einen gemeinsamen St. Martinsumzug.

Rollstuhlfahrender Fußballspieler

Berührungspunkte bietet auch der Hof, der sowohl von den Senioren, als auch von den Kindern genutzt werde. »Einmal hatten wir im Altenheim einen Rollstuhlfahrer, der trotz seiner Behinderung mit den Jungen Fußball gespielt hat«, erinnert sich Mittermaier. Beim Ausbau der Kinderkrippe, der im kommenden Jahr abgeschlossen sein soll, soll außerdem eine neue Terrasse geschaffen werden, die ebenfalls Kindern und Senioren zur Verfügung stehen wird. So entstehe neben den Projekten auch die Möglichkeit von Alltagskontakten und »natürlichen Begegnungsorten«. Julia Stark

Artikel vom 26.02.2013
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