Anwohner des Zauberwinkels unzufrieden mit Verkehrskonzept

Poing · »Mehr Sicht!«

Sie standen unter anderem Rede und Antwort: Anette Gnadler von der PI Poing, Hauptamtsleiter Baptist und Bürgermeister Hingerl (von links).	Foto: allmender

Sie standen unter anderem Rede und Antwort: Anette Gnadler von der PI Poing, Hauptamtsleiter Baptist und Bürgermeister Hingerl (von links). Foto: allmender

Poing · Da kommt noch richtig Arbeit auf die Gemeinde zu. Dabei sah es so aus, als würde etwas zum Abschluss gebracht. Am vergangenen Donnerstagabend waren die Anwohner des Zauberwinkels in die Mehrzweckhalle der Grundschule an der Karl-Sittler-Straße eingeladen.

Thema des Abends: Das Verkehrskonzept im Zauberwinkel. Und man kann resümieren: Die Gemeinde hat sich die Sache im Vorfeld wirklich nicht leicht gemacht. Es gab »Optimierungsbroschüren«, mehrere Anwohnergespräche, Bürgerbefragungen, Ortsbegehungen, Expertengespräche, Verkehrsmessungen und schließlich eine Expertenempfehlung. Die Fachleute hielten folgende Hauptpunkte fest: Die derzeitige Regelung bietet allen Verkehrsteilnehmern die größtmögliche Sicherheit, eine zusätzliche Geschwindigkeitsreduzierung im Bereich der Spielplätze ist nicht erforderlich. Die Rechts-vor-links-Regelung ist die beste Maßnahme, um die Geschwindigkeit zu senken, und damit scheidet die Ausweisung der Eigentümerwege als verkehrsberuhigte Bereiche aus. Der Gemeinderat folgte diesen Empfehlungen im November letzten Jahres einstimmig. Ein einjähriger Probebetrieb soll jetzt das Konzept auf den Prüfstand stellen; die Umsetzung erfolgt nach der Frostperiode.

Alles wurde wohl erwogen und dennoch: Die knapp 40 Anwohner, die am Informationsabend anwesend waren, sind alles andere als zufrieden mit den Ergebnissen dieser umfangreichen Abwägungen. Auch sie hatten sozusagen ihre Hausaufgaben gemacht. Wie selbstverständlich diskutierten sie mit den anwesenden Experten über VB-Bereiche, Sichtdreiecke, mobile Möblierung – man merkte, dass die Bewohner des Zauberwinkels sich schon länger mit ihren Verkehrsproblemen beschäftigen. Festzuhalten ist: Die Anwohner sind zutiefst verunsichert. »Man fährt da rein und weiß nicht, wie man sich verhalten soll«, meinte ein künftiger Anwohner.

Zum Verständnis: Im Viertel gibt es viele kleine, schmale Rechts-vor-links-Stichstraßen, die zum Teil im Abstand von nur 35 Metern aufeinander folgen und bei denen die Bebauung sehr nahe an die Einfahrt heranreicht. Alle Anwohner, die sich zu Wort gemeldet haben, bemängelten die schlechte Einsehbarkeit dieser Straßeneinfahrten. Valentin Mágori, Anwohner und Ingenieur beim Bayerischen Verkehrsministerium, mithin vom Fach: »Die Sichtdreiecke sind grottenschlecht.« Auch dass rechts vor links gelte, werde von vielen Autofahrern nicht erkannt oder ignoriert. Eine Anwohnerin schlug vor: »Man sollte ein großes Schild bei der Einfahrt an der Gebrüder-Grimm-Straße aufstellen: ›Im gesamten Gebiet gilt rechts vor links.‹«

Hinzu kommt: Das Viertel besitzt durchweg keine Bürgersteige, nur abgepflasterte Streifen ohne Bordkante. Neben den Sichtproblemen wurde das als wesentliches Manko im Viertel bezeichnet. »Wo sollen denn die Kinder mit ihren Fahrzeugen eigentlich fahren? Sie müssten doch auf dem Gehweg bleiben, aber wo keiner ist?«, gab eine besorgte Mutter zu bedenken.

Bürgermeister Albert Hingerl, der den ganzen Abend über offen für alle Anregungen war und sich sehr umsichtig äußerte: »Die Unsicherheit bei den Anwohnern und Verkehrsteilnehmern gibt uns sehr zu denken. Wir werden uns darum kümmern.« Alle Anwohner hätten sich verkehrsberuhigte (VB) Bereiche gewünscht. Der Hauptamtsleiter der Gemeinde, Hermann Baptist, hatte die Aufgabe, den besorgten Eltern verständlich zu machen, dass das rechtlich nicht möglich ist. Dafür müsste die Rechts-vor-links-Regelung geopfert werden. Die Straßen hätten auch keine Aufenthaltsqualität und seien für VB-Bereiche nicht sicher genug. »Es wären erhebliche Baumaßnahmen notwendig, die neuen Straßen müssten also aufwändig umgebaut werden. Diese baulichen Maßnahmen müssten auf die Anlieger umgelegt werden.« Spontane Äußerung aus dem Publikum: »Vorher nicht denken und nachher freche Forderungen stellen!« Baptist hatte noch ein Argument gegen die VB-Bereiche: »Im gesamten Viertel müssten an die 100 zusätzliche Verkehrszeichen aufgestellt werden, für die es zum Teil gar keinen Platz gibt.«

Immer wieder angesprochen wurde die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von Tempo 30. Allgemeiner Tenor: Viel zu schnell! Vor allem im Bereich des Kindergartens und der Spielplätze. »Wir müssen auf unsere Kinder aufpassen wie die Schießhunde!« Von den 1.200 Bewohnern des Zauberwinkels sind über 400 Kinder. Außerdem wird von vielen kritischen Situationen berichtet, wo es zwar nicht gekracht hat, aber nur, weil man rechtzeitig auf sein Vorfahrtsrecht verzichtet hat.

Anette Gnadler, bei der Poinger Polizeiinspektion zuständig für Verkehrsfragen, konnte dagegen Positives vermelden: »Wir haben im Zauberwinkel praktisch keine Rechts-vor-links-Unfälle. Von Beinahe-Unfällen erfahren wir naturgemäß halt nichts.« Aber auch sie ist der Meinung, dass im Viertel üblicherweise Tempo 30 hoch ist. »Bedenken muss man, dass das Schild ja nicht bedeutet, dass man 30 fahren muss. Man muss mit angepasster Geschwindigkeit fahren, und wenn man die Rechts-vor-links-Straßen während des Fahrens nicht einsehen kann, muss man halt auch mal anhalten.« Mehrfach wurde auf die Tempo-20-Zone am Citycenter verwiesen. Baptist: »Das ist ein verkehrsberuhigter Geschäftsbereich; das geht im Zauberwinkel nicht.«

Auch die Verkehrsmessungen im Viertel sprechen eine deutliche Sprache. Von »Traumergebnissen« war die Rede sowohl in der Expertenrunde als auch im Landratsamt. Die gemessenen Durchschnittsgeschwindigkeiten etwa am Kindergarten an der Gebrüder-Grimm-Straße und am Spielplatz an der Wilhelm-Hauff-Straße liegen zwischen 21 und 26 Stundenkilometern. In einem Punkt folgte der Gemeinderat nicht den Empfehlungen der Experten. Sie hoben einige Parkverbotszonen auf mit der Begründung, dass die parkenden Autos durch die optische Verengung die Autofahrer zu noch langsamerem Fahren zwingen würde, eine Entscheidung, die Anwohner Mágori für »grundfalsch« hält.

Alle möglichen Vorschläge wurden vorgebracht, diskutiert, verworfen (Bodenschwellen, Spiegel, Pflanztröge) oder werden noch auf den Prüfstand gestellt (rote Gehwegmarkierungen). Hingerl: »Ich verspreche, dass wir vor Ort noch einmal alles genau anschauen und prüfen werden. Das Konzept wird unter stetiger Beobachtung umgesetzt, und nach einem Jahr wird es noch einmal genau geprüft. Fest steht für mich: Wir müssen nachbessern. Wenn was passieren würde, das wäre ein Alptraum!« Gabriele Heigl

Artikel vom 26.02.2013
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