Molkerei in der Mongolei: Baldhamer hilft

Ebersberg · Mission moderne Milch

Heinz Gerrits hat einen Bildband über seine Aufenthalte in der Mongolei erstellt, wo er als Senior-Experte einer Molkerei bei der Modernisierung geholfen hat. 	Foto: Sybille Föll

Heinz Gerrits hat einen Bildband über seine Aufenthalte in der Mongolei erstellt, wo er als Senior-Experte einer Molkerei bei der Modernisierung geholfen hat. Foto: Sybille Föll

Ebersberg · Für die einen bedeutet der Ruhestand eine Erlösung vom Arbeitsleben, andere möchten gar nicht erlöst werden. Zu Letzteren gehört Heinz Gerrits aus Baldham. Bereits am vierten Tag seines Rentnerdaseins reiste der Milchwirtschaftler als Senior-Experte in die Mongolei.

In der Hauptstadt Ulan-Bator sollte er die einzige Molkerei des Landes bei der Modernisierung unterstützen. Das war im September 2004. Mittlerweile hat der heute 71-Jährige zehn Aufträge in der halben Welt hinter sich, unter anderem in China, Indonesien, Weißrussland, Rumänien und Aserbaidschan. Schon lange bevor er in Rente ging, hat sich Gerrits beim Senior Experten Service (SES) informiert, wie er da aktiv werden könnte. Die gemeinnützige Gesellschaft mit Sitz in Bonn vermittelt Fachleute ins In- und Ausland, die nach dem Berufsleben ehrenamtlich ihr Wissen an kleine und mittelständische Betriebe weitergeben möchten. Ehrenamtlich ist Gerrits schon lange aktiv: seit 20 Jahren in der Petrikirche Baldham, wo er den Förderverein gründete, seit etwa fünf Jahren als Mentor im Mehrgenerationenhaus Vaterstetten und als Vorsitzender des Freundeskreises Luftwaffe.

Auch an Wissen hat der gebürtige Badener einiges zu bieten: Nach seiner Molkerei-Lehre hat er in verschiedenen Betrieben gearbeitet, unter anderem ein Jahr lang in Frankreich. Dann hörte er von einer neuen Ingenieursschule, da hat er dann studiert. Elf Jahre war er technischer Leiter in der Milchzentrale Karlsruhe, die Ende der Sechzigerjahre Pionierarbeit auf dem Gebiet der Aseptik, dem Wissen um die Keimfreiheit, leisteten und die H-Milch entwickelten. Es folgten vier Jahre in einer Privatmolkerei, bevor Gerrits in München technischer Leiter der Milchunion Oberbayern wurde. Als die geschlossen wurde, ist er aus dem Beruf ausgestiegen und nach Feldkirchen in ein Chemie-Unternehmen gegangen. Dadurch ist Gerrits auch in Sachen Mikrobiologie fit und kann Molkereien bei der Umsetzung von Hygienevorschriften helfen.

Ein großer Vorteil, denn in Sachen Hygiene mangelt es oft – wie an so vielen anderen Dingen auch. Auf der indonesischen Insel Sulawesi beispielsweise sollte er neue Milchprodukte herstellen. Dort gab es nur Milch, die eine halbe Stunde gekocht und zur Haltbarmachung mit einem Enzym der Papaya angereichert wurde. Zum Abschöpfen der Milch wurden halbe Kokosnussschalen benutzt. „Das sieht zwar hübsch aus, widerspricht aber allen Vorschriften“, so Gerrits. In Ulan-Bator fand er statt einer Molkerei quasi einen Schrotthaufen vor. „Die Mongolei befand sich wirtschaftlich gesehen gerade im Übergang vom Sozialismus zur Demokratie und Privatisierung von Unternehmen.“

An der neuen Anlage, die gekauft worden war, hat der Experte mit den Mitarbeitern geübt, wie man hygienisch einwandfreie Milchprodukte herstellt, hat das Labor auf Vordermann gebracht und einen Plan erstellt, wie der „verlotterte Betrieb, der personell völlig unterbesetzt war“, gut laufen kann. Insgesamt war Heinz Gerrits dreimal dort: 2004, 2006 und 2009. Der erste Einsatz sei schwierig gewesen, mittlerweile weiß Gerrits aber, wie er sich vorbereiten und was er an Papieren mitnehmen muss. „Ich habe auch immer Joghurt-Kulturen für Versuche bei mir“, sagt er. In Rumänien beriet er eine kleine Privatkäserei bei der EG-Hygienezulassung, in Minsk in Weißrussland hielt er einen Vortrag über Energieeinsparungen in Molkereien.

Was ihm am besten gefällt an seiner Tätigkeit als Senior-Experte? „Dass man das Land nicht als Tourist, sondern aus einem anderen Blickwinkel kennenlernt.“ Man bekomme einen intensiven Einblick in das Leben der Menschen und es entwickeln sich innige Kontakte, sagt Gerrits. Einmal wurde er in der Mongolei zu einem Betriebsausflug eingeladen. Die Teilnehmer haben an einem Fluss campiert und da gab es dann die Nationalspeise: Hammel- oder Ziegenfleisch, Kartoffeln, Karotten und heiße Steine, alles abwechselnd in einer Milchkanne übereinander geschichtet, mit Bier oder vergorener Stutenmilch übergossen und auf offenem Feuer gekocht. „Schmeckt sehr gut!“

Anschließend gab es Ringkämpfe und danach wurde stundenlang gesungen. Die Temperaturen seien allerdings gewöhnungsbedürftig. Gerrits war zu Jahresbeginn dort mit tagsüber minus 20 Grad und abends minus 35 Grad. „Das fühlt sich an wie Stecknadeln im Gesicht.“ Wer mehr über die Mongolei erfahren möchte, hat dazu am Dienstag, 26. Februar, Gelegenheit: Heinz Gerrits hält ab 19 Uhr einen circa eineinhalbstündigen Diavortrag über seine Erlebnisse im Land des Dschingis Khan im Mehrgenerationenhaus Vaterstetten, Zugspitzstraße 44, Anmeldung nicht erforderlich, Eintritt frei. Von Sybille Föll

Artikel vom 21.02.2013
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