Anwohner protestieren: Baumfällungen wegen Tiefgarage

Maxvorstadt · Idylle in Gefahr?

Die Aktivisten von Robin Wood wollen die Baumfällungen am Josephsplatz mit allen Mitteln verhindern. Deswegen »besetzen« sie die Bäume. Gerd Eickelberg (kl. Foto) wäre für eine gedeckelte Variante der Tiefgarage gewesen. Fotos: scy

Die Aktivisten von Robin Wood wollen die Baumfällungen am Josephsplatz mit allen Mitteln verhindern. Deswegen »besetzen« sie die Bäume. Gerd Eickelberg (kl. Foto) wäre für eine gedeckelte Variante der Tiefgarage gewesen. Fotos: scy

Maxvorstadt · Die Idylle ist weg, die Baustelle ist da. Am Josephsplatz soll eine Anwohnertiefgarage entstehen. Weil deshalb 18 Bäume, die teilweise 100 Jahre alt sind, gefällt werden sollen, regt sich heftiger Protest unter den Anwohnern, der von Kletteraktivisten unterstützt wird:

Noch bevor die ersten Bauarbeiter am vergangenen Montagmorgen anrückten, besetzten die Umweltschützer bereits eine Gruppe von Ahornbäumen. »Wir werden die Bäume nicht verlassen, bevor die Rodung nicht vereitelt ist«, so Celine Magnus, Aktivistin der Robin Wood Regionalgruppe München. »Damit wollen wir ein Zeichen gegen ein völlig unnötiges und umweltfeindliches Projekt setzen.«

Die Aufregung ist groß. Eine ältere Dame klagt den Aktivisten ihr Leid, es sei furchtbar, was hier passiere. Sie ist so gerne mit ihren Freundinnen auf den Bänken in der beliebten Grünanlage gesessen, das sei nun vorbei. Sie jammert: »Wer braucht schon eine Tiefgarage!« Einem kleinen Mädchen laufen sofort Tränen über die Wangen. Ihr Spielplatz, ihr Lieblingsbaum – einfach weg. Um sich eine Erinnerung mitzunehmen an den Platz, über den nun brummende Bagger rollen, bricht sie sich von einem Haselnussstrauch ein Ästchen ab. Gerd Eickelberg vom »Einwohnerbeirat Maxvorstadt« steht mit verdreckter Jacke da. »Ein Bauarbeiter kam mit einer Kettensäge auf mich zu, während ich mit einer Kerze unter einer Linde stand. Als ich nicht weichen wollte, setze er sich ans Steuer eines Greifers und riss Teile der Rinde herunter, die auf mich herabfielen«, erzählt er seine abenteuerliche Geschichte und fügt hinzu: »Das lasse ich mir nicht bieten, das gibt eine Anzeige.«

Die Emotionen kochen hoch, derweil wird ein Baum nach dem anderen gerodet, für jeden gerodeten Baum lässt Eickelberg eine von ihm mitgebrachte Schiffsglocke ertönen, »zur Mahnung«. Die Bürgerinitiative »Einwohnerbeirat Maxvorstadt« sei nicht grundsätzlich gegen die Tiefgarage, erklärt er. »Aber es gibt Bauweisen, bei denen man die Bäume hätte stehen lassen können.« Die Mitglieder hätten, so Eickelberg weiter, beim Tiefgaragenbau der gedeckelten Variante zugestimmt, der offenen aber nicht. »Besonders enttäuscht sind wir vom Bezirksausschuss, da stehen wir plötzlich vor verschlossenen Türen«, empört sich Eickelberg.

Und was sagt Oskar Holl ­dazu, Chef des Bezirksausschusses (BA) Maxvorstadt? »Von der offenen Variante haben wir selbst viel zu spät erfahren und auch nur eher durch einen Zufall«, so der SPD-Politiker auf Anfrage des Münchner Zentrums.

Neue Bäume sollen gepflanzt werden

Doch letztlich habe der Ablauf der Bauzeit eher Vorteile, die auch den Bürgern zugute kämen. Allem voran, so Holl: »Die offene Bauweise verkürzt die Bauzeit.«

Und was ist mit den Bäumen? »Zum Einverständnis mit dem Fällen einiger Bäume hat sich unser Bezirksausschuss nur schweren Herzens durchgerungen«, so Holl weiter. Man baue fest darauf, dass nach dem Bau genau dieselbe Anzahl großer Bäume wieder an den gleichen Stellen nachgepflanzt werde. »Das wurde uns auch versichert.« Dass dann nur dünne Stängel gepflanzt werden, sei ein Irrtum: »Baumpflanzungen können heute bekanntlich auch schon mit mehreren Jahrzehnte alten Bäumen erfolgen, die dann mitsamt großen Wurzelballen eingesetzt werden.« Die Anwohnertiefgarage am Josephsplatz ist keine neue Idee, erste Überlegungen dazu gab es bereits Ende der 1970er Jahre. In der nun geplanten Garage sollen 265 Stellplätze zur Verfügung stehen, mit strengen Bedingungen für die Berechtigten, die in einem engen Umkreis um den Josephsplatz ihren Wohnsitz haben müssen. Gut 160 Voranmeldungen liegen bereits vor.

Die Bauzeit wird vom städtischen Baureferat auf zwei Jahre geschätzt. »Dieses Projektkonzept macht Anwohner während der Bauzeit krank«, regt sich Eickelbergs Unmut. Holl hält dagegen: »Von Seiten des Baureferats ist uns versichert worden, dass alle immissionsrechtlichen Auflagen und Vorgaben von den zuständigen Fachdienststellen geprüft und eingehalten werden.« Der BA-Vorsitzende lenkt den Blick auf die Zukunft: »Was man nicht übersehen sollte, ist das zu erwartende Ergebnis: ein von Autos völlig freier Josephsplatz mit neuer Begrünung und einem neuen Spielplatz.«

Die Fällarbeiten sind von der Stadt München für die aktuelle Woche vom 18. bis 22. Februar angesetzt. Derweil bleiben die noch stehenden Bäume von den Aktivisten rund um die Uhr besetzt. In den Bäumen befinden sich auch Schlafmöglichkeiten, Anwohner bringen Tee und warmes Essen vorbei. »Toll, wie groß die Unterstützung der Anwohner ist«, so Celine Magnus. Warum die Anwohnertiefgarage so dringend notwendig ist, würden viele nicht verstehen, auch sie nicht.

Parkplatzsituation überschaubar

»Ist ja nicht so, dass die Parkplatzsituation extrem aus dem Ruder läuft. Bisher sind doch alle gut zurecht gekommen«, meint die Aktivistin. Noch dazu sei die U-Bahn direkt vor der Haustüre, das Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln ohnehin engmaschig und kurz getaktet. »Eine Tiefgarage macht Autofahren unnötig attraktiv. In dieser Stadt gibt es mehr als genug Autos, wir brauchen nicht noch mehr«, so Magnus weiter. Denn das sei weder aus ökologischer noch aus ökonomischer Sicht zu vertreten. »Spiel- und Grünflächen gehen vor«, sagt sie entschieden. Wer das auch so sehe, solle einfach mal vorbeikommen bei den Aktivisten. Nebendran steht ein ebenfalls entschlossener Gerd Eickelberg, der weitere Unterschriften sammelt. »Die gehen direkt an unseren OB«, kündigt er an. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 19.02.2013
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