Sankt Michael lüftet im April ihr architektonisches Geheimnis

Zentrum · Strahlend unverhüllt

Harald Gieß (links) und Bernd Vollmar mit einem Bild der neuen Hauptfassade im Arkadenhof des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege.	Foto: scy

Harald Gieß (links) und Bernd Vollmar mit einem Bild der neuen Hauptfassade im Arkadenhof des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege. Foto: scy

Zentrum · Wie wird die Hauptfassade von Sankt Michael wohl aussehen? Noch ist Rätsel raten angesagt, denn noch bleibt sie verhüllt. In wenigen Wochen aber, Ende April, wird das architektonische Geheimnis gelüftet.

Und am 5. Mai schließlich wird es einen Dankgottesdienst und die offizielle Präsentation geben. Man darf also gespannt sein. Verraten sei immerhin: Die jetzt nagelneue Fassade wird in einem kräftigen Weiß erstrahlen. Endlich, nach Jahren des Wartens. Die 54 Meter hohe Frontseite der prachtvollen Renaissancekirche mitten in Münchens Fußgängerzone blieb den Blicken der Passanten seit dem Jahr 2009 verborgen. Bereits 2007 war man höchst alarmiert: Putz- und Steinbrocken hatten sich von der Fassade gelöst. Keine Frage, eine akute Gefährdung für die Fußgänger. Sofortige Schutzmaßnahmen wurden ergriffen, der Schaden einer intensiven Untersuchung durch zahlreiche Experten unterzogen und das Konzept für eine Sanierung entwickelt. 4,1 Millionen Euro bewilligte schließlich der Landtag für die Restaurierung. Bauplanung und Bauleitung lag in den Händen des Staatlichen Bauamts München I.

»Wir mussten die große Herausforderung meistern, so viel wie möglich von der Bausubstanz zu erhalten und die Fassade langfristig zu sichern«, so Bauamtsdirektor Kurt Bachmann. Mit der eigentlichen Restaurierung habe man erst 2009 beginnen können, da entsprechende Spezialisten erst gewonnen werden mussten. Die Sanierung war strengen Kriterien der Denkmalpflege unterworfen. Neben der Erneuerung des Putzes und des Giebelmauerwerks, gab es jede Menge akribische Ausbesserungen. Zu den größten Herausforderungen für die Restauratoren zählten die Verwitterungen am Rotmarmor und Schäden an den Bronze-Figuren. 15 davon, die so genannten Herrscherfiguren, wurden in ihren weißen Ursprungszustand versetzt – die Bronzefassung stammt erst aus den 1970er-Jahren.

Zwar ist ein großes Stück geschafft, doch die Sanierungsarbeiten werden fortgesetzt. In einem zweiten Schritt werden die übrigen Fassaden und die Kreuzkapelle saniert werden. Außerdem wird die Raumschale des Kirchenschiffs gereinigt. Wann die Arbeiten fortgesetzt werden, steht noch nicht fest.

In der europäischen Architekturgeschichte muss sich Sankt Michael nicht verstecken. Im Gegenteil. Das imposante Kirchengebäude wartet mit allerlei Superlativen auf. Zum einen ist es der größte Renaissancebau diesseits der Alpen. Zum anderen ist es eines der größten freitragenden Tonnengewölbe weltweit. Am 6. Juli 1597 wurde das Gotteshaus nach gut 14-jähriger Bauzeit geweiht. Das primäre Ziel des Erbauers, Herzog Wilhelm V., war es, in Sankt Michael dauerhaft Jesuiten anzusiedeln. Das sei in Zeiten geschehen, in denen zahlreiche Fürsten zum protestantischen Glauben konvertierten, erzählt Denkmalpfleger Bernd Vollmar. »Dieser Bau war ganz klar ein Akt der Gegenreformation.«

Grabmal an Kosten gescheitert

Mit dem Plan, Platz für das Großprojekt zu schaffen, machte sich der Herrscher nicht nur Freunde – gut 30 Anwesen an diesem zentralen Ort wurden aufgekauft. Auch ein weiteres imposantes Ziel hatte sich der Herzog gesteckt: Im Innenraum der Kirche, zentral in der so genannten Vierung, wollte er sein Grabmal errichten lassen. Das aber scheiterte laut Vollmar an den enormen Kosten. Die bereits gegossenen Bronzefiguren für dieses Grabmal finden sich heute an verschiedenen Stellen in der Stadt, unter anderem die vier Löwen vor der Residenz und die knieenden Grabwächter des Kaisergrabs im Dom.

Dass er hohe Ansprüche hatte, demonstrierte Wilhelm V. auch in der Gestaltung der Fassade. »Der Anspruch Wilhelm V., Glauben und Bildung zu stärken, wird im Programm der Fassade besonders deutlich«, erklärt Harald Gieß, ebenfalls vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Beispielsweise sollte die Verwendung antiker Architekturelemente die humanistische Bildung des Herrschers zeigen. Zudem hatte er für sein Figurenprogramm Herrscher ausgewählt, die sich aus seiner Sicht für die Sache Gottes entschieden und Kirche und Reich treu gedient hatten. »Tugendhafte Herrscher sozusagen«, so Gieß weiter. In dieser Tradition, angefangen bei Karl dem Großen über Tassilo I. über Kaiser Ludwig IV., habe sich der Herzog ebenfalls verpflichtet gesehen – kein Wunder also, dass er auch als Steinfigur an der Hauptfassade zu finden ist: in der ersten Reihe, an betonter Stelle rechts neben dem Mittelfenster postiert.

Eine zu lesende Fassade

Zuoberst findet sich der »Salvator mundi«, der »Retter der Welt«: Christus mit der Weltenkugel unter dem Kreuz und segnend erhobener Hand. Und zwischen den beiden Portalen findet sich die Bronzefigur des Erzengels Michael, Bezwinger des Bösen und Patron der Kirche. »Auch die neue Fassade wird sich, so wie es ursprünglich gewollt war, dem Betrachter zum Lesen anbieten«, sagt Gieß. Ein spontaner historischer Exkurs inmitten der Shopping-Meile – sicher nicht das Schlechteste. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 05.02.2013
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