100 Jahre evangelische Seelsorge im Krankenhaus Schwabing

Schwabing · Ort der Geborgenheit

Pfarrer Günter Breit und Glasfenster der Klinikkirche, das einen Satzteil aus dem Matthäusevangelium zeigt.	Fotos: DB München, Jeanette Isfahanian, STKM

Pfarrer Günter Breit und Glasfenster der Klinikkirche, das einen Satzteil aus dem Matthäusevangelium zeigt. Fotos: DB München, Jeanette Isfahanian, STKM

Schwabing · 2500 entzündete Teelichter jährlich – welche Bitten stecken dahinter, welche Sorgen, welche Hoffnungen? Es ist anzunehmen, dass die Menschen, die in die Evangelische Kirche des Klinikums Schwabing kommen und hier ein Licht anzünden, vor allem belastet sind durch ihr Kranksein.

»Ein Klinikaufenthalt ist für viele Menschen ein Ereignis, das Verunsicherung und auch Ängste hervorruft«, sagen Günter Milla und Andreas Tiete von der Klinikleitung. »Wir sind deshalb dankbar, dass wir mit der evangelischen Seelsorge am Klinikum einen Partner haben, der unsere Patienten und auch uns unterstützt. Häufig gibt es Zuspruch auch dort, wo die Medizin an ihre Grenzen gestoßen ist.« Und das bereits seit über 100 Jahren, in denen evangelische Seelsorge im Schwabinger Krankenhaus angeboten wird. Auch die ansässige Evangelische Kirche steht seit einem Jahrhundert da – und ist damit die erste und älteste Krankenhauskirche Münchens.

Mit 90 Sitzplätzen ausgestattet, Altar, Orgelempore sowie Wand- und Deckentäfelungen aus grau gebeiztem Fichtenholz, den Altar schmückt ein einfaches, aus Lindenholz geschnitztes Kruzifix. Als Inschrift in der Kirche ist zu lesen: »Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will Euch erquicken«. Ein Satz Jesu aus dem Matthäusevangelium. »Er fasst vielleicht am besten zusammen, was Menschen in der Klinikkirche suchen: einen Ort, in dem Raum für das ist, was die Seele beschwert oder woran sie sich freut«, sagt Klaus Schmucker, Kirchenrat und Leiter der Evangelischen Dienste im Dekanatsbereich München. Unzählige Menschen hätten im Laufe der vergangenen 100 Jahre erfahren, dass die Klinikkirche nicht nur ein Ort der Stille ist. »Sie ist auch ein Ort der Geborgenheit in der Umhüllung durch eine andere Wirklichkeit, die wir Christen Gott nennen, die Trost schenkt und auf diese Weise an unseren Lebenskräften baut«, so Schmucker weiter. »Gut, dass es in einem Haus, in dem es um Gesundwerden geht, solche Räume gibt, die durch ihre Äußerlichkeit – ihre Architektur, ihre Kunst, ihre Symbole – an unserer Innerlichkeit bauen. Sie können uns neu und heilsam in Beziehung bringen zu uns selbst, zu anderen, zu Gott, zur Welt, in der wir leben.« Doch ist es nicht nur ein Ort für Kranke und ihre Angehörige, sondern auch für alle Mitarbeiter des Klinikums.

»Es ist sicher kein Zufall, dass das Kirchenjubiläum in eine Zeit fällt, in der gerade um den Fortbestand des Klinikums gekämpft wird. Denn auch diese evangelische Kirche musste erkämpft werden«, sagt Günter Breit, der verantwortliche Pfarrer seit dem Jahr 2005. »Dass auch evangelische Patienten das Recht auf Betreuung durch ihre eigene Konfession hatten, war zwar durch verschiedenste Erlässe der bayerischen Könige abgesichert, aber die Umsetzung musste immer wieder eingeklagt werden«, erzählt Breit. Dass die evangelische Seelsorge eine Kirche in einem Münchner Krankenhaus bekam, habe länger als vorgesehen gedauert. Der bereits fertige evangelische Betsaal wurde kurzerhand zur koscheren Küche umfunktioniert, gute drei Jahre lang, bis diese dann fertig gestellt war. »Dennoch, die Sorge der evangelischen Christen Münchens war groß, dass dieses Provisorium Bestand hätte«, so der Seelsorger weiter. Dann kam die Zeit von 1933 bis 1945. Am Hauptportal des Klinikums prangte ein Hakenkreuz und in den Kranken-und Funktionsräumen wurden die einfachen christlichen Holzkreuze entfernt und dafür entweder ein Führerbild oder ein Hakenkreuz aufgehängt.

Als eines der ersten Krankenhäuser Deutschlands meldete sich das Schwabinger Krankenhaus als »judenfrei«. »Es ist mir kein Dokument bekannt, dass die Seelsorge damals dagegen protestierte«, sagt Breit. Nach dem Ende des Krieges übernahm die US-Army das Krankenhaus Schwabing bis 1954. Der evangelisch-lutherische Pfarrer Reverend Henry Gerecke aus Missouri war damals der Krankenhauseelsorger. Heute suchen pro Jahr gut 10.000 Menschen die evangelische Krankenhauskirche in Schwabing auf, ob für das stille Gebet oder für einen der rund 50 Gottesdienste, die jährlich gefeiert werden – und die übrigens auch an die Krankenhausbetten übertragen werden. An jedem vierten Mittwoch im Monat finden musikalische Gottesdienste mit qualifizierten Musikern statt. Vor allem aber bleibt die Kirche innerhalb eines Krankenhauses immer auch ein Ort, der, so Schmucker, »daran erinnert, dass alles Leben letztendlich unverfügbares Geschenk ist und bleibt.« Sie erinnere aber auch daran, »dass alles Leben selbst dort, wo es schwer wird oder endet, in Gottes guter Obhut bleibt.« Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 22.01.2013
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