Erinnerungsstücke für neues Museum gesucht

München · Pickelhaube mit Geschichte

Simon Gammels Pickelhaube mit dem Einschussloch in der Vorderansicht. Foto: Haus der Bayerischen Geschichte

Simon Gammels Pickelhaube mit dem Einschussloch in der Vorderansicht. Foto: Haus der Bayerischen Geschichte

München · Das „Haus der Bayerischen Geschichte“ sucht Erinnerungsstücke aus dem Ersten Weltkrieg, die eine persönliche Geschichte erzählen.

Diese Geschichten aus dem Leben der bayerischen Bürger sollen im neuen Museum der Bayerischen Geschichte, das im Jahr 2018 zum 100. Geburtstag des Freistaats in Regensburg eröffnet wird, im Vordergrund stehen.

Wie die Pickelhaube von Simon Gammel?! Die Front in Flandern glich einer Mondlandschaft, aufgerissen von unzähligen Granateneinschlägen und zerfurcht von stacheldrahtgesicherten Schützengräben – dies war die Szenerie im Ersten Weltkrieg, in der sich die unglaubliche Geschichte des Simon Gammel ereignete. Der Bauernsohn Simon Gammel, 1892 im niederbayerischen Gisseltshausen bei Rottenburg an der Laaber geboren, leistete seit 1913 seinen Wehrdienst beim Königlich Bayerischen 16. Infanterie-Regiment in Passau. Eine Woche nach der Kriegserklärung des Deutschen Reichs im August 1914 marschierte das Passauer Regiment an die Westfront. Nach Gefechten in Lothringen erfuhr der junge Soldat in den Grabenkämpfen an der Somme die ganze Grausamkeit des Krieges. Bereits seit Monaten war die Front erstarrt und die Soldaten hatten sich eingegraben.

Französisches Trommelfeuer prasselte auf die Stellungen der Bayern nieder, als Simon Gammel in seinem Unterstand einen Schlag versetzt bekam. Ein Granatsplitter zerfetzte das Leder seiner Pickelhaube, drang in seinen Schädel ein, um am Hinterkopf wieder auszutreten und den Helm ein zweites Mal zu durchschlagen. Der Unterstand brach über Simon Gammel zusammen und verschüttete ihn unter Erdreich und Holz. Einer der Stützbalken drückte mit gewaltiger Last auf seinen Rücken und quetschte seine Lunge. Es sah nicht gut aus für den jungen Simon Gammel. „Der Gammel geht ab!“, schrie ein Kamerad und mit Klappspaten schaufelten die Soldaten das Erdreich beiseite, um zu dem Verschütteten vorzudringen. Es gelang ihnen, den Schwerstverletzten zu befreien und zum nächsten Verbandsplatz zu bringen. Von dort wurde er in ein Lazarett verlegt.

Wie durch ein Wunder hatte der Splitter keine bleibenden Schäden verursacht, wenngleich Simon Gammel nach der äußerlichen Heilung schwer traumatisiert blieb. Nach seiner Genesung wurde er als Ausbilder eingesetzt und später wieder an die Westfront abkommandiert. Nach mehrwöchigem Stellungskampf an der Aisne wurde Simon Gammel mit vermeintlichen Grippesymptomen in das Lazarett Ahrweiler am Rhein gebracht. Dort erst erkannte ein Arzt, dass es sich bei dem anhaltenden Zittern nicht um Schüttelfrost, sondern um ein Kriegstrauma handelte. Gammel wurde daraufhin in seine niederbayerische Heimat entlassen. Er heiratete seine Verlobte, das Paar bekam zwei Kinder. Simon Gammel war Mitglied des Gemeinderats und in vielen Vereinen aktiv, doch seine Kriegserlebnisse konnte er nicht vergessen. Als der Veteranenverein eine Reise zu den ehemaligen Schlachtfeldern an der Westfront organisierte, lehnte Simon Gammel eine Teilnahme mit den Worten ab: „Da war ich schon und dort hat es mir gar nicht gefallen.“

Simon Gammel starb 1977 im Alter von 84 Jahren. Seine Enkelin Christa Rott, von der die Informationen über ihren Großvater stammen, und Heimatforscher Franz Moises bewahren mit der Pickelhaube nicht nur ein interessantes Objekt auf, sondern halten mit den Erzählungen über Simon Gammels Schicksal auch ein Stück bayerische Historie für die Nachwelt lebendig. Haben Ihre Vorfahren Erinnerungsstücke aus dem Ersten Weltkrieg mitgebracht, die eine persönliche Geschichte erzählen?
Dann nehmen Sie bitte Kontakt auf: Haus der Bayerischen Geschichte, Stichwort Museum, Zeuggasse 7, 86150 Augsburg, Tel. 08 21/32 95 130, E-Mail museum@hdbg.bayern.de.

Artikel vom 26.12.2012
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