Als Beauftragter in den Stadtteilgremien: ein gefährlicher Job?

Schwabing · BA’s gegen Rechts

Walter Klein (li.) vom BA 4 und seine Amtskollegen aus der Innenstadt, Alexander Miklosy (re.), Oskar Holl (mitte) diskutieren über den Einsatz eines Beauftragten gegen Rechts. 	scy

Walter Klein (li.) vom BA 4 und seine Amtskollegen aus der Innenstadt, Alexander Miklosy (re.), Oskar Holl (mitte) diskutieren über den Einsatz eines Beauftragten gegen Rechts. scy

Schwabing · NPD-Verbot – ja oder nein? Während auf bundespolitischer Ebene kontrovers diskutiert wird, machen immer mehr Lokalpolitiker aus München den Kampf gegen Rechts zu ihrer Sache. Das aktuellste Vorhaben:

Auf Initiative von Oberbürgermeister Christian Ude sollen die insgesamt 25 Bezirksausschüsse (BA) je einen Beauftragten gegen Rechtsextremismus benennen. Laut Wolfgang Püschel, Chef des BA Altstadt-Lehel, seien bisher aus etwa 15 BA’s positive Rückmeldungen gekommen. »Auch wir haben diese Idee für wichtig befunden und ihr zugestimmt«, so Walter Klein, Vorsitzender des BA Schwabing-West. »Uns sind keine akuten Bedrohungen durch rechtsradikale Gruppen in unserem Stadtviertel bekannt. Es ist aber wichtig, wachsam zu sein. Um dann tätig zu werden, wenn es notwendig ist.«

Welche Stadtteile besonders von Rechtsradikalismus betroffen sind, dazu gibt es auch von der Münchner Polizei noch keine Erhebungen. Pressesprecher Christoph Reichenbach nennt für das gesamte Stadtgebiet folgende Zahlen: Im Jahr 2010 wurden 253 Delikte aus dem Bereich »Politisch motivierte Kriminalität – rechts« bekannt, davon 20 Gewalttaten, darunter fallen unter anderem gefährliche Körperverletzungen. 2011 waren es 240 Delikte, davon 14 Gewalttaten und in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres 2012 wurden 243 Delikte bekannt, davon 19 Gewalttaten. »Man kann also von einer leichten Steigerung sprechen«, so Reichenbach. Eskalationsherde können, wie sich im November 2010 beispielsweise zeigte, die Nazi-Aufmärsche in der Innenstadt sein.

Dabei kam es damals zwischen Rechtsextremisten und Demonstrationsgegnern zu Zusammenstößen. Es gab fünf Verletzte, 26 Personen wurden festgenommen. Noch weiter zurück liegt der so genannte Fall »Burg Trausnitz«. Im Jahr 2001 prügelten Neonazi-Skinheads in der gleichnamigen Gaststätte an der Zenettistraße einen Griechen halb tot. Sie waren dort anlässlich einer Geburtstagsfeier für Neonazi Martin Wiese zu Gast. Was sich in den Neben- und Hinterzimmern von Gaststätten abspielt, sollte ohnehin besonders beobachtet werden. Entwarnung im Stadtgebiet Schwabing-West, dort sei diese Problematik laut Klein kaum vorhanden, weil es in den ortsansässigen Gaststätten selten zusätzliche Zimmer gebe. Kundgebungen von Rechtsradikalen hingegen finden auch in ­Schwabing vereinzelt statt. So am vergangenen Samstag. Der BA ist, soweit er darüber informiert ist, mit mehreren Mitgliedern stets vor Ort präsent, wie Klein berichtet: »Wir verteilen dann die Prospekte der Stadt, klären auf und beobachten das Geschehen.«

Kooperation mit Stadt und KVR läuft gut

Die Kooperation mit dem Kreisverwaltungsreferat (KVR) und dem Direktorium laufe sehr gut. »Wir werden immer rechtzeitig über entsprechende Veranstaltungen in Kenntnis gesetzt.« Klein selbst ist auch sonst wachsam. »Alleine das Wort ›Marsch‹ lässt mich aufhorchen“, sagt er. Vor ein paar Wochen sei er auf einen »Pro-Fan-Marsch« aufmerksam geworden, als Veranstaltung von Eishockeyfans deklariert. »Da dachte ich mir, Mensch, dahinter könnten eventuell Nazis stecken.« Als er sich vor Ort selber ein Bild machte, wurde sein Verdacht allerdings nicht bestätigt: »Das waren tatsächlich Eishockeyfans.«

Wenn die BA’s ihre Beauftragten gegen Rechtsradikalismus eingesetzt haben, wird sich zeigen, welche Einflussmöglichkeiten es tatsächlich gibt. »Noch muss eine genaue Definition des Tätigkeitsfeldes des Beauftragten erfolgen«, berichtet Püschel. Die meisten BA’s hätten den Antrag erstmal so verstanden, dass es eine Person gebe, die über die rechtsextremistischen Aktivitäten im Stadtbezirk wache. Dies sei aber nicht die Intention der Fachstelle gegen Rechtsradikalismus gewesen. Diese wolle lediglich einen Ansprechpartner im BA. Neben der genauen Aufgabenbeschreibung müsse auch die rechtliche Klärung erfolgen, unter anderem gehe es darum, wie abgesichert der Beauftragte wäre. »Ein mulmiges Gefühl ist immer dabei«, räumt BA-Chef Klein ein. Noch habe sich der BA 4 nicht festgelegt, wer verantwortlich ist. »Der Beauftragte muss nicht zwangsläufig im Fokus sein und seinen Namen öffentlich nennen«, befindet Klein.

BA 12 entscheidet sich gegen einen Beauftragten

Der Bezirkssausschuss Schwabing-Freimann (BA 12) hat sich jüngst einstimmig gegen den Einsatz eines Beauftragten gegen Rechtsextremismus entschieden. Man wolle sich diese Option zwar trotzdem offen halten, momentan sei aber keine Notwendigkeit gegeben, meint Patric Wolf, CSU-Fraktionssprecher und zweiter stellvertretender BA-Vorsitzender. »Wenn es im Viertel so bleibt, wie es jetzt ist, brauchen wir erstmal keinen Beauftragten.« Die rechtsextreme Szene hat unterschiedliche Ausläufer. In München aktive rechtsextremistische Organisationen sind laut Auskunft der Polizei unter anderem die NPD, die mitgliederstärkste rechtsextremistische Partei, dann die Jungen Nationaldemokraten (JN), die Bürgerinitiative Ausländerstopp, die Deutsche Volksunion (DVU) und die Bürgerbewegung Pro München. Zudem gibt es neonazistische Gruppierungen wie Freies Netz Süd, Freier Widerstand Süddeutschland (FWS) und die Jagdstaffel D.S.T. – die Buchstaben D.S.T. stehen für Deutsch-Stolz-Treu. Sie besteht aus etwa zehn Personen, die der rechtsextremistischen Skinhead-Szene in Geretsried, Wolfratshausen und München zuzuordnen sind. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 11.12.2012
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