Als Beauftragter in den Stadtteilgremien: ein gefährlicher Job?

Zentrum · BA’s gegen Rechts

Alexander Miklosy (gr. Foto, r.), Oskar Holl (gr. Foto, m.) und Wolfgang Püschel (r. oben) sowie der Schwabinger Amtskollege Walter Klein (gr. Foto, l.) vom BA 4 diskutieren über den Einsatz eines Beauftragten gegen Rechts. 	Fotos: scy

Alexander Miklosy (gr. Foto, r.), Oskar Holl (gr. Foto, m.) und Wolfgang Püschel (r. oben) sowie der Schwabinger Amtskollege Walter Klein (gr. Foto, l.) vom BA 4 diskutieren über den Einsatz eines Beauftragten gegen Rechts. Fotos: scy

Zentrum · NPD-Verbot – ja oder nein? Während auf bundespolitischer Ebene kontrovers diskutiert wird, machen immer mehr Lokalpolitiker aus München den Kampf gegen Rechts zu ihrer Sache.

Das aktuellste Vorhaben: Auf Initiative von Oberbürgermeister Christian Ude sollen die insgesamt 25 Bezirksausschüsse (BA) je einen Beauftragten gegen Rechtsextremismus benennen. Laut Wolfgang Püschel, Chef des BA Altstadt-Lehel, seien bisher aus etwa 15 BA’s positive Rückmeldungen gekommen. »Auch wir haben uns entschieden, mitzumachen«, so der SPD-Politiker. »Wir wollen damit auch das demokratische Bewusstsein stärken.« Vor Panik und Ängsten allerdings warnt Püschel: »Die Bürger sollten zwar grundsätzlich wachsam sein, doch sie müssen sich keine unnötigen Sorgen machen.« Es bestehe im Stadtviertel keine akute Bedrohung durch rechtsradikale Gruppen. Eskalationsherde können jedoch, wie sich im November 2010 beispielsweise zeigte, die Nazi-Aufmärsche in der Innenstadt sein. Dabei kam es damals zwischen Rechtsextremisten und Demonstrationsgegnern zu Zusammenstößen.

Es gab fünf Verletzte, 26 Personen wurden festgenommen. Noch weiter zurück liegt der so genannte Fall »Burg Trausnitz«. Im Jahr 2001 prügelten Neonazi-Skinheads in der gleichnamigen Gaststätte an der Zenettistraße einen Griechen halb tot. Sie waren dort anlässlich einer Geburtstagsfeier für Neonazi Martin Wiese. »In der Gaststätte ›Burg Trausnitz‹ haben wir früher mit Unterausschüssen getagt, was wir aber nach diesem Vorfall sofort aus unseren Kalendern gestrichen haben«, berichtet Alexander Miklosy (Rosa Liste), Vorsitzender des BA Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt. Was sich in den Hinterzimmern von Gaststätten abspielt, sollte ohnehin besonders beobachtet werden. »Da müssen vor allem die Wirte selbst sensibilisiert werden, die haben oft keine Ahnung, welche Gruppen sich bei ihnen treffen«, so Püschel. Zumal Rechtsradikale sich oft auch unter Tarnnamen versammeln würden.

Inwiefern solcherlei Zusammenkünfte schneller bekannt werden, wenn die BA’s ihre Beauftragten gegen Rechtsradikalismus installiert haben, wird sich zeigen. »Noch muss eine genaue Definition des Tätigkeitsfeldes des Beauftragten erfolgen«, berichtet Püschel. Die meisten BA’s hätten den Antrag erstmal so verstanden, dass es eine Person gebe, die über die rechtsextremistischen Aktivitäten im Stadtbezirk wache. Dies sei aber nicht die Intention der Fachstelle gegen Rechtsradikalismus gewesen. Diese wolle lediglich einen Ansprechpartner im BA.

Muss man um Leib und Leben fürchten?

Neben der genauen Aufgabenbeschreibung müsse auch die rechtliche Klärung erfolgen, unter anderem gehe es darum, wie abgesichert der Beauftragte wäre. »Es wurden auch schon Ängste formuliert, etwa ob man bei entsprechendem Engagement womöglich um Leib und Leben fürchten müsse«, so Püschel. Noch hat sich der BA 1 nicht festgelegt, wer verantwortlich ist. So ergeht es auch dem BA Maxvorstadt, dessen Chef Oskar Holl ist.

Selbstverständlich sei die Beobachtung rechtsradikaler Bewegungen wichtig, sagt er. »Ob dabei die Einrichtung eines vom Bezirksausschuss zu benennenden Beauftragten gegen Rechtsradikalismus dem angestrebten Ziel tatsächlich gerecht wird, darüber wird im BA 3 noch diskutiert.« Viel wichtiger, so Holl weiter, sei das Engagement der demokratischen Parteien. Auch die Rolle und das Verhalten des Kreisverwaltungsreferats (KVR) könne dabei nicht hoch genug eingeschätzt werden. Blick zum BA 2, der bereits einen Schritt weiter ist. Dort wurde die schon als Migrationsbeauftragte tätige Eva-Maria Wolf-Schneider (SPD) zur Beauftragten gegen Rechtsextremismus bestimmt. »Es ist wünschenswert, wenn die Beauftragten regelmäßig und thematisch spezifisch Kontakt zu möglichst vielen Bezirksausschüssen aufrecht erhalten, damit rechtsradikalen oder rechtpopulistischen Aktivitäten wirksam ein Gegenpol installiert wird«, so Miklosy. Der Erfahrungsaustausch spiele dabei eine zentrale Rolle. Vor zwei Jahren habe der BA 2 unter dem Motto »München ist bunt« ein Kulturfest als Gegenpol zu einer geplanten Demo am sogenannten »Heldengedenktag« veranstaltet. »Wie wichtig damals die Vernetzung der betroffenen, aber auch nicht betroffenen Bezirksausschüsse war, hat sich im Vorfeld der Planung der konzertierten Aktion herausgestellt«, berichtet Miklosy.

Rechtsradikalismus in München: Zahlen der Polizei

Welche Stadtteile besonders von Rechtsradikalismus betroffen sind, dazu gibt es noch keine Erhebungen. Für das gesamte Münchner Stadtgebiet nennt die Münchner Polizei folgende Zahlen: Im Jahr 2010 wurden 253 Delikte aus dem Bereich »Politisch motivierte Kriminalität – rechts« bekannt, davon 20 Gewalttaten, darunter fallen unter anderem gefährliche Körperverletzungen. 2011 waren es 240 Delikte, davon 14 Gewalttaten und in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres 2012 wurden 243 Delikte bekannt, davon 19 Gewalttaten. »Man kann also von einer leichten Steigerung sprechen« sagt Christoph Reichenbach von der Pressestelle der Münchner Polizei. Die rechtsextreme Szene hat unterschiedliche Ausläufer. In München aktive rechtsextremistische Organisationen sind unter anderem die NPD, die mitgliederstärkste rechtsextremistische Partei, dann die Jungen Nationaldemokraten (JN), die Bürgerinitiative Ausländerstopp, die Deutsche Volksunion (DVU) und die Bürgerbewegung Pro München. Zudem gibt es neonazistische Gruppierungen wie Freies Netz Süd, Freier Widerstand Süddeutschland (FWS) und die Jagdstaffel D.S.T. – die Buchstaben D.S.T. stehen für Deutsch-Stolz-Treu. Sie besteht aus etwa zehn Personen, die der rechtsextremistischen Skinhead-Szene in Geretsried, Wolfratshausen und München zuzuordnen sind. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 11.12.2012
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