Erzieher dringend gesucht – auch in Eching, Garching und Neufahrn

Eching-Garching-Neufahrn · Buhlen um die Kita-Mama

Eching-Garching-Neufahrn · Der Erziehermangel ist derzeit ein vieldiskutiertes Thema und trifft neben dem Großraum München auch die Umlandgemeinden im Münchner Norden, wie Eching und Neufahrn sowie die Stadt Garching.

Gefragt sind Kinderpfleger und Erzieher derzeit gerade deshalb, weil ab August kommenden Jahres Eltern für jedes Kind nach dem ersten Geburtstag einen Betreuungsplatz fordern können. Und deshalb bauen die Kommunen überall in Deutschland neue Einrichtungen, vor allem Krippen. Diesen Rechtsanspruch zu erfüllen, stürzt die Gemeinden oftmals schon bei der Finanzierung der Bauwerke in finanzielle Bredouille, doch auch wenn die Gebäude stehen, mangelt es schlichtweg an qualifiziertem Personal. Die Träger konkurrieren deshalb verstärkt um die raren Erzieherinnen – und locken mit mehr Geld, mehr Urlaub oder besseren Verträgen.

Laut dem »Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme« der Bertelsmann-Stiftung, die sich vor allem auf die bestehenden Daten der Statistischen Landesämter und des Bundesamtes stützt, fehlen im kommenden Jahr in Bayern 3400 Erzieher, bundesweit seien es gar 15.000. Die Situation wird dadurch zusätzlich verschärft, dass mit dem Ziel, die Qualität der Betreuung zu verbessern, der Schlüssel für die Anzahl der Kinder pro Erzieher verringert wurde. Bieten die Städte und Gemeinden dann nicht ausreichend Plätze an, könnte eine Klagewelle auf sie zukommen. Der Konkurrenzkampf beim Buhlen um die Fachkräfte ist bereits voll entbrannt, die Arbeitgeber müssen sich etwas einfallen lassen, um die Stellen zu besetzen. »Wir suchen mittlerweile per Headhunter in Griechenland und Polen, Stellenanzeigen zu schalten ist so gut wie aussichtslos«, so Thomas Kroll, Fachberater bei der Arbeiterwohlfahrt und zuständig für Garching. Die AWO ist Träger des Garchinger Kinderhauses am Kreuzeckweg, hat sieben Gruppen, davon drei Krippen.

Krankheitsbedingt mussten dort vor einiger Zeit für einige Tage Gruppen zusammengelegt werden. »Wir haben die Eltern gebeten, ihre Kinder – wenn möglich – für einige Tage zu Hause zu lassen«, berichtet Kroll. Das sei aber ein Ausnahmefall gewesen. »Auf der Suche nach Personal bieten wir arbeitnehmerfreundliche Teilzeitplätze an und bezahlen Vermittlungsprämien. Eine übertarifliche Bezahlung ist nicht möglich, aber zumindest eine freiwillige Arbeitgeberzulage ist drin.« Das reicht aber bei weitem nicht für die Sicherung der Personaldecke aus. Jedes Jahr kommen aus der Kindertagespflegeschule in Freising, die die Landkreise Erding und Freising mit Kinderpflegerinnen bedient, etwa 50 Absolventen. »Für eine Ausbildung bewerben sich jährlich etwa 180 Schüler, wir können aber nur zwei Klassen zu je 33 Schüler besetzen. Mehr Ausbildungsplätze können wir aufgrund unserer Betriebserlaubnis nicht anbieten«, erläutert Brigitte Landinger von der Freisinger Kinderpflegeschule.

Zudem bilden im Münchner Raum die Caritas sowie die Berufsfachschule für Kinderpflege aus, bei denen im vergangenen Jahr 188 das Abschlusszeugnis erhielten. »Aber nicht alle stehen dann dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, viele besuchen im Anschluss weiterführende Schulen und steigen gar nicht ins Berufsleben ein«, erläutert der Kreisgeschäftsführer des BRK Freising, Albert Söhl. Die Konkurrenz ist groß, die Stadt München wirbt mit unbefristeten Verträgen, bildet Grundschullehrer als Erzieher aus und zahlt eine monatliche Zulage von 107 Euro. Auch Fürstenfeldbruck erwägt die Einführung eines Sonderzuschlags, privat Träger locken mit mehr Geld oder Urlaubstagen. »Wir bewerben uns derzeit nicht auf ausgeschriebene Trägerstellen. Ich muss ja schließlich noch ruhig schlafen können«, so Söhl. Derzeit betreibt das BRK in Neufahrn die Container-Krippe am Keltenweg und übernimmt den Neubau am Auweg ab September. »Mit dem Bau können wir zahlenmäßig den Bedarf decken«, so Neufahrns Bürgermeister Rainer Schneider.

Die Gemeinde hat alle Kindertageseinrichtungen vor zwei Jahren an freie Träger vergeben und ist damit in die Problematik nicht direkt involviert. BRK-Mann Söhl hingegen sucht derzeit händeringend qualifiziertes Personal für die 72 Krippen-Kinder. Denn auch wenn aus anderen Gebieten Deutschlands, wo Kindergärten mangels Kindern geschlossen werden, Erzieher frei wären, »dann kommen die nicht zu uns. Das Gehalt des Kinderpflegers ist zu gering, als dass sie davon bei uns leben können«, bedauert Thomas Kroll von der AWO. So kommt für die Gemeinden oft gar nicht mehr in Frage die Trägerschaft selbst zu übernehmen, wie etwa in Garching oder Eching. »Der Betrieb einer Krippe ist mit hohem personellen und finanziellem Aufwand sowie Risiken verbunden«, so Garchings Bürgermeisterin Hannelore Gabor. Trotz massiven Widerständen aus Teilen des Stadtrats drängt sie daher, die Trägerschaft der neuen Krippe in der Einsteinstraße auf einen Freien zu übertragen.

Die Fraktion der Grünen befürchtet durch den Konkurrenzkampf eine Verschlechterung der Qualität, »schließlich geht es nicht nur darum, dass die Kinder einfach verwahrt werden, sondern um verantwortungsvolle Aufgaben, um Bildung und Erziehung«, argumentierte deren Sprecher Hans-Peter Adolf. Die Bürger für Garching schlagen vor, mit günstigem Wohnraum zu locken. »Ich bin sicher, dass wir einen freien Träger finden, zwei Initiativbewerbungen liegen bereits vor«, so Gabor. Und auch die für Kinderbetreuung zuständige Referatsleiterin Cornelia Otto stimmt ihr zu, die »größeren Träger tun sich leichter und können sich untereinander auch mal aushelfen. Aber die Personalakquise ist derzeit sehr, sehr schwierig.«

Das merkt auch die Gemeinde Eching, die vor gut einer Woche im Gemeinderat beschlossen hat, die Bauaufträge für die beiden neuen Kinderkrippen in der Unteren Hauptstraße und in Dietersheim auszuschreiben. Die Kindergärten und Horte sind – abgesehen von den kirchlichen Einrichtungen – in Händen der Gemeinde und sollen es auch bleiben. »Das ist auch weiterhin unsere Aufgabe, der wir uns auch stellen«, so Bürgermeister Josef Riemensberger. »Wir haben auch nicht vor, diese künftig zu vergeben.« Die SPD malt bereits schwarz, »wir sind mit der Ausschreibung für die Krippen zu spät dran«, so jüngst Barbara Schefold (SPD). »Ich bin gespannt, ob sich da jemand meldet.« So ganz düster sieht es die in Eching zuständige Elke Hildebrandt nicht, »wir haben bereits Interessenten«.

Eine Entspannung der Situation sehen alle Beteiligten, ob Kommunen oder Träger, erst in drei bis vier Jahre kommen. Kroll von der AWO plädiert für eine Ausbildungsverkürzung des Erziehers, über eine bessere Entlohnung der Arbeit sind sich alle einig. »Die Gesellschaft schätzt diesen verantwortungsvollen Beruf noch immer nicht ausreichend und erkennt nicht an, was Erzieher alles leisten und an Qualifikationen brauchen«, resümiert Söhl. bb

Artikel vom 04.12.2012
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