Hilfe statt Repression: Diskussion um Umgang mit Drogen

München · A bisserl was geht schon?

Liedermacher Hans Söllner setzt sich für die Entkriminalisierung von Cannabiskonsum ein. Foto: Bernhard Müller

Liedermacher Hans Söllner setzt sich für die Entkriminalisierung von Cannabiskonsum ein. Foto: Bernhard Müller

München · „Ich höre immer von allen Seiten, dass es unverantwortlich ist, die Legalisierung von Hanf (Cannabis) zu propagieren. Ich höre immer von allen Seiten, dass man die Jugend schützen muss. Das stimmt. …

…Aber wenn der Staat und seine Organisationen die Jugend schützen wollen, dann sollten sie zuallererst aufhören, die Jugend zu kriminalisieren“, sagt der für seinen Kampf für die Cannabis-Entkriminalisierung bekannte, bayerische Liedermacher Hans Söllner auf Anfrage des „SamstagsBlattes" zu der aktuellen Diskussion beim aktuellen Bürgerstammtisch der Grünen Ramersdorf-Perlach zum Thema „Große Mengen Weißbier, kleine Mengen Marihuana – wie schizophren ist die bayerische Drogenpolitik?".

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„Keiner von uns findet Drogen toll“, stellte dort Referent Florian Wilsch aus Altperlach, Vorstandssprecher der Grünen Jugend Bayern, gleich zu Beginn klar. „Vom Recht auf Rausch, wie es noch in den 80er-Jahren propagiert wurde, redet heute keiner mehr“, ergänzte das grüne Bezirksausschuss-Mitglied und Anwalt Bernd Oostenryck. Vielmehr gehe es um die Frage: „Wie gehen wir mit Drogen und Süchtigen um?“ Ziel sei es, die Realitäten zu erkennen und vorhandene Probleme zu mindern, ohne neue zu schaffen. Die gängige Einteilung in weiche Drogen wie Alkohol, Tabak und Marihuana und harte wie Heroin und Kokain sei zu pauschal, meint Wilsch. „Wir wenden in Bayern viel Geld und Ressourcen auf für wirkungsvolle Prävention, konsequente Rechtsanwendung sowie Ausbau und Vernetzung der Suchthilfe“, sagt Markus Blume, CSU, Stimmkreisabgeordneter für München Ost und zuständiges Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bayerischen Landtag. „Es wäre gefährlich, das klare Bekenntnis ‚Keine Macht den Drogen‘ im Sinne von ‚A bisserl was geht schon‘ aufzuweichen. „Gerade das abnehmende Unrechtsbewusstsein beim Konsum von Cannabis stellt in der Suchtbekämpfung ein ernstes Problem dar.“ Prävention und Nulltoleranz seien sehr wichtig.

„Wenn Menschen mit Drogen Probleme haben, dann brauchen sie ganz bestimmt nicht auch noch Probleme mit der Justiz und der Polizei“, findet dagegen Hans Söllner, der seine Liedermacher-Karriere 1979 in München begann und dessen zweite Basis seine Giesinger Plattenfirma Trikont ist. „Dann brauchen sie Hilfe – und die wird ihnen durch diese Drogenpolitik verwehrt. Ich habe mich mit vielen gescheiten Leuten unterhalten, aus der Politik, aus der Medizin und aus vielen anderen Bereichen – alle sind sich einig, dass die jetzige Drogenpolitik nicht nur nicht zeitgemäß ist, sondern maßgeblich dafür verantwortlich, dass so viele junge Menschen ihre Existenz schon verlieren, bevor ihre Zukunft begonnen hat. Unsere Drogenpolitik ist dafür verantwortlich, dass der Schwarzhandel mit Drogen in Deutschland weiter ansteigen wird und Leute, die nur Hanf rauchen wollen, erst durch den Kontakt zu Dealern auch mit harten Drogen in Berührung kommen.“

Für Birgit Gorgas, Koordinatorin für Psychiatrie und Suchthilfe der Stadt München, stehen Information und Schadensminimierung für Jugendliche im Vordergrund. „Beratung und Hilfe sind hier erfolgreicher als Repression.“ Notwendig seien sachliche Informationen zur Schädlichkeit von Amphetaminen (Speed), Ecstasy und anderen Club- und Partydrogen und ein Überdenken des eigenen Konsumverhaltens. Besonders für Jugendliche sei es extrem bitter, wenn Strafverfahren in einer Vorstrafe enden, denn das habe negative Auswirkungen auf die kommende Ausbildung, den Erwerb des Führerscheins und vieles andere. Programme wie „FRED“ zur Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten richten sich deshalb bereits in München, Freising und Erding an Jugendliche und junge Erwachsene, die mit Drogen experimentieren und dabei auffällig geworden sind. Ziel ist es vor allem, drohende Drogenkarrieren zu verhindern. „Es geht um Entkriminalisierung und angemessene Hilfen, nicht um eine Legalisierung von Drogen.“

Laut Schätzungen des Münchner Gesundheitsreferats gibt es in München 20.000 bis 30.000 Alkoholkranke und 6.000 Bürger, die als cannabisabhängig gelten. Süchtig nach Opiaten wie Heroin sind in München etwa 4.000 Menschen. 80.000 Münchner sind nikotinabhängig. „Nicht zu unterschätzen ist auch die Zahl der Medikamentenabhängigen, die wohl ähnlich hoch wie beim Alkohol liegt“, sagt Katrin Zettler, Sprecherin des Gesundheitsreferats, das seit vier Monaten kostenlose Infoabende für Angehörige von Drogenabhängigen veranstaltet (das nächste Mal am Dienstag, 4. Dezember, 18.30 Uhr, im Beratungshaus Paul-Heyse 20, Paul-Heyse-Straße 20, mit persönlicher Beratung). Von Bettina Ulrichs und Michaela Schmid

Kein Recht auf Rausch, aber weniger Strafverfahren für kleine Mengen? Sagen Sie uns bis zum 9. Dezember 2012 Ihre Meinung dazu auf der Umfrage im www.samstagsblatt.de.

Artikel vom 29.11.2012
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