Wie Münchens Griechen der schweren Krise begegnen

München · Wenn die Welt auf Giesing hörte

Auf Visite in Athen: Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer mit Erzpriester Malamoussis in der griechischen Hauptstadt. Foto: Privat

Auf Visite in Athen: Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer mit Erzpriester Malamoussis in der griechischen Hauptstadt. Foto: Privat

München/Giesing · Kopfschütteln, nichts als Kopfschütteln. Die sechs betagten Männer, die da an einem grauen Novembernachmittag vor einer Kneipe in der Zugspitzstraße stehen, wollen kein Wort verlieren. Wie finden Sie das, wenn sie Schlagzeilen lesen müssen, wie: „Ihr griecht nix uns!“? Kopfschütteln.

Dann platzt es doch aus einem heraus: „Eine Beleidigung ist das. Traurig. Was sollen alle Griechen dafür können, die daheim und wir hier, wenn manche alle anderen ausnutzen, das Land ausnutzen, wenn Politiker genau das noch fördern?“
Die Herren, die da mitten in Giesing stehen, sind allesamt schon seit den frühen sechziger Jahren hier. Nein, genannt und gezeigt wollen sie nicht werden, die Griechen, die vor allem Münchner sind, und jetzt vor ihrem Stammlokal stehen und rauchen. Und doch reden sie: von den Verwandten, die nun wegen all der Kürzungen und Sparmaßnahmen, kaum mehr ein Leben führen können, obwohl sie hart arbeiten. Die Halsschlagader eines der älteren Herren schwillt an, als er von Politikern erzählt, die in teuren Villen leben – genau die, die all die Misere im Land mitverantwortet hätten, beteiligt gewesen seien, an der Verbeamtung eines halben Volkes.

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Allein in München leben mehr als 20.000 Menschen griechischer Herkunft, sie prägen die Kultur der Stadt mit, das schätzen auch die deutschen Münchner. Von einem Keil, der sich zwischen die gesellschaftlichen Gruppen treiben könnte – Fehlanzeige.

Das sieht auch Jannis Amperiadis so. Er ist am Wettersteinplatz aufgewachsen, hat die Fromundschule besucht – und führt heute ein Lokal, das in direkter Nachbarschaft zu den betagten Rauchern ist, aber ein frisches, szeniges Klientel ins manchmal verschlafene Giesing zieht. Der Name: „Attentat griechischer Salat“.
„Was die Medien sagen, interessiert mich nicht, aber das Gefrotzel bekomme ich schon mit, aber wirklich eher als Spaß von Gästen, wenn sie sagen: Mir gehört da jetzt auch ein Stück Land, ich zahle schließlich mit meinen Steuern mit.“ Die Antwort Amperiadis' fällt dann aber recht einsilbig aus. „Dir gehört da überhaupt nichts, du kannst ja hinfahren, und dir Land kaufen, du findest sicher was. Und sonst: Zahle ich genauso wie du.“

Nicht einmal mehr genug Geld, um das Essen für ihre Kinder zu bezahlen, das hat seit der Eskalation der Krise manch griechische Familie. Genau darum kümmert sich die Initiative „Hilfe für Griechenlands Kinder“ auf Betreiben von Erzpriester Apostolos Malamoussis, Bischöflicher Vikar in Bayern der Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland. Unter der Schirmherrschaft von Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer (CSU) sammelt er Geld, mit dem in Griechenland für bedürftige und kinderreiche Familien Lebensmittel gekauft und als Pakete zur Verfügung gestellt werden. In seinem Büro in der Schwabinger Ungererstraße berichtet er stolz: „Das katholische Erzbistum München und Freising und die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, einzelne Persönlichkeiten und mehrere Firmen haben sich durch Spenden aktiv an dieser Aktion beteiligt“, so Malamoussis. Erst jüngst trat er mit Ministerin Haderthauer zu einer Reise nach Griechenland an, um zu sehen, dass das gesammelte Geld auch wirklich seiner Bestimmung folgt. Nun soll ein Benefizkonzert im Gasteig mit Vicky Leandros und dem musizierenden Tatort-Kommissar Miroslav Nemec noch mehr Spenden bringen und griechischen Kindern zu einem vollen Magen verhelfen, am 29. November, um 19 Uhr im Carl-Orff-Saal.

Der Erzpriester ist froh über die breite Unterstützung: „Unabhängig von dem, was manche griechischen Politiker falsch gemacht haben, bekomme ich hier nur eine große Bereitschaft zu helfen mit. Und auch die Menschen in Griechenland bekommen nicht nur die großen Titelseiten mit, sondern haben durch die reichliche Verwandtschaft hier in Deutschland eben sozusagen ihre eigene Berichterstattung, wie die Stimmung so ist.“

Wirt Amperiadis sieht das noch eine Spur pragmatischer: „Wir haben ein europäisches Problem, wir müssen da zusammenhalten, die Gemeinschaft, die wir haben ist gut und wichtig, sie verhindert nicht zuletzt Kriege und größere Konflikte.“ Seine Idee zur Lösung klingt gewitzt: „Wir sind mit der EU ja eigentlich wie die USA. Nur warum haben wir kein Las Vegas? Das ist die Lösung: Entzieht allen anderen die Glückspielerlaubnis und macht Griechenland zum Spielerparadies. Dort gibt es alles, es ist schön, warm, es gibt viel Meer, das perfekte Urlaubsziel. Damit wäre Griechenland so schnell saniert, das könnten wir wahrscheinlich selbst nicht fassen.“ Wenn die Welt nur auf Giesing hörte. Von Florian Falterer

Artikel vom 15.11.2012
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