US-Wahl zieht Amerikaner in München in ihren Bann

München · Romney oder Obama?

Raimund Lammersdorf, Geschäftsführender Direktor des Amerika-Hauses, freut sich auf die unparteiische Wahlparty am 6. November. 	 Foto: Kohnke

Raimund Lammersdorf, Geschäftsführender Direktor des Amerika-Hauses, freut sich auf die unparteiische Wahlparty am 6. November. Foto: Kohnke

München · Stolz weht die US- Flagge am Karolinenplatz Nummer 3. Kaum ein anderes Gebäude in München steht dieser Tage wohl so im Visier wie das Amerika-Haus. Denn längst sind die Wogen der US-Präsidentschaftswahl über den großen Teich geschwappt: Allein in Bayern sind etwa 35.000 „Auslandsamerikaner“ wahlberechtigt.

In der Landeshauptstadt leben, arbeiten und studieren etwa 5.000 von ihnen. Sie alle blicken gespannt dem 6. November entgegen: der Nacht der Nächte, der US-Wahlnacht. Während in den Staaten der Wahlkampf zwischen Demokraten und Republikanern mit teuren Partys, Parteitagen und TV-Duellen strotzt, setzt man hier im Amerika-Haus schlicht auf Information. Anhänger beider Lager – wie überhaupt alle Politikinteressierten – hatten seit Anfang des Jahres die Möglichkeit, sich selbst ein Bild zu machen. Dafür sorgten im Theater des Kulturhauses hochkarätige Referenten, erläutert Raimund Lammersdorf, geschäftsführender Direktor des Bayerisch-Amerikanischen Zentrums (BAZ), dem Trägerverein des Hauses. Ein besonderes Anliegen des BAZ ist es, gerade den jüngeren Generationen die Bedeutung der transatlantischen Verbundenheit näherzubringen. „Die Älteren wissen schließlich noch, wie wichtig gute Beziehungen sind“, erinnert der Direktor an die Nachkriegszeit. Heute besuchen jährlich rund 60.000 Menschen die etwa 200 Veranstaltungen, die im Amerika-Haus angeboten werden. „Darunter sind auch viele Lehrer mit ihren Schulklassen“, ist Lammersdorf erfreut.

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Aber eine Feier gibt es dann doch, und zwar alle vier Jahre: „Natürlich begleiten wir die Präsidentschaftswahl mit unserer unparteiischen Wahlparty für Mitglieder und Gäste“, berichtet Lammersdorf. Ein traditionsträchtiges Event mit erwarteten 1.200 Besuchern aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Per Liveübertragung gibt es die aktuellen Wahlergebnisse. „Die ersten Zahlen, vermutlich aus Florida und Ohio, erwarten wir gegen 1 Uhr nachts“, spekuliert Lammersdorf, der selbst zehn Jahre in den Staaten lebte. Für gute Laune unter den Geladenen sorgt stets eine vorgetäuschte Wahl, bei der jeder mitmachen kann. „Ich schätze, dass sie mit etwa 88 Prozent zugunsten Barack Obamas ausfallen wird“, lacht Lammersdorf, der sich insgeheim wünscht, dass die „echte“ Wahl nicht so furchtbar spannend wäre, wie sie aktuell ist. Seiner Beobachtung nach hat der amtierende US-Präsident wohl bei den meisten Auslandsamerikanern einen Stein im Brett.

Nicht aber bei Cathie Schuldenzucker aus Missouri. Vor 46 Jahren kam sie als Austauschstudentin nach Deutschland – und blieb, „der Liebe wegen“. Gemeinsam mit ihrem Mann Helmar (66) und zwei erwachsenen Töchtern schlägt ihr Herz für Mitt Romney. Es sei Zeit für einen Wechsel, der Mittelstand warte bereits darauf. In perfektem Deutsch, mit herrlich amerikanischem Akzent, räumt sie zwar ein, dass Obama in seiner Amtszeit durchaus viel bewirkt habe. Dennoch hätten ihre amerikanischen Geschäftsfreunde Angst, momentan jemand einzustellen. „Wie bei der letzten Wahl stimme ich also für die Republikaner“, erzählt die sympathische 66-Jährige, die Mitglied des Deutsch-Amerikanischen Frauenclubs München ist. Der Club hat 220 Mitglieder und fördert den Studentenaustausch zwischen den Staaten und karitative Projekte. Legendär sind seit 1951 der „Magnolienball“ im Bayerischen Hof, seit 1949 der „Silbertee“ im Herbst. Mit Clubpräsidentin Evelyn Rädler verbindet Schuldenzucker eine herzliche Freundschaft: „Aber wir vermeiden es, über die Politik zu sprechen, das gibt doch nur Streit“, schmunzelt die 66-Jährige verschmitzt und verrät damit gleichzeitig, wie leidenschaftlich so eine Präsidentschaftswahl für deren Anhänger im Grunde ist.

Wo in vier Jahren die nächste Wahlparty des Amerika-Hauses stattfindet, weiß zu diesem Zeitpunkt allerdings wohl niemand. Wie ein Damoklesschwert hängt seit 2011 eine Entscheidung der Staatsregierung über dem Amerika-Haus: Nach vielem politischem Hin und Her soll der Trägerverein nun doch bis Ende 2013 das Quartier räumen, den angestammten Sitz seit 1957 verlassen. Die Akademie für Technikwissenschaften soll neuer Hausherr werden, so der Entschluss des Eigentümers, dem Freistaat. Das Amerika-Haus zukünftig als Bürogebäude? – Für Lammersdorf unvorstellbar. Aber wie geht es jetzt weiter? „Wir sind ein erfolgreich laufender Kulturbetrieb und werden bis zum Jahresende 2013 weitermachen wie bisher, dann aber ausziehen müssen – wer weiß, wohin“. Und mit fester Stimme gibt Lammersdorf dann fast noch so etwas wie ein Versprechen: „Wir arbeiten daran, dass dieses Haus für die Münchner erhalten bleibt!“ Von K. Kohnke

Obama oder Romney?

Traditionell finden die US-Wahlen immer am Dienstag nach dem ersten Montag im November statt. Gewählt werden in jedem der 50 Bundesstaaten und der Hauptstadt Washington sogenannte Wahlmänner, die später den Auftrag der Wähler vertreten sollen. 538 von ihnen gibt es. Dieses Wahlmänner-Kollegium wählt im Dezember den Präsidenten und seinen Stellvertreter. Ausgezählt und bekanntgegeben wird der Ausgang der Wahl offiziell am 6. Januar 2013 in Washington. Der Kandidat, der die absolute Mehrheit dieser Wahlmänner-Stimmen besitzt – also mindestens 270 – wird der neue Präsident. 2008 bekam Barack Obama als damaliger Senator von Illinois etwa 53 Prozent der Stimmen, sein Gegner John McCain nur 46 Prozent. Obama erhielt entsprechend 365 Wahlmänner-Stimmen, McCain nur 173.

Artikel vom 31.10.2012
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