Vortrag von Familientherapeutin Heidi Schels zum Umgang mit der Pubertät

Hallbergmoos · „Wenn nichts mehr hilft, dann hilft Humor!“

Familientherapeutin Heidi Schels bezog die Eltern in Rollenspielen immer mit ein.	Foto: bb

Familientherapeutin Heidi Schels bezog die Eltern in Rollenspielen immer mit ein. Foto: bb

Hallbergmoos · Überwiegend Frauen kamen zum Vortrag „Teenager in der Pubertät sind eine Spezies für sich“ der Freisinger Familientherapeutin Heidi Schels. Eingeladen hatte der Elternbeirat der Mittelschule Hallbergmoos, die zahlreichen Mütter und wenigen Väter konnten viele Tipps im Umgang mit ihren pubertierenden Kindern mit nach Hause nehmen.

Schels, die selbst zwei erwachsene Söhne hat, vermittelte sehr locker, anschaulich und unter ständiger direkter Einbeziehung ihres Publikums die „Probleme“, die alle Eltern mit ihrem heranwachsenden Nachwuchs haben können. „Wann beginnt sie denn, ist immer die erste Frage an mich. Vor 100 Jahren bekamen die Mädchen mit 17 Jahren ihre erste Periode, heute schon mit elf – bei den Jungs ist es ein, zwei Jahre später, bis der erste Samenerguss kommt. Oft rieche man die Pubertät auch, wenn man ins Zimmer der Jugendlichen kommt.

Dies bedeute für die nun sich langsam zu Erwachsenen entwickelnden Kinder nicht nur ein deutliches Längenwachstum (Jungs zehn Zentimeter jährlich, Mädchen 8,5 Zentimeter), sondern ein Umbau im Gehirn, Heiß-/Kalt-Wallungen, ein fehlendes Müdigkeitsempfinden, das Infragestellen von allen vorher verbindlichen und akzeptierten Regeln und sozialen Bindungen. Es sei jetzt zwar auch ein gutes und schnelles Lernen möglich, doch Pubertierende könnten kaum noch Prioritäten setzen, denken nicht mehr an Konsequenzen, sind sehr risikobereit, wollen immer cool und relaxt sein, können aber kaum noch Empathie für andere aufbringen, was Eltern oft als ‚asozial‘ einstufen. „Für die Eltern bedeutet das abrupte und extreme Stimmungsschwankungen, zornige Phasen werden schnell von lieben abgelöst, die Kinder haben jetzt nur noch mit sich zu tun, wollen nichts mehr mit den Eltern machen. Das gipfelt oft darin, dass die Eltern sagen: ‚Ich kenne mein eigenes Kind nicht mehr!‘ Man sollte auf keinen Fall alles erlauben oder einfach laufen lassen – aber eben viel Verständnis aufbringen, das Sprungtuch für den Springenden sein und so das Schlimmste verhindern. Und zur Not, bevor es so richtig kracht, hilft immer der Humor“, empfahl die Familientherapeutin.

Die Pubertät könne ohne Weiteres bis zum Alter von 20 oder 21 Jahren dauern, in diesen fast zehn Jahren müssten Eltern vor allem deeskalierend wirken, bevor es kracht, sollte man eine räumliche Distanz einbauen und dann eine Stunde später in Ruhe reden. „Diese extremen Änderungen im Verhalten der Kinder hat nichts damit zu tun, dass sie ihre Eltern nicht mehr lieb haben, sondern werden bei ihnen durch die nicht zu steuernden Hormone sowie den ‚Hirnumbau‘ ausgelöst. Es gibt kein ‚perfektes‘ Kind und die eigentliche Erziehung ist spätestens mit 13 Jahren beendet. Bis dahin muss man seinen Kindern die eigenen Werte und Regeln vermittelt haben. Eltern müssen ihren Kindern jetzt immer mehr zutrauen – sie sollen ja erwachsen werden – und da eben selbst erkennen, wo sie Grenzen ziehen. Kinder halten auch ihre Eltern aus – denn Eltern sind für Pubertierende fast immer nur peinlich. Eltern sind nicht perfekt, Kinder auch nicht – und die Liebe und Zuneigung, die man bei seinen Kindern sät, kann man erst Jahre später sehen, wenn die Kinder mal ‚Danke‘ sagen“, führte Schels aus.

Kinder in der Pubertät hassen es, ausgefragt zu werden über ihre ersten Beziehungen oder gar den ersten Sex, wollen auch keine Vorträge der Eltern dazu zu hören. „Jeder Pubertierende weiß heute, wie man Kinder zeugt und wie man sich schützt. Aber eigene Erlebnisse von Mama und Papa, der erste Kuss, der erste Korb, das enge Tanzen, der erste Sex – das kann man mit seinen Kindern besprechen. Und ganz wichtig: Pubertierende haben eine noch größere Intimsphäre als kleine Kinder. Das bedeutet: Anklopfen vor dem Eintreten – kurz warten, damit jeder alles auf dem Tisch wegräumen kann -, Badezimmer schließen und nicht mehr nackt durchs Haus laufen, auch wenn man das jahrelang so gewohnt war.“

Schels empfahl allen Eltern, ihre pubertierenden Kinder zu begleiten, jedoch keineswegs alles zu tolerieren. Pubertät sei weder eine Krankheit, noch etwas, über das man nicht redet. „Pubertät tut den Eltern weh, denn damit beginnt für sie die jahrelange Trauerarbeit der Ablösung ihrer Kinder vom Elternhaus. Doch unabhängig, selbstständig, stark und damit erwachsen werden Kinder nur ohne ihre Eltern, daher auch die häufigen Provokationen und Auseinandersetzungen, denn die Jugendlichen wollen sich jetzt von den Eltern abgrenzen. Daher sollte man unbedingt etwas Gemeinsames finden, an dem noch alle gerne teilnehmen: Ausflüge, Spieleabende, tolles Essen. „Führen Sie Ihre Kinder an der langen Leine, aber lassen Sie sie langsam los!“, schloss Schels einen sehr informativen Abend. bb

Artikel vom 25.10.2012
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