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Seit einem Jahr gibt es eine eigene Schulklasse für Flüchtlinge
München · Zwischen Trauma und Traumjob
„Hochmotiviert und superfleißig“ seien die Schüler wie Sadegh(18) aus Afghanistan, lobt Lehrerin Kathrin Schubert. Foto: js
München · „Ich mag Lebensmittel, arbeite gerne nachts und habe gern mit Menschen zu tun“, hat Safar Sultani auf eine Karte geschrieben. Der 18-jährige Afghane, der seit rund zwei Jahren in Deutschland lebt, ist einer von 120 Schülerinnen und Schülern der Städtischen Berufsschule zur Berufsvorbereitung in der Balanstraße.
Gegründet wurde sie 2011 im Auftrag des Freistaats und der Landeshauptstadt München als Zweigstelle der Berufsschule am Bogenhausener Kirchplatz. Das Besondere: Unterrichtet werden dort ausschließlich Flüchtlinge. Ziel sei es, jedem der Schüler einen Ausbildungsplatz zu vermitteln, sagt Lehrerin Kathrin Schubert.
- Umfrage zum Thema „Eigene Schulklasse für jugendliche Flüchtlinge"
Umfrage vom 05.10.2012: Was halten Sie von einer eigenen Berufssschulklasse für jugendliche Flüchtlinge? - München · So seh ich das! Zum Thema der Woche: Traumjob und Trauma
Artikel vom 04.10.2012: Münchner SamstagBlatt-Redakteur Heike Woschée zum Thema: „Hilfe für jugendliche Flüchtlinge“
Aufgrund seiner Interessen kann sich Safar, der in einer Unterkunft für betreutes Wohnen in Obergiesing lebt, gut vorstellen, als Koch zu arbeiten. Auf seine Bewerbungen hat er bislang jedoch nur Absagen erhalten. Versucht hat er es auch als Verkäufer. „Aber auch das hat nicht geklappt“, sagt er in nahezu akzentfreiem Deutsch. Woran es gelegen hat? „Ich weiß nicht, vielleicht ist es die Sprache“, mutmaßt er und zuckt mit den Schultern. Seine Lehrerin indes hält andere Gründe für schwerwiegender. „Viele Arbeitgeber haben Angst davor, Asylbewerber einzustellen“, erklärt Schubert. Die Unternehmen müssten nämlich mit einer Abschiebung der Arbeitskraft rechnen. Um Bedenken auszuräumen, rufen die Lehrkräfte bei den Firmen an und kümmern sich in Zusammenarbeit mit den Betreuern ihrer Schüler und dem Arbeitsamt um Formalitäten wie etwa Versicherungsnachweise. „Wenn wir mit den Firmen sprechen, zeigt das oft Wirkung“, so Schubert.
Doch auch bei den Schülern muss oft noch Überzeugungsarbeit geleistet werden. „In unseren Heimatländern gibt es so etwas wie eine Ausbildung nicht“, sagt Fatullah Sediqi, 17, der ebenfalls aus Afghanistan stammt, 2010 nach Deutschland floh und als einer der wenigen Schüler der Schule in einer eigenen Wohnung in Freimann wohnt: „Zuhause gehen wir zu den Firmen hin und machen die Arbeit einfach.“ Für viele seiner Mitschüler sei es schwer nachvollziehbar, weshalb man zunächst drei Jahre lang für wenig Geld arbeiten müsse, bevor man das volle Gehalt bekomme, sagt auch Safar. Wichtig seien daher ausreichende Informationen über das deutsche Ausbildungssystem.
Diese erhalten die Schüler im Fach Berufsvorbereitung. „Wir stellen die verschiedenen Tätigkeiten vor und erklären, welche Anforderungen an die Auszubildenden gestellt werden“, erzählt Schubert. Zur Seite stehen die Lehrkräfte den Flüchtlingen auch bei der Berufswahl und unterstützen sie seit diesem Schuljahr außerdem beim Bewerbungsverfahren. Meistens sei es jedoch nicht möglich, den Schülern einen Ausbildungsplatz in ihrem Traumberuf zu verschaffen, räumt Schubert ein. Besonders beliebt sei etwa der Beruf des Kfz-Mechatronikers. Allerdings gebe es in diesem Bereich zu wenig freie Stellen. Daher versuche sie, ihre Schüler in Nischenbereichen unterzubringen: „Viele Afghanen können zum Beispiel sehr gut nähen, Schneider ist dort noch ein angesehener Beruf.“ Für sie biete sich deshalb ein Praktikum in einer Änderungsschneiderei an. Von Vorteil sei außerdem, dass die Flüchtlinge oft bereit seien, Tätigkeiten zu übernehmen, die von den meisten Deutschen abgelehnt würden. Etwa habe einer ihrer Schüler im vergangenen Jahr ein Praktikum in einem Altenheim absolviert: „Die Bewohner dort waren so nett zu ihm, dass er jetzt Altenpfleger werden will.“ Einen Ausbildungsplatz vermitteln konnte sie im vergangenen Jahr sechs von 20 Schülern.
Unterrichtet werden die jungen Asylbewerber aber auch in Deutsch, Mathematik, Ethik, Sozialkunde und Sport. Allerdings sei der Ablauf anders als an regulären berufsvorbereitenden Schulen. „Wir sind auf Menschen mit Kriegstraumata spezialisiert“, erklärt Schubert. Das bedeutet: Der Unterricht beginnt um 8.30 Uhr und endet um 14 Uhr, dazwischen gibt es zwei halbstündige Pausen. Dennoch sei es nicht immer einfach, die Schüler dazu zu motivieren, den Tag durchzustehen: „Viele können nachts nicht schlafen, haben oft Kopfweh oder bekommen Medikamente.“ Die schwierigen Verhältnisse in den Herkunftsländern und die oft traumatische Flucht, bei der meist mehrere Tausend Kilometer zu Fuß zurückgelegt würden, seien zu berücksichtigen: „Hier kann man nicht einfach seinen Stoff durchprügeln.“ Gefragt sei vielmehr Geduld und ein sensibler Umgang mit den Schülern. Allerdings lohne sich die Mühe: „Sie sind so dankbar, hochmotiviert und superfleißig.“ Auch wenn Schuberts Tag aufgrund der Absprachen mit Ämtern, Betreuern und dem Flüchtlingsrat oft erst um 18 Uhr ende, sei die Arbeit mit den jungen Asylbewerbern die schönste Tätigkeit, die man sich als Lehrer vorstellen könne, schwärmt die Lehrerin. Von Julia Stark
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