Antiquariat von St. Peter erzielt in 20 Jahren 80.000 Euro

Heimstetten · Segensreiche Bücher

Die Leiterin des Antiquariatsteams, Ilse Ahlborn, bereitet sich mit zwei Helfern vom Fußballclub auf den nächsten Ansturm der Bücherfreunde vor. 	Foto: cs

Die Leiterin des Antiquariatsteams, Ilse Ahlborn, bereitet sich mit zwei Helfern vom Fußballclub auf den nächsten Ansturm der Bücherfreunde vor. Foto: cs

Heimstetten · Dreimal im Jahr verwandeln sich Turmzimmer und Flure der Pfarrei St. Peter in ein riesiges Bücherantiquariat. In dieser Woche ist es wieder so weit. In zwanzig Jahren kamen dank großen ehrenamtlichen Engagements 80.000 Euro für soziale Zwecke zusammen.

Bücher sind Freunde. Man wirft sie nicht so leichten Herzens zum Altpapier wie eine ausgelesene Zeitung. Aber wohin mit den Schätzen, wenn sich zu Hause die Regale biegen, die Wohnung zu klein geworden ist, ein Umzug ansteht, die Kinder erwachsen wurden, Fachliteratur nicht mehr benötigt wird oder gar ein Nachlass aufgelöst werden muss? Christiane Oser, die dem Geldbeschaffungsausschuss der noch jungen Pfarrei St. Peter angehörte, hatte im Frühjahr 1992 von ihrer Schwägerin in Darmstadt die Idee übernommen, die zum Selbstläufer werden sollte: »Wir lassen uns Bücher schenken und verkaufen sie zu günstigen Preisen.« Anfängliche Bedenken (»Wer gibt schon Bücher aus der Hand?«) erwiesen sich als grundlos. Was mit wenigen Hundert Bänden anfing, hat sich zu einer Lawine entwickelt, derer die etwa 16 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen vom Antiquariatsteam heute kaum noch Herr werden. Und aus den 98 D-Mark an Einnahmen bei der ersten Aktion sind bis zu 8.000 Euro jährlich geworden. Das ganze Jahr über tröpfeln die Bildbände, Romane, Kinder- oder Kochbücher, manchmal wahre bibliophile Kostbarkeiten, in das Heimstettner Pfarrzent­rum herein und werden von der geduldigen Pfarrsekretärin Barbara Sigmund entgegengenommen. Manchmal findet sie auch Stapel gesammelter Werke morgens vor der Kirchentüre vor. Alle diese mehr oder weniger literarisch wertvollen Ergüsse werden Woche für Woche von dem Lese-Team in die Hand genommen, auf Inhalt und Zustand begutachtet und in 40 Fachgebiete sortiert. Christiane Oser nennt ein paar der Gängigeren: Biografien, Historisches, Heiteres, Erziehung, Psychologie, Esoterik, Pflanzen und Tiere, Bayern und »sehr, sehr viele englische Bücher, die auch gerne gekauft werden. Manchmal sind auch verlagsneue Werke dabei.«

Die Ehrenamtlichen kommen dazu etwa 30 Mal im Jahr jeweils am Dienstagvormittag für ein paar Stunden in den Räumen zusammen, die ihnen von Pfarrer Werner Kienle kostenlos überlassen werden. Die meisten kennen sich aus den Zeiten, als ihre Kinder noch klein waren. Die Frauen legen bei der Auswahl Wert auf saubere Literatur – in jeder Hinsicht. »Verschlissene, zerlesene, übelriechende oder fleckige Bände werden gleich aussortiert«, sagt die Begründerin des Flohmarktes. Aber auch Sex und Sekten kommen in St. Peter nicht über den Büchertisch. So sammeln sich das ganze Jahr über in den unterirdischen Gängen und Fluren der Kirchengemeinde in Pappkartons, die es kostenlos beim Obst- und Gemüsehändler gibt, die Lesefreuden für fast jedes Hobby und jeden Literaturgeschmack an.

Das Hochschleppen in die Verkaufsräume im Erdgeschoss haben in diesen Tagen wieder die kräftigen Burschen von der Spielvereinigung 02 für eine Spende zugunsten der Vereinskasse besorgt. »Wenn wir die nicht hätten, könnten wir einpacken«, sagt Ilse Ahlborn, die seit dem Wegzug von Christiane Oser nach Ebersberg das Antiquariatsteam leitet. Anderthalb Stunden lang wuchteten die jungen Fußballer in der vergangenen Freitagnacht nach dem Training zunächst Biergartengarnituren als Verkaufstische und dann die zentnerschweren Bücherkisten vom Kellergeschoss nach oben – bereit für den Besucheransturm.

Der lässt dann an den Verkaufstagen nicht lange auf sich warten. »Die meisten Kunden streichen sich das Datum rot im Terminkalender an. Sie kommen immer wieder, aus dem gesamten Münchner Raum«, weiß Ilse Ahlborn. »Besonders am ersten Tag steht schon vor der Eröffnung eine lange Schlange vor der Türe.« Mit etwas Glück findet man dann noch Schnäppchen wie Homers Ilias oder Ibsens gesammelte Werke in Leder gebunden für drei Euro oder »Das Meisterwerk der Köche« für denselben Preis.

Wirklich wertvolle alte Bücher will das Team allerdings nicht für einen Dumpingpreis verschleudern. Sie werden im Internet verkauft – natürlich auch für den guten Zweck. Neben Büchern hat man in St. Peter auch CDs und Schallplatten im Angebot sowie – als einzige Zeitschrift – die »Merian«-Hefte. »Ältere Menschen kaufen gerne Humorvolles, etwa von Kishon«, berichtet sie. »Und der eine oder andere freut sich riesig, wenn er ein verschollenes Kinderbuch aus seiner Jugend entdeckt.« Unter den Kunden sind alle Altersgruppen vertreten, vom Schüler bis zum Rentner. Was nicht verkauft wird, wandert wieder in den Keller. Allerdings nur für insgesamt zwei Jahre. Dann müssen die Ladenhüter weg, um Platz für Neues zu schaffen. Aber auch dafür gibt es je nach Fachbereich noch dankbare Abnehmer, zum Beispiel das Kinderhospiz oder die Justizvollzugsanstalt, Alten- und Asylbewerberheime, und über Theologisches freuen sich die Armen Schulschwestern. Über die Einnahmen verfügt das Antiquariatsteam in freier Entscheidung.

Natürlich bekommt der Kirchenrenovierungsverein seinen Anteil und auch zum Blumenschmuck der Kirche trägt der Bücherverkauf finanziell etwas bei. Schließlich ist man ja Gast in St. Peter. Aber der große Rest geht an spendenabhängige Gruppen, egal, ob evangelisch oder katholisch. Darauf legt Ahlborn Wert. »Dorthin, wo man weiß, was sie machen.« Und das Geld bleibt im Lande. So haben die Obdachlosen von St. Bonifaz schon profitiert oder die Suizidprävention »Arche«, die örtlichen Kindergärten, die »Ärzte ohne Grenzen« und die Tafel. »Wir können die Welt nicht verbessern«, bedauert Ahlborn, »aber hier und dort etwas freundlicher machen.« Claudia Schmohl

Artikel vom 02.10.2012
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