Viele treten aus, aber manche wieder ein in die Kirchen

München · Erster Schritt der Annäherung

Talk im Turm: Pfarrerin Sandra Zeidler lädt zu anregenden Gesprächen im Turm von St. Matthäus – mit schönem Rundumblick auf München von fast 51 Meter Höhe. Foto: ms

Talk im Turm: Pfarrerin Sandra Zeidler lädt zu anregenden Gesprächen im Turm von St. Matthäus – mit schönem Rundumblick auf München von fast 51 Meter Höhe. Foto: ms

München · Das Thema Glaube ist eines der vielleicht noch wenigen Dinge, über die man in der Öffentlichkeit nicht gern spricht. Etwa wieder in die Kirche, die man vor Jahren verlassen hat – als kleine Rebellion mit 18 oder natürlich wegen des Geldes, der Kirchensteuer – wieder einzutreten.

Das sei „ein ganz persönlicher Entscheidungsprozess, der sich über längere Zeit entwickelt“, sagt Sandra Zeidler von der Kircheneintrittsstelle der evangelischen Kirche in München. „Es gibt nachvollziehbare Gründe auszutreten, aber auch Zeiten, wo man wieder näher rankommt, der Glaube verändert sich im Laufe des Lebens“, meint die Pfarrerin.

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Seit 2008 gibt es die Stelle in der Herzog-Wilhelm-Straße 24 – neben Nürnberg eine von zwei in Bayern – die Zeidler mit ihrem Kollegen Sebastian Kühnen mitaufgebaut hat. Bis aus Bad Tölz und Fürstenfeldbruck kamen schon Besucher, erzählt sie, auch wenn der Eintritt bei jedem Pfarrer möglich ist. Nach dem einmaligen Besuch der Kircheneintrittstelle, einem Gespräch, das unter die Schweigepflicht fällt, und der Unterschrift auf dem Eintrittsformular ist man offiziell wieder Mitglied. Man kann sich anmelden oder einfach vorbeischauen zu den Öffnungszeiten: Montag, Dienstag, Donnerstag, 15 bis 17 Uhr; Mittwoch, 10 bis 13 Uhr und 15 bis 19 Uhr, Freitag, 10 bis 13 und 15 bis 17 Uhr, oder nach Vereinbarung. Weitere Infos unter www.zurueckzurkirche.de. Mitzubringen sind Taufurkunde, Austrittsbescheinigung und Personalausweis.

Diese Unterlagen werden auch benötigt, wenn man wieder katholisch werden will. Auch dort gibt es neben Pfarrer oder Seelsorger seiner Wahl einen etwas anonymeren Ansprechpartner, die Glaubensorientierung St. Michael an der Münchner Fußgängerzone, Maxburgstraße 1, Tel. 0 89/23 17 06-0, st-michael-muenchen.de/glaubensorientierung). Die Aufnahme erfolgt mit der Genehmigung des Bischofs in einer kleinen Feier: Der Eintrittswillige gibt vor einem Kruzifix und einem Evangelienbuch in Gegenwart eines Priesters eine kurze Erklärung ab und bekennt den Glauben im Glaubensbekenntnis, das vorgedruckt ist. Im Erzbistum München-Freising gab es vergangenes Jahr 1.060 Eintritte und Wiederaufnahmen, Austritte dagegen 13.292. Im Jahr 2010 waren es 1.193 Eintritte und 21.585 Austritte. „Zahlen für 2012 liegen noch nicht vor,“ erklärt Christoph Kappes von der Pressestelle des Erzbischöflichen Ordinariats. Einen Trend zum Wiedereintritt will Kappes aus den Zahlen nicht ablesen: „Die Zahlen schwanken zwischen 1.000 und 1.500.“

Eine stetige Entwicklung nach oben seit Beginn der evangelischen Kircheneintrittsstelle registriert Sandra Zeidler. Bis diesen Juli sind schon 129 Menschen auf diesem Wege zurückgekehrt in ihre Kirche. 2008 gab es 82 Eintritte, 2009 schon 172, 191 im Jahr 2010 und 203 Eintritte 2011. Bayernweit zählte die evangelische Kirche im Schnitt über 3.000 Eintritte und 2010 sogar 5.439. Austritte verzeichnet die evangelische Kirche im Dekanatsbezirk München – nach Spitzen von gut 20.000 im Jahr 2008 bis 2010 und 2011 16.483 – dieses Jahr bis Juni 7.654 Austritte.

Die Gründe wieder einzutreten sind vielfältig. Schicksalsschläge oder oft der Partner, so Zeidler. Oder da will jemand Pate werden, kirchlich heiraten oder wechselt zum Arbeitgeber Kirche. Im Schnitt vergehen acht bis zehn Jahre bis zum Wiedereintritt, berichtet die Pfarrerin, die größte Gruppe sei zwischen 30 und 35 Jahre, Männer und Frauen halten sich die Waage. „Manche sagen zu mir: ,Ich werd jetzt keine große Kirchgängerin‘, aber das muss man ja auch nicht“, findet die Pfarrerin. „Wir wollen Anregungen geben und ermutigen, einen Schritt weiter zu gehen.“

Annäherung ist auch das Motto bei „Überblick“, einer neuen Veranstaltung der evangelischen Kircheneintrittsstelle, die seit Juli 2012 zwei Mal im Jahr stattfinden soll – in 51 Meter Höhe, auf dem Kirchturm von St. Matthäus am Sendlinger Tor, für Menschen, die für einen Abend dem Alltag entsteigen und bei Livemusik und einem Glas Wein mit interessanten Menschen ins Gespräch kommen möchten. Das nächste Mal am Freitag, 28. September. „2012 – geht die Welt nun unter oder nicht“ ist das Thema von Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler mit Blick auf die Prognose des Maya-Kalenders, das am 21. Dezember 2012 der große Showdown sein soll. Beginn ist um 20 Uhr, Anmeldung wegen des begrenzten Platzes bei der Kircheneintrittsstelle, Tel. 5 12 65 9-60 oder E-Mail kircheneintritt.muenchen@elkb.de, der Eintritt kostet 9, ermäßigt 5 Euro. Von Michaela Schmid

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Wer glaubt was?

Von den derzeit 1.410.741 Münchnerinnen und Münchnern sind 36,2 Prozent römisch-katholisch, 13,3 Prozent evangelisch, 0,3 Prozent sind israelitisch und 50,3 Prozent „Sonstige“, einschließlich Konfessionslose und ohne Angabe der Konfession. Quelle: Statistisches Amt München, Stand 31.12.2011.

Artikel vom 13.09.2012
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