Ein Ort mit Geschichte: »Haus am Schuttberg« feiert Jubiläum

Schwabing · Eine Oase wird 35

Spaß haben in einer Oase: Sandra Dreier (kl. Foto, l.) und Heike Bloom (kl. Foto) heißen Kinder und Erwachsene willkommen.	Foto: scy/Haus am Schuttberg

Spaß haben in einer Oase: Sandra Dreier (kl. Foto, l.) und Heike Bloom (kl. Foto) heißen Kinder und Erwachsene willkommen. Foto: scy/Haus am Schuttberg

Schwabing · Macht der Job als Bürgermeister wirklich Spaß? Über dem Feuer kochen, wie geht das eigentlich? Und wie baut man einen Tisch? Am besten, gleich mal selbst ausprobieren.

Möglich ist das für Kinder und Jugendliche, die zum Abenteuerspielplatz beim Schwabinger »Haus am Schuttberg« kommen. Hinter dicht gepflanzten Büschen und Bäumen, vom regen Verkehr der Belgradstraße abgeschottet, haben sich Sechs- bis 13-Jährige ihre eigene Welt erschaffen, eine malerische Holzhüttenstadt mit kleinen Gärten, einem Mini-Wasserbecken, mit Bänken und einem Lehmbackofen. So friedlich ist´es hier, so idyllisch, dass man sofort versteht, wie wohl sich die jungen Besucher fühlen.

»Inzwischen kommen auch Erwachsene, die früher mal hier gespielt haben und ihren eigenen Kindern diesen Ort zeigen«, erzählt die pädagogische Leiterin Heike Bloom. Kein Wunder, das »Haus am Schuttberg« ist ein Haus mit Geschichte, am Samstag, 22. September feiert es ab 14 Uhr sein 35-jähriges Jubiläum. Auch Erwachsene, Eltern, Verwandte und Nachbarn sind willkommen, trotzdem soll nicht mit »Erwachsenenkram« gelangweilt werden. »Zu Gunsten der guten Laune wollen wir auf Reden, Ansprachen und Würdigungen verzichten«, geben Uwe Loyda und Ralph Fellinger vom Vorstand bekannt. Dass es in Schwabing einen Ort wie diesen gibt, ist so selbstverständlich nicht, findet Heike Bloom. »Jedes Stück Baugrund ist heiß umkämpft, doch die Stadt München leistet sich trotzdem diese Oase, das kann gar nicht hoch genug wertgeschätzt werden«, so die Sozialpädagogin. Im Laufe der Jahre ist sogar noch mehr Fläche dazu gekommen, konkret im Jahr 1990, da wurde der Hubschrauberlandeplatz für das Schwabinger Krankenhaus verlegt, damit war die Geburtstunde für den Abenteuerspielplatz gekommen. »Unser Haus ist aus dem Viertel nicht mehr wegzudenken, täglich kommen zwischen 20 bis 80 Kinder und Jugendliche«, sagt Bloom. Auch das zum Haus gehörige Café Rotor ist ein beliebter Treffpunkt. Wer zwischen zehn und 16 Jahre alt ist, trifft sich hier zum Kochen, Kickern, Tanzen, Diskutieren.

Ansprechpartnerin ist Sandra Dreier, seit sieben Jahren Sozialpädagogin im Haus. »Jeder ist willkommen. Es ist egal, welche Religion er hat oder welche Nationalität, das spielt bei uns keine Rolle«, sagt sie. Unwichtig ist auch, ob einer Gymnasiast ist oder Hauptschüler. »Ich da oben, du da unten, das gibt es hier nicht«, sagt Dreier. Es gebe im Leben schließlich noch andere Schnittmengen als die Schulbildung. Im »Haus am Schuttberg« hätten die Kinder eben gerade die Chance, sich in anderen Rollen auszuprobieren, als es das Schulleben vorgibt. »Bei uns können sich die Kinder neu entwerfen«, formuliert es Bloom. Es war viel Engagement notwendig, dass dieser Ort überhaupt erst entstehen konnte. Zur Olympiade 1972 sollten die kleinen Werkstatthäuser entlang der Belgradstraße abgerissen werden, es sollte Platz gemacht werden für Park-And-Ride-Parkplätze.

Bürgerinitiativen setzten sich dafür ein, dass das Haus mit der Nummer 169 erhalten bleiben sollte, als Treffpunkt für deren Mitglieder. Unter anderem wollte der Sozialwissenschaftler Leo Dümpelmann hier »phänomenologische Jugendarbeit« machen, auch trafen sich Mutter-Kind-Gruppen dort und der Club der Behinderten und ihrer Freunde (cbf). 1977 wurde der Verein »Haus am Schuttberg« gegründet, mit dem Ziel der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Die Integration und die Verständigung der verschiedenen sozialen Gruppen der Stadt sollten gefördert werden. 1998 zog in einem Anbau der Kindergarten Knuddelmonster ein, vor zwei Jahren gab es einen Tapetenwechsel im Haupthaus, der Neubau wurde eingeweiht.

Besonders ausgezeichnet wurde der Abenteuerspielplatz des »Hauses am Schuttberg« heuer von der UNESCO, er gilt damit als offizielles »Projekt der Bildung für nachhaltige Entwicklung« (BNE). Heißt, hier wird Bildung praktiziert, damit Menschen Entscheidungen für die Zukunft treffen und abschätzen können, wie sich das Handeln auf künftige Generationen oder das Leben in anderen Weltregionen auswirkt.

Es gibt auch Projekte für Schulklassen

Speziell dazu werden auch Projekte für Klassen der umliegenden Schulen angeboten, die sich unter anderem mit dem Thema »Nachhaltigkeit« befassen, beispielsweise unter dem Motto »Prima Klima in der Stadt«. Klingt nach pädagogisch wertvoll, und das ist es auch. Doch zu dem Wertvollsten gehört sicher auch das, was Bloom nennt: »Wir verbringen hier eine gute Zeit zusammen, darauf kommt es an.« Letztlich wolle doch jeder gerne einfach Spaß haben. Besonders heutzutage, die Kinder seien mehr unter Druck als je zuvor, sie seien nicht mehr so unbeschwert wie noch vor einigen Jahren.

Eine gute Zeit können im »Haus am Schuttberg« übrigens auch Erwachsene haben. Ehrenamtliche bieten unter anderem eine Feldenkrais-Übungsgruppe an, es gibt eine Meditationsgruppe, zwei Mutter-Kind-Gruppen, eine Malgruppe für Senioren. Und es werden auch immer wieder Bürger gesucht, die ihre Talente und Hobbys gerne an andere weiter geben und selbst Projekte anbieten. Und wer Lust hat, mal an einem Samstag mit der Familie zu feiern, nur zu: Der große Raum mit Küche wird an Bürger aus dem Stadtteil vermietet. Weitere Informationen zum »Haus am Schuttberg« gibt es im Internet unter www.hausamschuttberg.de. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 11.09.2012
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