Albrecht Ackerland im Münchner SamstagsBlatt über die richtige Hilfe

München · Zum Thema der Woche: Projekt „Neue Chance“, die Hilfe beim Ankommen

München · Die Krux an der Hilfe ist ja: man muss sie überhaupt annehmen können. Ich habe in meinem Leben schon öfter einmal mehr oder weniger laut andere gebeten, mir mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, und habe es selbst überhaupt nicht gemerkt.

Wenn dann einer ankommt und einen schlauen Spruch raushaut, der tatsächlich schlau und gut war in der Situation, dann kam es nicht selten vor, dass ich ihn weitergeschickt habe. „Was willst denn? Rennt eh alles gut.“ Bis ich gemerkt habe: Gar nix geht weiter, und rennen schon gleich gar nicht.

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Es hat sehr lange gedauert bis ich gemerkt habe, dass Freunde manchmal viel besser merken, wo es hakt. Manchmal muss man Freunde aber auch hart am Krawattl packen, dann, wenn man selbst genau merkt, dass sie sich verrennen in etwas. Meistens waren das – in beiden Fällen – genau nicht die Freunde, mit denen das Weißbier im Stüberl ganz besonders gut schmeckt. Der gute alte Janosch, der Kinderbuchphilosoph, hat einmal geschrieben: „Wer einen Freund hat, der braucht sich vor nichts zu fürchten.“ Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen. Wer einen Freund hat, der kann die Furcht in ihrem Ausmaß erst richtig kennenlernen, weil er sie einem nehmen kann. Ich hatte immer das Glück, dass ich auch Menschen hatte, die aus einer anderen Welt kommen, in einer anderen Welt leben, einen anderen Blick haben, sehr wenig teilen von dem, was meinen Alltag ausmacht. Und immer wieder merke ich: Der Rat, die Hilfe, das Aufwecken greift von ihnen am besten. Umgekehrt ist's genau so. Manchmal reichte ein einfacher, für meinen Dunstkreis ganz normaler Spruch, mit dem ich ihre Situation einschätze, um ihren Kopf einmal im Kreis zu drehen. Und plötzlich flutscht‘s.
Dafür braucht es allerdings offene Ohren, offene Augen, der Kopf muss sich drehen können. Sonst wird aus dem guten Willen des anderen nichts, es bleibt beim guten Willen. Ich weiß noch gut, wie ich nach der Schule, mit Anfang Zwanzig bisweilen nicht mehr wusste, wo hinten und vorne ist – weil der Kopf verdreht war. Hätte ich damals nicht immer wieder jemand gehabt, der mir vehement gezeigt hat, dass die Dinge im Moment nicht hinter und vor mir sind, sondern einfach neben mir, rechts und links, ich würde mir heute raten: Geh auf die Straße, frage den Erstbesten, was er denn so meint zu einem Leben, das sich gerade so anfühlt, als ob es hakt. Das ist freilich sehr einfach gesagt: Denn die Krux an der Hilfe ist ja, das sie einer überhaupt geben will. Der gute alte Janosch hat noch so einen Spruch auf Lager: „Gemeinsam sind wir stark.“

Artikel vom 06.09.2012
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