Grillen, Bier und Kindergeburtstage zwischen den Grabsteinen

München · Halligalli auf dem Friedhof

Kindergeburtstage zwischen den Grabsteinen – viele Anwohner stören sich am pietätlosen Verhalten. Foto: sh

Kindergeburtstage zwischen den Grabsteinen – viele Anwohner stören sich am pietätlosen Verhalten. Foto: sh

München · Slackline, Grillen, Picknick und sogar Kindergeburtstage: Münchner verbringen ihre Freizeit auf dem Friedhof. Vor allem auf dem Alten Nordfriedhof in der Arcisstraße wird der Platz zwischen den Grabsteinen vielseitig genutzt.

Mit einer Infokampagne möchte die Stadt München nun sensibilisieren und an die Vernunft der Bürger appellieren. Über die Möglichkeiten, den Alten Nordfriedhof in angemessener und schonender Weise als Erholungs- und Freizeitraum zu nutzen, informieren jetzt Hinweisstelen und ein soeben erschienener Flyer. Die Städtischen Friedhöfe München setzen damit auf Aufklärung und hoffen auf angemessenes Verhalten: „Wir wollen nicht sanktionieren, im Gegenteil – wir werben jetzt noch aktiver um das Verständnis der Bürger“, sagt Kriemhild Pöllath-Schwarz, Leiterin der Städtischen Friedhöfe München. Das Bewusstsein der Bürger soll geschärft werden. Denn: Das Prinzip der Totenruhe und der Respekt vor den Trauernden gelte nach wie vor.

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Zwar finden auf dem Alten Nordfriedhof an der Arcisstraße seit 1939 keine Begräbnisse mehr statt, trotzdem „handelt es sich um einen stillen Ort mit Würde, der vom Besucher nicht verletzt werden sollte“, findet Stadtrat Richard Quaas (CSU), der sich seit Langem mit der Problematik auseinandersetzt und eine entsprechende Anfrage an die Stadt gestellt hat. Nun wirbt man für pietätvolles Verhalten und hofft auf die Einsicht der Bürger – die das teilweise nur bedingt nachvollziehen können. „Ich verstehe die ganze Diskussion nicht, warum wird das Gelände nicht als öffentliche Grünfläche ausgeschrieben?“, empört sich ein Anwohner aus der Maxvorstadt. „Der Letzte, der hier beerdigt wurde, ist 1930 gestorben. Man wird hier niemanden finden, der das noch erlebt hat.“

Das sehen nicht alle so. Eine ältere Dame zeigt sich sichtlich aufgebracht: „Hier herrschen katastrophale Zustände - es werden Polterabende, Junggesellenabschiede und Kindergeburtstage gefeiert, manche Eltern wickeln ihre Kinder sogar auf den Grabsteinen“, berichtet sie kopfschüttelnd.

Was ist denn nun erlaubt und was nicht? Die Friedhofssatzung besagt, dass Aktivitäten, die dem ursprünglichen Friedhofszweck nicht entgegenlaufen, erlaubt sind. Darunter fällt beispielsweise das Spazierengehen sowie das Joggen auf den Wegen. Auch das Ausbreiten von Decken sowie das Verweilen auf Bänken sowie auf den Rasenflächen ist gestattet.

Nicht erlaubt sind dagegen Aktivitäten, die sich störend auf die besinnliche Ruhe der Besucher auswirken. Darunter fallen Sportarten wie Slackline, Fahrradfahren, aber auch laute Musik sowie das Sonnenbaden in Badebekleidung. Auch das Mitführen von Hunden sowie Grillen, Picknicken, Alkohol und das Klettern auf Grabsteinen ist nicht gestattet.

Auch andere Münchner Friedhöfe haben mit Problemen zu kämpfen – sie sind jedoch im Gegensatz zum Alten Nordfriedhof noch in Betrieb. Auf dem Waldfriedhof stört man sich ebenfalls an Feiernden und Sonnenanbetern. Auf dem Ostfriedhof versucht man gegen die vielen Jogger vorzugehen. Denn: Joggen und Fahrradfahren werden zwar auf dem Alten Nordfriedhof geduldet, sind aber auf allen anderen Münchner Friedhöfen, die noch in Betrieb sind, verboten. „Unsere Mitarbeiter sprechen die Leute gezielt an und machen sie auf ihr Fehlverhalten aufmerksam“, erklärt Katrin Zettler, Pressesprecherin vom Referat für Gesundheit und Umwelt. „Stellen Sie sich mal die Situation vor, kürzlich einen nahestehenden Angehörigen verloren zu haben und während sie trauernd am Grab stehen, laufen verschwitzte Jogger an Ihnen vorbei und unterhalten sich oder lachen sogar?“ Dagegen möchte die Stadt vorgehen. Aber ohne Sanktionen, man hofft auf die Vernunft der Münchner, sagt Zettler. „Denn vieles geschieht nicht aus bösem Willen, sondern aus reiner Unwissenheit.“

Von Stefanie Halbinger

Artikel vom 09.08.2012
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