Jugendliche schulen Körper und Geist beim Parkour-Training

Ismaning · Immer ein Weg

Einfach über die Tischtennisplatte springen und kein Lehrer schimpft: Trainer Mike Thuemmler (re.) kontrollierte die Technik. Foto: privat

Einfach über die Tischtennisplatte springen und kein Lehrer schimpft: Trainer Mike Thuemmler (re.) kontrollierte die Technik. Foto: privat

Ismaning · Eine Gruppe 12- bis 14-jähriger Jugendlicher sowie drei Erwachsene laufen sich begeistert im Pausenhof der Ismaninger Mittelschule warm. Kurze Zeit später sieht man sie mit Balanceübungen und ungewöhnlichen Techniken über Mauern klettern und springen.

In der Jugend-Kulturarbeit werden an den Ismaninger Schulen schon länger auch ungewöhnliche Wege beschritten. Jetzt hatte eine Gruppe Jugendlicher die Gelegenheit, sich in »Parkour« zu bewähren. »Le Parkour« nannte der französische Schauspieler David Belle eine besondere Kunst der Fortbewegung. Von seinem Vater, einem ehemaligen Vietnamsoldaten, hatte er in den Wäldern Nordfrankreichs gelernt, sich durch die Landschaft mit ihren natürlichen Hindernissen im Einklang mit der Umwelt zu bewegen. Ende der 80er Jahre übertrug er spielerisch diese Methode auf die urbane Landschaft der Pariser Vororte aus Beton und Stahl. So waren er und Gleichgesinnte bei spielerischen Verfolgungsjagden über Treppen, Tischtennisplatten, Papierkörbe und kleine Bäche unterwegs und bauten immer schwierigere Hindernisse, wie Mauern, Zäune, Baugerüste und später Gebäudefassaden und Hochhäuser, in den Parkour ein. Im Vordergrund steht dabei immer das Gruppenerlebnis, Parkour macht man nicht allein.

Elisa Rühl, Pädagogin in der Offenen Ganztagsschule des Kreisjugendrings (KJR) München-Land an der Ismaninger Mittelschule, hat das Parkour-Projekt initiiert und einen professionellen Anbieter zur Durchführung an die Schule geholt.

Über Mülltonnen und Blumenbeete

Im Mittelpunkt steht zunächst natürlich die richtige Technik; ein gewähltes Ziel soll auf dem streckenmäßig kürzesten Weg erreicht, etwaige Hindernisse genommen werden, das heißt Mauern, Blumenbeete, Mülltonnen oder Ähnliches müssen übersprungen werden. Astrid Hummeltenberg, Sozialraumleiterin für die Jugendarbeit Ismaning des KJR München-Land: »Die Achtsamkeit für die Umwelt war uns ganz wichtig«, das heißt, dass etwa den Blumen auf den Beeten kein Blättchen verletzt werden sollte.

Es geht jedoch nicht nur um Bewegungskunst und Technik, sondern auch um philosophische Elemente, die den Sport Parkour im Jugend-Kulturbereich als Mittel zur Gesundheits- und Gemeinschaftsförderung sowie zur Drogen- und Gewaltprävention einsetzbar machen. Mike Thuemmler von der Gesellschaft »ParkourOne« aus Augsburg wies in einer Einführung die Schülergruppe auf genau jene philosophischen und pädagogischen Inhalte hin: »Es geht darum, Respekt, Toleranz und Akzeptanz zu fördern sowie die eigenen mentalen und körperlichen Grenzen einschätzen zu können.« Das Training im urbanen Raum oder in der Natur erwarte von den Teilnehmern Sensibilität für die Umgebung. »Parkour kennt kein Konkurrenzdenken, man kommt nur gemeinsam zum Ziel.« Die Schüler hörten etwa 15 Minuten gebannt zu. »So ruhig, habe ich die Jugendlichen noch nie erlebt«, meinte Elisa Rühl begeistert.

Nach Theorie und Aufwärmphase konnte es endlich an die Praxis gehen. Zunächst wurden Techniken eingeübt und schließlich eine vorgegebene Rennstrecke überquert. Da durften die Schüler über die Mauer oder die Tischtennisplatte im Pausenhof springen – und keine Lehrkraft schimpfte. Elisa Rühl und ihr Kollege Daniel Meier, ebenfalls in der Offenen Ganztagsschule tätig, trainierten gemeinsam mit den Jugendlichen mit, nicht ohne anschließend festzustellen, dass es ganz schön anstrengend war.

Gemeinsam einen schwierigen Weg bewältigen

»Das Training hat unheimlich viel Spaß gemacht« meinte der 12-jährige Justin nach dem etwa zweistündige Training atemlos. Am meisten habe ihm die Gruppenarbeit gefallen. Tatsächlich hatten an diesem Nachmittag Schüler zusammen gearbeitet, die ansonsten wenig Berührungspunkte haben. Elisa Rühl: »Die Teilnehmer bei dieser Sportart werden ›Traceur‹ genannt, ein Begriff aus dem Französischen, der so viel bedeutet, wie ›der, der den Weg absteckt‹. Vielleicht gelingt den Jugendlichen der Weg zu mehr Toleranz und Miteinander.«

Astrid Hummeltenberg denkt schon über eine Wiederholung nach: »Hier ging es für die Jugendlichen einmal nicht um Noten und Konkurrenzdenken, sondern darum, gemeinsam einen schwierigen Weg zu bewältigen.« Und da das Training so gut angekommen sei, könne sie sich eine Wiederholung an einer anderen Ismaninger Einrichtung, etwa der Realschule, sehr gut vorstellen. gh / red

Artikel vom 07.08.2012
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...