40 + 20 = Dworzak: Haars Bürgermeister feiert Doppeljubiläum

Haar · Eindrucksvolle Bilanz

Helmut Dworzak mit Ehefrau Juliane (Mitte), Johanna Rumschöttel und Horst Wiedemann (re.), Gerlinde Würfel und Hans Wehrberger mit dem »Blanko- Gemälde«, Peter Paul Gantzer und Gabriele Müller (li.).	Foto: ikb

Helmut Dworzak mit Ehefrau Juliane (Mitte), Johanna Rumschöttel und Horst Wiedemann (re.), Gerlinde Würfel und Hans Wehrberger mit dem »Blanko- Gemälde«, Peter Paul Gantzer und Gabriele Müller (li.). Foto: ikb

Haar · Beeindruckendes Doppeljubiläum: Helmut Dworzak, Haars erster Mann im Rathaus, wurde jetzt im Kommunalparlament für 40 Jahre als Gemeinderat und für 20 Jahre im Amt des ersten Bürgermeisters geehrt.

Horst Wiedemann, nach eigenen Aussagen »der letzte Kampfgefährte von 1972, der noch aktiv ist«, hielt eine launige Laudatio, Landrätin Johanna Rumschöttel und Landtagsabgeordneter Peter Paul Gantzer, der in Haar wohnt, gratulierten neben vielen Lokalpolitikern und Bürgern. »Eine ungewöhnliche Leistung« – so fasste die zweite Bürgermeisterin Gabriele Müller in drei Worten es treffend zusammen, was der Sozialdemokrat Dworzak in vier Jahrzehnten bewegt hat. 1992, nach dem Rücktritt des damaligen Bürgermeisters Hans Wehrberger, dessen Vertreter Dworzak bereits war, hatte der Geehrte das »Kommando« in Haar übernommen. »So hatte ich mir das Bürgermeisteramt nun wirklich nicht vorgestellt«, beschreibt der bald 62-Jährige ein Erlebnis in seinen ersten Amtswochen. Ein verzweifelter Sozialhilfeempfänger war in sein Büro eingedrungen und hatte ihm eine Pistole auf die Brust gesetzt. »Ich habe so lange auf ihn eingeredet, bis er die Waffe wieder eingesteckt hat«, erzählt Dworzak. Es ist bis dato das einzige Mal, dass er über die neue Aufgabe ins Grübeln gekommen war. Offensichtlich hat seine Waffe, nämlich das überzeugende Reden, stets gewirkt.

Dworzak ist ein echter Haarer, seine Familie lebt in vierter Generation hier, er besuchte die Konradschule, machte sein Abitur am Maria-Theseria-Gymnasium, vor Ort lernte er seine spätere Frau Juliane kennen, mit der er inzwischen zwei erwachsene Töchter hat. Er hat Betriebs- und Volkswirtschaft, Wirtschaftsrechte und Geographie fürs Lehramt studiert, war von 1978 bis 1992 Studienrat, 18 Jahre lang Vertrauenslehrer und Drogenberater am Münchner Willy-Graf-Gymnasium. Als Student, gerade mal 22 Jahre jung, schaffte der politisch interessierte und engagierte Lockenkopf, der damals wie heute nie um einen Kommentar oder passenden Spruch verlegen ist, vom SPD-Wahllistenplatz 14 aus den Sprung in den Gemeinderat. Der Juso und Jugendgruppenleiter in St. Konrad in Jeans mit dem Attribut Revoluzzer fiel auf. »Ich war einmal ganz stolz, gerade noch pünktlich zu einer Sitzung – damals gab’s bei den Besprechungen noch Bier – erschienen zu sein, doch ich wurde ziemlich schief angeschaut und gerügt«, erinnerte sich Dworzak.

Der Grund: er war barfuß. »Er war angepasst an die damals ein wenig turbulente Zeit«, umschrieb Weggefährte Wiedemann die Situation in seiner Ansprache. Es waren eben andere Zeiten, »sie waren a bisserl einfacher«, sinniert der Rathaus-Chef, erinnert sich an viele Details, erzählt sie im Plenum. Stundenlange Diskussionen bei den Tagungen waren gang und gebe. Streitfragen gab es wie ›Stürzt ein Flohmarkt (später von Jungsozialisten und Junge Union gemeinsam organisiert, »ja, das war damals noch möglich«) den Ort ins Trödelchaos‹? Oder die »sexuelle Befreiung« – ›Dürfen Frauen und Mädchen im Freibad oben ohne in der Sonne liegen‹? Oder soll in der Garage des Rathauses ein Atomschutzbunker eingerichtet werden?

Die Stationen und Aufgaben von Dworzak

Stationen und Aufgaben im Gemeinderat reihten in den Jahren aneinander: Erst Finanzreferent, dann Fraktionsvorsitzender der SPD, 1990 schließlich – nach der vierten Wiederwahl als Bürgervertreter – stellvertretendes Gemeindeoberhaupt, ehe Dworzak zwei Jahre später die kommunale Leitung übernahm und in der Folgezeit drei Mal bestätigt wurde. Auch im Kreistag des Landkreises München war der Jubilar zwei Jahre lang vertreten, gab das Mandat 2008 an Waldtraud Rensch ab. Dutzende große und vermeintlich kleine Projekte und Maßnahmen wurden in zwei Jahrzehnten von Rathaus-Chef Dworzak realisiert, beziehungsweise umgesetzt. Von der Ortskernsanierung, übers Rathaus, Sportpark, Maria-Stadler-Haus, Setzerhof, Gründung Gemeindewerke und Bürgerstiftung, diversen Kindertagesstätten bis zum Bau des Lärmschutzes entlang der S-Bahnlinie, der jetzt nach zehn Jahren Krampf und Kampf endlich gemacht wird.

Aber auch unvollendete Arbeiten, die laut Pressesprecherin Ute Dechent allesamt »einen langen Atem brauchen«, stehen in der Bilanz wie beispielsweise die Sanierung des Bahnhofs oder die Nutzung von Windenergie zusammen mit Nachbarkommunen. Aktuell belasten den Bürgermeister wegen des Acht-Millionen-Euro-Einbruchs der Gewerbesteuer finanzielle Sorgen. Investitionen mussten verschoben werden, weitere Aufgaben wie der Bau eines neuen Seniorenhauses oder einer neuen Gemeindebücherei sowie der weitere Ausbau der Krippenbetreuung stehen auf der Warteliste.

Mehr Zeit für Gespräche

Bei all den Belastungen hat der Beruf »Bürgermeister« den Menschen Dworzak in einem Punkt verändert, »was ich sehr schade finde. Früher hatte ich mehr die Fähigkeit, bei persönlichen Problemen zuzuhören. Heute fehlt mir meist die Zeit für ein intensives Gespräch. Immer wieder muss ich Bürger bitten ›Vereinbaren sie einen Termin mit meiner Sekretärin‹. Und dann höre ich mir Wünsche, Kritiken und Beschwerden an. Die Nähe zu den Menschen ist mir wahnsinnig wichtig. Ich radle gerne durch den Ort, besuche – wann immer ich kann – die Vereine. Doch ein verträgliches Maß an Distanz musste ich mir zulegen, obwohl dies ganz und gar nicht meinem Naturell entspricht. Und auch die Altersgelassenheit hat sich noch nicht eingestellt. Ich werde ungeduldiger, wenn sich bürokratische Prozesse unnötig in die Länge ziehen, ich will keine Zeit verschwenden.« Das Geleistete fasste Wiedemann kompakt zusammen: »Er hat sich um Haar – wie es die alten Römer anerkennend ausdrückten – verdient gemacht, ihm hat Haar viel zu verdanken.« Landrätin Rumschöttel konstatierte eine »eindrucksvolle Bilanz«, sprach von »der Kompetenz Dworzaks und der warnenden Stimme, die in Gremien gefürchtet wurde und wird«, hob das soziale Engagement und soziale Projekte hervor, »die es anderswo nicht gibt«.

Blumen für Ehefrau Juliane und »Kunst« für den Mann – gab es von den Genossen, überreicht von Gabriele Müller. Nach dem Auspacken des rot eingepackten Bilderrahmens war Dworzak total verblüfft: die Leinwand war jungfräulich, ganz weiß. Zusammen mit den drei Damen Dworzak hatte Müller einfach nicht das richtige Motiv gefunden – »schließlich müssen das Bild zu Hause ja alle anschauen.« Also entschieden sie sich für ein Blanko-Gemälde. Müller süffisant: »Der Rahmen ist da, das Bild darfst Du dir selber aussuchen!« ikb

Artikel vom 01.08.2012
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