Alter Botanischer Garten feiert 200-jähriges Bestehen

Altstadt · Echter Bürgerpark

Sie erhalten mit Leidenschaft eine 200-jährige Tradition am Leben: Die Botaniker Jürke Grau und Ehrentraud Bayer.	Foto: scy

Sie erhalten mit Leidenschaft eine 200-jährige Tradition am Leben: Die Botaniker Jürke Grau und Ehrentraud Bayer. Foto: scy

Altstadt · Nachts sitzen hier gerne mal knutschende Pärchen auf den Parkbänken oder Partygänger, die, mit Bierflaschen ausgerüstet, noch bis zum Morgengrauen weiterfeiern.

Tagsüber bietet der Alte Botanische Garten bei all dem Trubel und Gewimmel ringsherum eine Oase, wo es sich einfach mal richtig durchatmen lässt. Wohin das Auge blickt, blüht es in diesen Sommertagen in Gelb, Rot, Lila und Orange – und doch, das ist kein Vergleich zu der Blütenpracht, die es noch vor 200 Jahren an genau diesem Ort zu bestaunen gab. Rund 8000 Pflanzenarten wurden damals gehegt und gepflegt und lockten die Münchner in Scharen. Die Beliebtheit ging auch weit über die Stadtgrenzen hinaus. Heute erinnert – neben alten Baumbeständen – nur noch das ehemalige Eingangsportal an den ursprünglichen Alten Botanischen Garten. Pünktlich zum Jubiläum wird das klassizistische Bauwerk umfassend restauriert. Es soll rechtzeitig zu den Feierlichkeiten im Oktober in neuem Glanz erstrahlen.

Bereits im Jahr 1972 wurde die ursprüngliche Farbgestaltung des Bauwerks nach den Vorgaben des Denkmalschutzes rekonstruiert. Die letzte umfangreiche Sanierung des Eingangsportals fand 1989 statt. Nun lässt das Baureferat die Fassade instand setzen. Nach Vorgaben des Denkmalschutzes wird der Verputz saniert und ein neuer Anstrich aufgebracht. »Die Substanz des klassizistischen Bauwerks ist im Übrigen noch sehr gut erhalten«, erklärte ein Sprecher des Baureferats auf Anfrage. Die Arbeiten begannen bereits am 9. Juli und enden voraussichtlich im September.

Emanuel Joseph von Herigoyen hat das Portal in den Jahren 1811 und 1812 in Form eines Torbaus in dorischen Formen errichtet. Es trägt eine lateinische Inschrift, zu Deutsch: »Der Blumen zerstreute Gattungen der Bildnerin Erde auf Geheiß des Königs Maximilian Joseph vereinigt 1812.« Für diesen Text wurde auf eine Vorlage von Johann Wolfgang von Goethe zurückgegriffen. Im Jahr 1812 hatte der Landschaftsarchitekt Friedrich Ludwig von Sckell den Alten Botanischen Garten mit einer Fläche von 5,1 Hektar an der Elisenstraße als Einrichtung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften angelegt.

Wer sich ein Bild davon machen möchte, wie der Alte Botanische Garten in seinen Ursprüngen aussah, der mache sich mit der Tram 17 auf den Weg zum »Nachfolger«, in den Botanischen Garten München-Nymphenburg. Dort steht ein großflächiges, ockerfarbenes Modell – in direkter Nachbarschaft zu einem malerischen Seerosenbecken. Schon auf den ersten Blick wird klar, wie sehr sich die Fläche in der Innenstadt im Laufe der Jahrhunderte gewandelt hat. Was heute eine ziemlich typische Parkanlage ist, war damals ein imposantes Gartengelände. »Völlig neu war, dass nicht nur Wissenschaftler, sondern auch die Bürger Zutritt hatten«, berichtet Jürke Grau, Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde des Botanischen Gartens München e.V.. Eintritt habe man damals nicht verlangt, doch gab es regelmäßige Kontrollen, die eventuellen Botanik-Dieben das Handwerk legen sollten. »Man hatte dazu jeweils zwei Soldaten vom Militär abgeordnet, die in ihren Uniformen durchmarschierten«, so Grau.

So begeistert das Volk auch war, die Wissenschaftler mussten im Laufe der Jahrzehnte mit allerhand Schwierigkeiten kämpfen. Beispielsweise im Jahre 1854, als ein Drittel der Gartenfläche für den Glaspalast geopfert werden musste, man errichtete ihn anlässlich der allgemeinen deutschen Industrieausstellung. Schnell wurde klar, dass man ihn nicht, wie anfänglich geplant, als Gewächshaus nutzen konnte. So fanden dort Kunstausstellungen statt. Für die Botaniker wurden jenseits der Sophienstraße neue Gewächshäuser gebaut.

Knapp hundert Jahre nach Eröffnung tauchten neue Probleme auf, schon damals gab es erhebliche Luftverschmutzungen. So entschied die Bayerische Abgeordnetenkammer 1908 den Alten Botanischen Garten an einen anderen Platz zu verlegen – auf das 22-Hektar-Areal des heutigen Botanischen Gartens in Nymphenburg. »Die Pflanzen litten enorm, die Luftverschmutzung war sogar viel größer als heutzutage, unter anderem durch den nahen Eisenbahnverkehr«, erläutert Grau. Der Umzug zog viele Schaulustige an, die imposanten Bäume wurden quer durch das Stadtgebiet mit Fuhrwerken transportiert. Darunter ein Ginkgo und mehrere große Zykadeen, sie stehen nach ihrer Verpflanzung heute noch. Im Mai 1914 schließlich, noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, wurde der Neue Botanische Garten feierlich eröffnet.

1931 schließlich brannte der Glaspalast nieder, mitsamt den Kunstwerken einer romantischen Ausstellung. »Das war schließlich der letzte Impuls zur Neugestaltung des Alten Botanischen Gartens«, erzählt die leitende Sammlungsdirektorin Ehrentraud Bayer. In den Jahren 1935 bis 1937 wurde er zu einem Park umgebaut, dabei entstand der Neptunbrunnen in der Mitte der Anlage und ein Kaffeehaus in historisierendem Stil, das heutige Parkcafé. Außerdem wurde ein kleines Gebäude errichtet, das dem Bildhauer Josef Thorak als Atelier dienen sollte.

Es wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und später von Münchner Künstlern in Selbsthilfe wieder aufgebaut und wird heute für Ausstellungen genutzt. Wer aber noch ein bisschen Original-Stimmung tanken möchte, dem bleibt nur die Fahrt nach Nymphenburg. Dort besichtigen jedes Jahr rund 350.000 Millionen Besucher gut 14.000 Pflanzenarten. Aktuell sind einige davon sogar besonders stark zu riechen, in der aktuellen Ausstellung »Himmlische Düfte und Höllengestank«, die noch bis 9. September läuft. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 31.07.2012
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