Rugby-Boom in München: Neuer Verein in Unterföhring

München · Vom Rand- zum „Trend“-Sport

Stephan Unfried (schwarzes Shirt) beim Tackling im Training. Foto: Susanne Petersohn

Stephan Unfried (schwarzes Shirt) beim Tackling im Training. Foto: Susanne Petersohn

München · Eine Legende besagt, William Webb Ellis habe 1823 bei einem Fußballspiel in der englischen Stadt Rugby den Ball mit den Händen gepackt, als sein Team kurz vor einer Niederlage stand, und ihn ins Tor der Gegner gelegt. Damit sei Rugby geboren worden – eine Sportart, die in Deutschland am Rande der Randsportarten steht.

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Die Rugby-WM ist jedoch nach Fußball-WM und Olympischen Spielen der drittgrößte Sportwettbewerb der Welt. In München versucht ein Vereins-Trio, Rugby auch in Deutschland populärer zu machen. Neben den bereits etablierten München Rugby Football Club (MRFC) und Studentenstadt Rugby München (Stusta) wurde am 21. Juni nun auch ein Verein im Landkreis gegründet – der RC Unterföhring (RCU).

1900 und in den 1930er-Jahren gewann Deutschland drei Silbermedaillen bei Olympischen Spielen (ab 2016 in Rio de Janeiro wird Rugby nach langer Abstinenz wieder eine olympische Sportart sein), ehe die Nationalsozialisten den britischen Sport hierzulande verboten. Mittlerweile wächst die Rugbygemeinde wieder langsam – besonders in München. Mehr als 300 Mitglieder zählt der MRFC (gegründet 1977), aus dem 1999 die Stusta hervorging (mittlerweile über 100 Mitglieder). Beim RCU wurde Stephan Unfried von den 13 Gründungsmitgliedern (hauptsächlich ehemalige Stusta-Spieler) zum 1. Vorsitzenden gewählt. Mittlerweile hat sich dem Verein nochmals dieselbe Anzahl an Leuten angeschlossen – Tendenz steigend. Allein zum ersten Training in Unterföhring erschienen neun Anfänger, die den Sport ausprobieren wollten. „Jeder Interessierte, egal ob erfahren oder kompletter Anfänger, ist herzlich willkommen“, betont Unfried. Trainiert wird mittwochs und freitags ab 18.30 Uhr auf dem Betriebssportplatz hinter dem „Sky-Dome“, an dem Weg, der zum Feringasee führt. In welcher Liga der RCU antreten wird, steht aktuell noch in den Sternen, muss aber an diesem Wochenende entschieden und dem Bayerischen Rugby Verband mitgeteilt werden. Unfried liebäugelt damit, sein Team in der drittklassigen Regionalliga Bayern anzumelden, alternativ wäre ein Start in der viertklassigen Verbandsliga möglich. Klar ist: den vielen Rugby-Anfängern, die sich dem RCU anschließen, soll möglichst schnell möglichst viel Spielpraxis verschafft werden.

Doch nicht nur die schnelle sportliche Eingliederung der Mannschaft in den Ligabetrieb ist Ziel der Unterföhringer Verantwortlichen. Ihr Ansinnen ist es, Kinder- und Jugendarbeit zu etablieren, was in der Studentenstadt aufgrund der dortigen Strukturen kaum möglich war. Unfried und Kollegen wollen möglichst bald den Kontakt zu Schulen suchen, dort Kurse anbieten. Der RCU solle in Zukunft ein Verein werden, „mit dem sich die Leute und auch die Gemeinde identifizieren können“, erklärt Unfried. Dafür sei Nachwuchsarbeit unausweichlich. Stusta und MRFC begrüßen die Gründung des neuen Vereins. „Konkurrenz belebt das Geschäft. München hätte Platz für noch mehr als drei Rugby-Klubs“, sagt etwa MRFC-Präsident Helmut Kraiger. Stusta-Manager Henner Paskarbies hält eine „Verbreitung von Rugby für durchweg produktiv“. Ein neuer Verein sei das Beste, was dem Sport passieren könne. Die Stusta habe zuletzt Probleme gehabt, das Training aufgrund des immensen Zulaufs (teilweise seien bis zu 70 Spieler bei den Übungseinheiten gewesen) effektiv zu gestalten.

Wenn die Vereinsverantwortlichen darauf angesprochen werden, was für sie die Faszination an der Sportart Rugby ausmacht, kommt eine Antwort immer: „Das Teamgefüge. Es geht nur im Kollektiv, ein Einzelner alleine kann überhaupt nichts ausrichten“, sagt Paskarbies stellvertretend für Unfried und Kraiger, „das macht sportlich einen großen Reiz aus, vor allem aber auch sozial.“ Für Kraiger sind außerdem die Werte ausschlaggebend, „Ehrlichkeit, Respekt gegenüber den Regeln, den Gegnern und dem Schiedsrichter“ – nur dem Kapitän einer Mannschaft ist es während eines Spiels erlaubt, mit dem Unparteiischen zu sprechen. Diese Regel wird (anders als beim Fußball) strikt eingehalten. Um es mit einem unter Rugby-Spielern beliebten Sprichwort auszudrücken: „Rugby – ein Sport für Raufbolde, gespielt von Gentlemen.“ Und das jetzt auch in Unterföhring.

So funktioniert Rugby

In der gängigsten Variante stehen pro Team 15 Spieler auf dem Feld (die Version mit sieben Akteuren ist ab 2016 olympisch). Ziel ist es, den ovalen Ball in der Endzone („Malfeld“) des Gegners abzulegen. Dafür gibt es fünf Punkte. Per Kick durch die Stangen kann dann um zwei weitere Zähler erhöht werden. Strafkicks oder „Dropkicks“ aus dem laufenden Spiel geben drei Punkte. Der Ball darf nur nach hinten gepasst werden, so dass schnelle Spielzüge gebraucht werden, um nach vorne zu kommen. Die verteidigenden Spieler versuchen, den ballführenden Gegner auf den Boden zu bekommen („Tackle“). Dabei darf der Gegner nur unterhalb der Schultern attackiert werden. Einzige vorgeschriebene Schutzkleidung ist ein Beißschutz – das unterscheidet Rugby grundlegend vom American Football, wo die Spieler Helme und weiteren Schutz tragen und der Ball nach vorne geworfen wird. Beim Rugby kommt außerdem Spielfluss zustande, da der Schiedsrichter nur bei Strafvergehen unterbricht.

Von Jan Lüdeke

Artikel vom 19.07.2012
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