„Aufbruch” heißt das Motto für Kirche und Software-Business

Die 1. Moosacher „Software-Gespräche”

Das Buffet war gut. Die Musik war klasse. Die Diskussionen waren spannend. Der Ort war ungewohnt und fremd. Software-Experten und Firmengründer kamen zur Heilig-Geist-Kirche - das ist normalerweise nicht vorgesehen.

„Moosacher Software-Gespräche“ heißt das Experiment, das die Firma F.A.S.T. mit dem „Sozial-Religiösen Zentrum“ in Moosach angepackt hat. Ausgangspunkt dafür war die Frage, ob Computerfirmen und „Kirche“ gemeinsame Fragen oder Themen hätten. So entstand die Idee, Leute zusammenzubringen, die darüber nachdenken und diskutieren würden. „Software und Ethik“ - was ist gut, was ist schlecht in den rasanten Entwicklungen im Software-Business? - darum müßte es gehen. Aber: Kommt deswegen ein Software-Manager freiwillig zur „Kirche“?

Speziell in Moosach gibt es zwischen „Kirche“ und Computer-Firmen durchaus etwas Gemeinsames: „Aufbruch“. Der findet statt im neu eröffneten SoftwareCampus beim Wasserwirtschaftsamt und auch in der evangelischen Gemeinde in Moosach. Der Verein für Soziale Aufgaben in der Heilig-Geist-Kirchengemeinde kann bald - nach jahrelangen Kämpfen und Anstrengungen - seine neue Sozialstation auf dem Kirchengelände eröffnen.

„Dieses neue Haus bedeutet mehr als Weitermachen wie bisher, nur mit besseren Arbeitsbedingungen. Es steht für Aufbruch. Der ist für uns im sozialen Bereich genau so nötig wie in der Wirtschaft.“ erklärt Michael Assauer, der erfahrene Geschäftsführer des Sozialvereins. Nach zwei Vorträgen im Software-Campus zu Fachthemen war für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den „Moosacher Software-Gesprächen” ein Ortswechsel angesagt: Weiter ging es in echtem Aufbruch-Ambiente, das die noch unmöblierten Räume der Sozialstation bei der Heilig-Geist-Kirche ausstrahlten.

Dr. Greiner von der Evangelischen Akademie Tutzing (da diskutieren sonst Minister und bundesweit anerkannte Experten über gesamtgesellschaftliche Fragen) ließ es sich nicht nehmen, den letzten Vortrag zu halten. „Der sorgte für Diskussionsstoff. Die Fragen und Meinungen kamen klar auf den Tisch. Und genau das war gut. Solche Diskussionen hat man nicht jeden Tag!“ freute sich Prof. Dr. Rudolf Haggenmüller von der Firma F.A.S.T., einer der entscheidenden Initiatoren der „Moosacher Software Gespräche“.

Dass man eine Software-Firma erfolgreich führen könne, ohne sich mit ethischen oder gar religiösen Fragen beschäftigen zu müssen, war ein Standpunkt in der Diskussion. Spannend: Die Entgegnung, dass nicht wenige wirtschaftliche Entscheidungen ganz klar ethische Auswirkungen hätten. Was ist besser für die Menschen: Indische Software-Experten nach Deutschland zu importieren - oder für sie in Indien Arbeitsbedingungen zu schaffen, damit sie dort für eine deutsche Firma arbeiten? Finanziell macht das für die Firma heute kaum einen Unterschied. Nachdenkliche Stimmung, als es um die „soft factors“ ging - also: wie Menschen mit den harten Anforderun-gen im Software-Business zurechtkommen. „Schnell“, „jung“, „flexibel“ und „erfolgreich“ sind dort Zauberworte, die alle beherrschen. Da bleiben menschliche Beziehungen auf der Strecke. Und irgendwann ist das in der Firma zu spüren, auch finanziell.

Was heißt denn „Erfolg“? Eine Firma hochzuziehen, sie nach sieben Jahren für etliche Millionen zu verkaufen und die nächste Firma groß zu machen? Kennt die „new economy“ eigentlich noch den ethischen Wert, in guten und in schlechten Zeiten über Jahrzehnte hin Verantwortung durchzuhalten? Was meinen wir eigentlich, wenn wir „Erfolg“ sagen?

Obwohl die vorgesehene Zeit längst überschritten war, ging die Diskussion weiter: in kleinen Gruppen, die sich spontan im Innenhof der Heilig-Geist-Kirche bei Bier, Wein und Baguette-Sandwitsches bildeten. Die Kirchentüren waren offen. Keiner ging rein. Aber die Klänge der Orgel kamen nach draußen. Und Software-Manager, mit der Zigarette in der einen Hand und dem Weinglas in der anderen, unterbrachen ihre Diskussion und sagten: „Hört doch mal! Das klingt großartig; das ist wunderbar!“ „Genau das wollten wir rüberbringen“, sagte Gerhard Rupprecht, Pfarrer der Heilig-Geist-Kirche. „Leben ist nicht nur kalkulieren und managen. Leben ist auch: spüren, zulassen, sensibel sein für die verschiedenen Bereiche, die zu uns gehören - die Seele und die Dimension Religiosität. Klänge können da manchmal mehr bewegen als Worte. Für diese Dimension sind wir da. Und mit unserem Sozialverein sind wir für die konkreten Probleme und Nöte der Menschen in Moosach da. Diese Partnerschaft, das Sozial-Religiöse Zentrum, ist ein Standortfaktor für Lebensqualität in Moosach. Langfristig kann das auch den Wirtschaftsunternehmen nicht egal sein.“

Ein Standortfaktor für Lebensqualität ... das Saxophon-Piano-Duo spielt Duke Ellington und Musical-Melodien - Applaus nach jedem Stück. Die Diskussionen an den BistroTischen gehen weiter - entspannt.

„Wir setzen die Moosacher Software-Gespräche fort!“ - nach diesem Tag ist für Prof. Haggenmüller klar: Auf den ersten Schritt müssen weitere folgen. Die Diskussion darüber, wie viel die Wirtschaft mit Ethik zu tun hat, muß weiter geführt werden - in Moosach. Und das Sozial-Religiöse Zentrum Moosach ist dabei. (Pfarrer Gerhard Rupprecht)

Artikel vom 03.08.2000
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