Straßensanierung soll einzelne Anwohner bis zu 90.000 Euro kosten

Hetzenhausen/Neu­fahrn · Goldenes Pflaster

»Wir wissen, dass man an der Straße etwas tun muss, sind aber nicht bereit, den Haushalt der Gemeinde zu sanieren«, sagen die Anwohner.	Foto: bb

»Wir wissen, dass man an der Straße etwas tun muss, sind aber nicht bereit, den Haushalt der Gemeinde zu sanieren«, sagen die Anwohner. Foto: bb

Hetzenhausen/Neu­fahrn · Schon vor drei Jahren hatte Bürgermeister Rainer Schneider den Bürgern im Ortsteil Hetzenhausen und seinen 140 Haushalten angekündigt, dass eine Straßensanierung ansteht. An dieser würden die Anlieger finanziell beteiligt werden. Nun ist es so weit! Aber es sollen nicht nur die Straßen saniert, sondern gleichzeitig auch eine Entwässerung gebaut und damit die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie gesichert werden.

Das Gesamtvolumen von Straßenbau und Entwässerung beträgt rund zwei Millionen Euro. Angesicht des chronisch leeren Neufahrner Stadtsäckels wird das auch für die Hetzenhausener teuer. Bei einzelnen Anliegern kann diese »Beteiligung« an neuer Straße und Kanalisation bis zu 90.000 Euro betragen. »Woher sollen wir das Geld nehmen?«, fragen sich die betroffenen Bürger. Sie fühlen sich in ihrer Existenz bedroht – und sind sehr verärgert über die vermeintliche Willkür und Überheblichkeit der Gemeinde. Bis auf den letzten Stuhl besetzt war der Nebenraum im »Hofmeier«, als es bei Bürgerversammlung um die Vorstellung des Straßen- und Entwässerungsplans ging.

»Hetzenhausen ist ein schönes Dorf«, so Bürgermeister Rainer Schneider, »wir haben unsere Planung auch danach ausgerichtet, diesen Dorf-Charakter zu erhalten.« An diese Vorgabe hielt sich Landschaftsarchitektin Barbara Baumann und zeigte ihre Vorstellungen bezüglich der Errichtung und Gestaltung von Gehwegen, verschiedenen Arten der Pflasterung und Fahrbahnmarkierung, Maßnahmen zur Reduzierung der Geschwindigkeit aus Rücksicht auf die Kinder. Alles schön und gut, meinten die Bürger der kleinen Ortschaft, die nördlich von Neufahrn direkt an A 9 liegt. »Aber reicht denn eine bloße Neu-Teerung der Straßen nicht auch aus?«, fragte eine »Ur-Einwohnerin« von Hetzenhausen. Dies verneinte Schneider und verwies darauf, dass eine umfassende Straßensanierung nötig sei, da sowohl die Straßendecke als auch der Unterbau nicht tragfähig und frostsicher sind. Zudem mache der extrem lehmige Boden eine Versickerung unmöglich, das Regenwasser müsse in einen Kanal eingeleitet werden, wie es die EU-Wasserrahmenrichtlinie vorschreibt.

Gemäß den Regelungen des Straßenausbaurechtes werden diese Kosten auf die Anlieger umgelegt, »Bewohner an der Hauptstraße und des Kerngebietes trifft es mit rund 30 Prozent Beteiligung, Anlieger von Seitenarmen mit 80 Prozent«, so Judith Knerich, die im Neufahrner Rathaus verantwortlich für die Abrechnung des Projekts ist. Sie hat für jeden einzelnen Hetzenhausener nun berechnet, welche Kosten auf ihn zukommen. Dabei ergaben sich für einige Summen in Höhe von bis zu 90.000 Euro. Bei der Umlegung sei allein die Größe und Nutzung der Fläche maßgeblich, betonte Schneider und ergänzte: »Wer viel bezahlen muss, der hat ja dann auch viel Nutzen. Die Belastung und der Erlös sind ausgewogen. Ich verstehe aber selbstverständlich, dass das für den Einzelnen sehr viel Geld bedeutet.« Hätte die Gemeinde Geld in der Kasse, dann könnte sie die Teerung auch aus eigener Tasche bezahlen, »aber wir haben eben kein Geld«, bedauerte Schneider. Allerdings räumte er für jeden Betroffenen die Möglichkeit ein, dass er schriftlich auf eine Bebauung verzichtet. Somit würden die Erschließungskosten zinslos gestundet. »Wer dann doch noch irgendwann bauen will, bezahlt eben später«, so Schneider. Neufahrn sei nicht in der Lage, wie die Nachbargemeinde Hallbergmoos, die aufgrund ihrer sehr guten Finanzkraft gerade erst die Straßenausbaubeitragssatzung außer Kraft setzte, dies ebenfalls zu tun. Auch die Neufahrner CSU hat sich in das Thema in Form einer Bürgerversammlung eingebracht. Sie möchte in den kommenden Wochen verschiedene Neufahrner Ortsteile besuchen und sich nach dem Motto »wo drückt der Schuh« vor Ort informieren. »Mir liegen die Ortsteile und vor allem das schöne Hetzenhausen sehr am Herzen und deshalb sind wir hier«, so Ortsvorsitzender Oskar Dernitzky. »Wir sind aber nicht bereit, den Haushalt der Gemeinde Neufahrn zu sanieren«, monierten die Hetzenhausener.

Sanierung zum Teil gar nicht nötig?

»Selbstverständlich ist uns klar, dass wir für die Straßen etwas bezahlen müssen, aber doch nicht in dieser Höhe«, so Claudia Steiger, die als Anwohnerin der Fürholzer Straße/Am Winkelfeld von dem Höchstsatz betroffen und nach eigenen Worten »erstmal erschlagen« ist. Die beiden Familien Then und Oswald werden die kompletten Kosten der Fürholzer Straße gar zu 60 Prozent tragen. »Wir können und das nicht leisten!«, stimmt Sandra Then zu. Grundsätzlich zweifeln die Anwohner daran, ob denn die Maßnahmen überhaupt sein müssen. Sie sind davon überzeugt, dass der Abwasserkanal nicht so kaputt ist, wie die Gemeinde behauptet. »Wenn das Bauamt sagt, der Kanal ist komplett kaputt oder zubetoniert, stimmt das einfach nicht. An der angeblich verschlossenen Stelle haben wir 10.000 Liter Wasser durchgeschickt, die waren in 4,2 Minuten durch, also kann der Kanal nicht dicht sein.« Auch die Befahrung mit einer Minikamera habe gezeigt, dass sich der Kanal vielleicht in einigen Bereichen abgesenkt hätte, trotzdem aber noch intakt sei. Auch brauche man keine Straßensanierung, die für die nächsten 50 Jahre hält. »Uns genügt, wenn man die oberste Schicht abfräst, asphaltiert und dann alles wieder für 15 Jahre in Ordnung ist«, so Johann Oswald.

Und für reine Optik wollen die Anwohner schon gar nicht ihren Geldbeutel aufmachen. So stießen auch die Planungen von Landschaftsarchitektin Baumann auf erbitterten Widerspruch. »Die will meinen alten Apfelbaum rausreißen und durch einen Birnbaum ein paar Meter weiter ersetzten, das ist doch lächerlich«, schimpfte eine ältere Dame. Granitsteineinfassungen, Rasengittersteine, Erhöhungen und Absenkungen, Markierungen – das sei »unnötig wie ein Kropf«. Die Planungen seien mit Sicherheit schön und attraktiv, »aber es ist immer noch so: Wer zahlt, schafft an!« Den geplanten Gehweg an der Kirchstraße lehnen die Hetzenhausener völlig ab: »Wir hatten noch nie einen und brauchen auch jetzt keinen.« Und da dieser Grundstücke durchschneidet, die der Gemeinde nicht gehören, lasse sich diese Maßnahme sowieso nicht durchsetzen. »Ich verkaufe meinen Grund auf keinen Fall«, sagt der betroffene Anwohner Günther Kratzl.

Bürger fühlen sich unfair behandelt

Entrüstet sind die Hetzenhausener auch darüber, wie mit ihnen umgesprungen wird. Die Äußerung aus dem Bauamt »wer nicht bezahlen kann, der muss halt Grund verkaufen« wollen viele gehört haben. Das wird allerdings vonseiten der Verwaltung vehement bestritten. »Diese Äußerung fiel in einem Fernsehbetrag von einem dort interviewten Bürgermeister einer anderen Gemeinde. Eine solche Behauptung uns zu unterstellen, ist eine glatte Lüge«, so Bauamtsleiter Michael Schöfer. In sieben Abendveranstaltungen habe er mit den Anliegern zahlreiche Details durchgesprochen, damit die am leichtesten zu verschmerzende Lösung für die Betroffenen herauskommt. Wenn es um das liebe Geld geht, dann scheiden sich aber die Geister und erhitzen sich die Gemüter. Ortssprecher Ziegltrum ist sich sicher: »Es wird bestimmt nochmals eine Bürgerversammlung geben müssen.« bb

Artikel vom 10.07.2012
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