Olympiadörfler feiern das 40. Jubiläum des Mini-Stadtteils

Olympiadorf · Alles, was man braucht

Vor 40 Jahren war Pfarrer Karlheinz Summerer im Olympiadorf noch ganz allein, inzwischen hat er viele Nachbarn, die sich in den terassenförmigen Wohnhäusern wohlfühlen.	Fotos: ws

Vor 40 Jahren war Pfarrer Karlheinz Summerer im Olympiadorf noch ganz allein, inzwischen hat er viele Nachbarn, die sich in den terassenförmigen Wohnhäusern wohlfühlen. Fotos: ws

Olympiadorf · 1972 hat hier Mark Spitz gewohnt und mit ihm 12.000 Sportler aus aller Welt. Heute leben im Olympischen Dorf mit seinen terrassenförmig angelegten Häusern rund 6.800 Menschen, davon 1.800 Studenten.

Dieser »weltweit einmalige Wohnort« feiert sein 40-jähriges Bestehen mit einem großen Jubiläumsfest am Samstag, 14. Juli, von 10 bis 22 Uhr in der Ladenstraße des Olympiadorfes. Karlheinz Summerer, 30 Jahre lang katholischer Pfarrer im Kirchenzentrum, war der allererste Bewohner. Er zog genau am 24. Februar 1972 ins Pfarrhaus im Dorf ein. Ein halbes Jahr später begannen die Spiele, »es war herrlich, eine tolle Stimmung.« Dann das Olympia-Attentat in nächster Nähe, in der Connollystraße im Olympischen Dorf, ein paar Tage später endeten die Spiele und die Sportler zogen aus. »Danach war es furchtbar«, erinnert sich der heute 78-jährige Theologe. Das Attentat habe sehr auf die Stimmung gedrückt und das Dorf sei menschenleer gewesen, bis auf die katholischen und evangelischen Kirchenleute und die Hausmeister.

Als erstes zogen die Studenten im Herbst 1972 zum bevorstehenden Wintersemester ein: 900 in die Bungalows und 900 in das nahe Hochhaus. Im Februar und März 1973 kamen die wagemutigen Erstbezieher der Anlage mit ihren 3.300 Wohnungen. Renate Zimmermann zog 1974 ein. »Wir waren immer froh, wenn in einer Wohnung Licht angegangen ist. Dann war wieder jemand da.« Das Dorf habe sich sukzessive gefüllt. Die Fluktuation sei groß gewesen, »für viele Bewohner war es nur ein Zwischenaufenthalt«, erinnert sich Zimmermann. Das habe sich aber längst geändert, entgegnet Gabriele Tomsche, »heute bleiben viele Dorfbewohner hier.«

Sie und ihr Mann kamen zehn Jahre nach den Spielen, Anfang der 80er-Jahre. »Im Vorfeld haben wir es als anonym empfunden und als sehr kühl, wegen der Betonbauten.« Doch das habe sich schlagartig geändert, als sie zum ersten Mal ihre Wohnung an der Nadistraße betraten. »Als wir die Lichtfülle und die Großzügigkeit der Wohnung sahen, waren wir überzeugt.« Durch die kurzen Wege gebe es gute Kontakte, »die Dörfler reden miteinander« und »das Zusammenwirken der Generationen ist eine wunderbare Sache«, freut sich Tomsche.

Henrik Vej-Nielsen, der seit 2005 hier mit seiner Familie und seiner Tochter Maren wohnt, möchte, dass »die Altersstruktur im Dorf in einer gesunden Balance bleibt.« Dass viele Kinder da sind, empfindet auch Pfarrer Summerer als wichtig. Unter den ersten war Leo Meyer-Giesow, er zog 1975 mit den Eltern als Fünfjähriger ein: »Ich habe den Nadisee gesehen und wollte hier einziehen.« An dem kleinen künstlichen See in der Grünanlage zwischen Connolly- und Nadistraße habe er als Junge »wunderbare Sandburgen bauen können, besser als an der Nordsee«. Schließlich gebe es dort am Strand Ebbe und Flut. Auf ihn als Kind habe das Olympische Dorf anfangs wie eine »Betonburg« gewirkt, erzählt Meyer-Giesow.

Doch nun lebe man hier mitten im Grünen, noch dazu autofrei, der ganze Straßenverkehr verläuft unterirdisch. Das empfinden viele Bewohner auch als ein ganz großes Plus. »Ich muss beim Spielen und Toben nicht immer auf die Autos aufpassen«, freut sich die zwölfjährige Maren Vej-Nielsen. Sie lebe in München und wachse doch wie in einem kleinen Dorf auf. Und dieses Dorf hat noch dazu die U-Bahn vor der Haustüre, Maren fährt mit der U 3 ins Oskar-von-Miller-Gymnasium. Zuvor besuchte sie die Nadischule im Olympischen Dorf, die Grundschule an der Nadistraße: »Mein Schulweg war ganz kurz und autofrei.« »Manche Kinder«, ergänzt Erich Tomsche, »fahren hier sogar mit dem Aufzug in die Schule.« Dass alles, was zum Leben notwendig ist, in nächster Nähe liegt, das schätzen viele Dorfbewohner: Kindergarten, Spielplätze, Schule, Kirchen, Kinderkino, Musik, Theater, Sportvereine, Nahversorgung in der Ladenstraße, Ärzte – und natürlich der Olympiapark mit seinen vielen Freizeit- und Sportmöglichkeiten. »Ich hätte es nie geschafft, ohne Auto die vielen Chauffeurdienste für meine vier Kinder zu erledigen«, berichtet eine 49-jährige Mutter. »Das Dorf bietet mehr als jeder andere Stadtteil Münchens«, schwärmt Manuela Feese-Zolotnitski, die Vorsitzende der Einwohner-Interessen-Gemeinschaft Olympisches Dorf e.V. Einziges Manko, es gebe leider keine italienische Eisdiele, die würde sicher ein weiterer Treffpunkt für Jung und Alt werden.

Jeder kommt gut mit dem Nachbarn aus

Die »Olympiadörfler« kämen aus 64 Ländern, »das friedliche Miteinander genießt einen hohen Stellenwert im Dorf«, sagt Feese-Zolotnitski. Hier sind sich die Leute grün, ganz egal, ob sie in der CSU, SPD oder ÖDP sind. Politische Debatten führen Gabriele und Erich Tomsche (CSU), Henrik Vej-Nielsen (SPD) und Leo Meyer-Giesow (ÖDP) lieber im Bezirksausschuss Milbertshofen-Am Hart, in dem sie allesamt sitzen, als in »ihrem« Dorf.

Die Bewohner hatten in den vergangenen Jahren aber auch große Herausforderungen zu bewältigen, wie die Sanierung der Wege und der undichten Bauwerke über den unterirdischen Straßen. Das dauerte lang, war aufwendig und sorgte zum Teil für Streit unter den Bewohnern. Zusammengeschweißt hat sie alle hingegen die Stadionfrage. Vor dem Bau der Fröttmaninger Arena war erwogen worden, das neue Fußballstadion auf dem nahen ZHS-Gelände an der Landshuter Allee zu errichten. »Da waren wir stocknarrisch. Das wäre tödlich gewesen«, sagt der ehemalige Olympiapfarrer Summerer, der jetzt in einer Privatwohnung im Olympischen Dorf lebt. Wally Schmidt

Artikel vom 19.06.2012
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