Im Kulturhaus Milbertshofen erzählen Migranten ihre Geschichte

Milbertshofen/Hasen­bergl · Münchner aus aller Welt

Viele, die jetzt im Norden Münchens wohnen, mussten ihre Familie im fernen Ausland zurücklassen. 	Foto: VA

Viele, die jetzt im Norden Münchens wohnen, mussten ihre Familie im fernen Ausland zurücklassen. Foto: VA

Milbertshofen/Hasen­bergl · In den Stadtbezirken Milbertshofen-Am Hart und Feldmoching-Hasenbergl wohnen seit jeher viele Migranten. Einige erzählen bei der Ausstellung »Spurensuche« im Kulturhaus Milbertshofen ihre Geschichte. Sie reflektiert auch die Integration in der neuen Heimat.

Vernissage ist am Freitag, 22. Juni, um 17 Uhr. Die Ausstellung läuft bis Ende September. »Es sind sehr persönliche Geschichten, das ist das Schöne«, sagt Mitveranstalterin Hermine Kirchner, Leiterin der pro familia Außenstelle Hasenbergl. Im Sommer 2008 war dort gemeinsam mit der städtischen Gesundheitsberatung am Hasenbergl eine interkulturelle Frauengruppe aus Müttern und Großmüttern entstanden. Sie treffen sich seitdem regelmäßig. Um diesen Frauen eine »öffentliche Stimme« zu geben, wurden sie interviewt.

Sie haben ihre Lebens- und Migrationsgeschichte erzählt und dazu auch Fotos mitgebracht. Die Frauen sind zwischen 19 und fast 90 und kommen aus der Türkei, aus Griechenland, Afghanistan, Russland, Polen und der Ukraine. Viele leben seit 15 bis 20 Jahren hier. Wie etwa eine aus Ankara stammende Frau. Sie habe sich dort in ihren Mann verliebt, als er zu Besuch in der Türkei war. Schon damals habe er in Deutschland gelebt und gearbeitet. Nach der Hochzeit sei sie gleich mit ihm in das neue Land mitgegangen. »Die ersten Jahre hatte ich großes Heimweh und habe viel geweint.« Früher seien sie jedes Jahr in den Ferien in die Türkei gefahren, »jetzt fahren wir nur noch alle drei Jahre.« Inzwischen hat sich die 38-Jährige mit ihrem Mann und ihren vier Kindern eingelebt. »In Deutschland fühle ich mich zu Hause. Aber die Liebe zu meinem Heimatland Türkei bleibt.«

Eine aus Afghanistan stammende Frau hat ein schweres Schicksal hinter sich. Sie habe in jungen Jahren in Kabul als Lehrerin Erwachsenen Schreiben und Rechnen beigebracht und sei vermutlich deshalb festgenommen worden. Im Gefängnis »musste ich vier Tage lang bis zur Brust im Wasser stehen. Da meine Mutter für mich Geld hinterlegte, entließ man mich.« Zu jener Zeit seien die Mudschaheddin an der Regierung gewesen, berichtet die heute 54-Jährige. Mit 17 sei sie von Kabul nach Indien geflüchtet und schließlich in München gelandet. Sie habe bald Arbeit bekommen, einen Pakistani geheiratet und habe mit ihm zwei Kinder, sie sind heute groß. »Erst nach der Hochzeit erfuhr ich, dass mein Mann in Pakistan bereits eine Ehefrau hat.« Ihr Mann überweise dieser Frau bis heute jeden Monat Geld. Sie selbst habe vor zehn Jahren einen Schlaganfall bekommen und seit dem lebe sie von ihrer Rente. »Mein Mann bezahlt nur die Miete. Er ist mit viel Geld nach Afghanistan gegangen. Wenn er zurückkommt, möchte ich die Scheidung einreichen«, beschreibt sie ihre Pläne.

Die Erlebnisse der Frauen würden durch die Ausstellung nun öffentlich und trügen so zur Stadtteilgeschichte bei, sagt Mit-Organisatorin Kirchner. Trotzdem bleiben alle Teilnehmerinnen auf Wunsch anonym. Die Texte lassen sich auch nicht den Fotos zuordnen. Die interkulturelle Gruppe aus gut 20 Migrantinnen trifft sich seit vier Jahren im Gruppenraum der Beratungsstelle pro familia Hasenbergl und der städtischen Gesundheitsberatung am Hasenbergl. Beide Einrichtungen sind an der Wintersteinstraße nebeneinander angesiedelt und veranstalten gemeinsam die Ausstellung »Spurensuche – Fotos und Geschichten«.

Im Kulturhaus Milbertshofen ist man vorab begeistert: »Wir begeben uns mit unseren Projekten ja immer wieder auf Spurensuche ins Viertel. Insofern passt diese Ausstellung mit den Lebensgeschichten von Frauen, die im Münchner Norden Heimat gefunden haben, wunderbar ins Kulturhaus Milbertshofen«, sagt Tatiana Hänert, eine der beiden Geschäftsführerinnen.

»In den letzten 50 Jahren sind 7,5 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund nach Deutschland gekommen«, steht im Einladungstext für die Vernissage zur Ausstellung. Und weiter: »Die Stadtbezirke 11 Milbertshofen-Am Hart und 24 Feldmoching-Hasenbergl gehörten zu jenen Vierteln in München, in denen viele Migrantinnen und Migranten leben.« Die Ausstellung »Spurensuche – Fotos und Geschichten« wird am Freitag, 22. Juni, um 17 Uhr im Kulturhaus Milbertshofen, Curt-Mezger-Platz 1, eröffnet. Stadträtin Monika Renner (SPD) spricht ein Grußwort. Die Ausstellung dauert bis Ende September. Der Eintritt ist frei. Geöffnet ist täglich außer montags von 12 bis 18 Uhr, allerdings ist das Kulturhaus zu seiner Sommerpause vom 1. bis 31. August geschlossen. Zur »Spurensuche« wird es auch ein interkulturelles Frauenfrühstück am Sonntag, 24. Juni, um 10 Uhr geben. Wally Schmidt

Artikel vom 12.06.2012
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