Wiener Architekten fordern neue Ausschreibung des Garchinger Großprojekts

Garching · »Neue Mitte« in Gefahr?

So soll Garchings »neue Mitte« einmal aussehen. Wenn streitende Architekten das 100-Millionen-Euro-Projekt nicht doch noch umwerfen.	Grafik: Nickl & Partner

So soll Garchings »neue Mitte« einmal aussehen. Wenn streitende Architekten das 100-Millionen-Euro-Projekt nicht doch noch umwerfen. Grafik: Nickl & Partner

Garching · »Ausgesprochen schäbig und feige« bezeichnet Stefan Handke, Geschäftsführer der »Neue Mitte Projektgesellschaft«, das Vorgehen des österreichischen Architekturbüros Ornter + Ortner aus Wien. Über einen Münchner Anwalt wollen die Architekten das Campus-Projekt »Galileo« erneut vor Gerichten prüfen lassen.

Hans Georg Neumeier, Anwalt der Österreicher, will mittels eines Nachprüfungsverfahrens eine öffentliche europaweite Ausschreibung erreichen, »damit auch diejenigen teilhaben können, die von der Vergabe des Projekts nichts wussten.« Handke jedoch bleibt gelassen: »Hier geht es um die Fortführung eines alten Themas. Ortner + Ortner hat sich vor den Karren des befreundeten Architektenbüros Auer + Weber spannen lassen, das zwar die Ausschreibung gewonnen hat, den Auftrag jedoch nach Nachbesserungen an den zweitplatzierten Nickl & Partner verloren hat«, glaubt Handke. »Galileo« (Garching, Living, Learning und Offices) ist im Garchinger Forschungscampus die wichtigste Infrastruktur-Entscheidung seit dem U-Bahn-Bau: Geplant ist eine »Neue Mitte«, die sich als Nord-Süd-Achse mit vielen Ost-West-Passagen durch das Herz des Campus zieht. So soll die Verbindung zwischen Studium, Arbeit, Wissenschaft und Forschung mit Kultur, Sport und Freizeit hergestellt und somit ein lebendiges Zentrum entstehen. Auf 32.700 Quadratmetern Fläche soll hier ein Kongresszentrum mit einem Audimax für maximal 1.750 Personen (das aufgrund seiner Abdunkelmöglichkeiten auch als Kinosaal genutzt werden kann), Tagungs- und Seminarräumen für 15 bis 300 Personen, ein Hotel und Gästehaus, Büroräume, Gastronomie und kleine Läden gebaut werden. Das Projekt hat ein Volumen von rund 100 Millionen Euro, die Planungsleistungen liegen bei rund 2 Millionen, was das Projekt – neben dem Imagegewinn – auch finanziell für die Architekten begehrt macht.

Nachdem im Jahr 2008 der Freistaat Bayern das Gelände nach einer europaweiten Ausschreibung dem Trio Pöttinger, Lindner und MoTo in Erbpacht auf 50 Jahre überlassen hatte, kam es im vergangenen Jahr zu einem Architekten-Einladungswettbewerb. Zehn Büros wurden vom Projektmanagement »Neue Mitte Garching« gemeinsam mit dem Staatlichen Bauamt ausgewählt. Als erster Preisträger wurde im August 2011 das Büro »Auer + Weber + Assoziierte« aus München verkündet, den zweiten Platz belegte »Nickl & Partner«. Bereits kurz nach Abschluss des Wettbewerbes stellte sich allerdings heraus, dass der Beitrag der Sieger aus statischer Sicht Umplanungen erforderte. Um Auer + Weber die Chance auf den Planungsauftrag zu erhalten, bekamen die beiden Preisträger die Gelegenheit, ihre Beiträge nach einheitlichen Vorgaben zu überarbeiten und zu optimieren. Anschließend wurden beide Beiträge nach denselben Kriterien wie im Wettbewerb bewertet. Bei der anschließenden Beurteilung schnitt Nickl & Partner deutlich besser ab, als der Vorschlag von Auer + Weber, vor allem, da letztere eine Konstruktion vorschlugen, die dem durch den Erbbaurechtsvertrag geforderten Stahlbetonskelett widersprach. »Darüber hinaus konnte Auer + Weber keines der neun Kriterien für sich entscheiden«, fügt Handke an. Demnach ging der Planungsauftrag an Nickl & Partner. Auer + Weber reagierte mit einer Beschwerde in Form eines Nachprüfungsverfahrens am Münchner Oberlandesgericht (OLG), wonach das Verfahren nicht transparent gewesen sei und überhaupt öffentlich ausgeschrieben hätte werden müssen. Diesen Vorwürfen widersprach zwar das OLG im April, nun strebt aber das österreichische Büro Ortner + Ortner ein Nachprüfungsverfahren an.

Das Ziel ist eine erneute Ausschreibung der Planungsleistungen sowie den Vertrag mit Nickl & Partner für nichtig zu erklären. In der Begründung des Antrags heißt es, dass Ortner + Ortner keine Kenntnis vom Wettbewerb gehabt hätten, da dieser nicht öffentlich ausgeschrieben worden sei. »Das ist schlichtweg eine Lüge«, so Handke, der diese Behauptung durch einen E-Mail-Schriftverkehr aus dem Jahr 2010 widerlegen kann. »Zudem kam es zu einem persönlichen Treffen in Berlin«, verteidigt sich Handke. »Dass die Österreicher also nichts gewusst hätten, stimmt einfach nicht.« Der ursprüngliche Gewinner könne sich einfach nicht damit abfinden, doch »nur Zweiter« geworden zu sein. Auch Gerhard Eckl, Vorstand von Nickl & Partner, ist fassungslos. »Es ist absolut üblich, dass man als Architekturbüro aufgefordert wird, seine Entwürfe zu überarbeiten und danach dann ein anderer Preisträger den Auftrag bekommt. Das ist nichts Ungewöhnliches. Was hier jetzt abläuft, so etwas macht man unter Kollegen nicht. Das hat etwas mit Moral zu tun«, schimpft Eckl. In seinen Augen handle es sich hier um den Versuch, wissentlich ein für München und Garching wichtiges Projekt kaputt zu machen. »Ich sehe momentan keinen Hindernisgrund so weiter zu machen, wie bisher. Der Vertrag mit Nickl gilt für uns, denn wir haben uns an die Vergabevorgaben des Freistaats, die übrigens intensiv mit der bayerischen Architektenkammer vorbereitet wurden, gehalten«, gibt sich Handke sicher, das Projekt wie geplant umsetzen zu können. Sein anwaltlicher Vertreter habe der Vergabekammer Südbayerns einen 38-seitigen Antrag vorgelegt mit dem Ziel, das Nachprüfungsverfahren auszusetzen, und grundsätzliche Fragen der Vergabeverordnung vom europäischen Gerichtshof klären zu lassen. »Wir machen weiter wie geplant. Noch in diesem Jahr legen wir den Grundstein«, betont Handke. bb

Artikel vom 05.06.2012
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