Komische Unterhaltung aus München hat viele Gesichter

München · Wo die Gaudi keimt

Philipp Walulis' Stern steigt steil: Der 31-jährige Münchner wurde für seine TV-Satire mit dem Grimme-Preis geehrt. Foto: Gert Krautbauer

Philipp Walulis' Stern steigt steil: Der 31-jährige Münchner wurde für seine TV-Satire mit dem Grimme-Preis geehrt. Foto: Gert Krautbauer

München · München wird dem Beobachter deutscher Unterhaltungskunst nicht als Hochburg in den Sinn kommen, zu übermächtig ist die massentaugliche Comedy aus Städten wie Berlin mit einem Mario Barth, der ganze Stadien füllt, oder Köln, dessen lustig gemeinte TV-Shows große Teile des deutschen Fernsehprogramms für sich beanspruchen dürfen.

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Dabei hat München eine große Tradition in der Komik, die allerdings allzu häufig die Nische und die Tiefe suchte und sucht. Sie reicht zurück bis zu einem Karl Valentin, der heute als Genie gelten darf, obwohl Zeit seines Lebens der ganz große Erfolg ausblieb, gleichzeitig aber sogar internationale Größen wie Andy Warhol oder Samuel Beckett („Warten auf Godot“) nachweislich mit seinen Werken beeindruckte und beeinflusste. Neuere Münchner Legenden wie die Polts und Hildebrandts leiden nun nicht unter offensichtlicher Erfolglosigkeit, trotzdem ist auch ihr Ansinnen nie gewesen, die breite Masse zu treffen. Der Fokus liegt auf dem Kleinen, Feinen.

Auch Christian Udes Nische kann man getrost als besonders betrachten, wenn auch seine kabarettistische Kraft der seines Hauptberufs unterliegt. Einen Politiker, der fähig ist, die Politik aufs Korn zu nehmen und sie trotzdem nach allen Regeln betreibt, den findet man kaum ein zweites Mal im Land. Dass er damit ganze Stadien füllt: kein Drandenken. Michael Mittermeier mag hier derzeit eine der wenigen Ausnahmen bilden, ausverkaufte große Hallen im ganzen Land gehören bei ihm zum Alltag. Doch auch er nutzt zur rechten Zeit eine der wichtigsten Keimzellen, die München derzeit zu bieten hat: das Schwabinger „Vereinsheim“. Die Kneipe in der Occamstraße ist eine der Erfolgsgeschichten des Passauers Till Hofmann. Der 41-Jährige rutschte vor 15 Jahren, gebeten von Mitbetreiber Bruno Jonas, als Geschäftsführer ins Münchner Lustspielhaus. Eine Maschine begann zu laufen, die heute wie ein Motor für die Kleinkunstszene und den unterhaltenden Nachwuchs wirkt. Als wahre Großtat entpuppte sich die Idee einer entspannten Boazn mit einer kleinen Bühne. Hier lassen sich nun montäglich beim stets gerammelt gefüllten „Blickpunkt Spott“ absolute Neulinge wie ein 20-jähriger Martin Frank bei den ersten Versuchen vor Publikum zuschauen oder im August die fantastische Münchner Satire-Band „Spitz Weger Ich“. Auch Michael Mittermeier nutzt das Vereinsheim gerne als Probebühne seiner Wahl, etwa wenn er, wie kürzlich, sein erstes englischsprachiges Programm ausprobiert – vor einem Bruchteil eines Hallenpublikums. Ihm tut es von kommender Woche an auch Rick Kavanian gleich. Das prominente Ensemble-Mitglied von Bully Herbig startet an einigen Abenden den ersten Testlauf seines neuen Solo-Programms „Egostrip“ in Schwabing, bevor er damit in die Hallen des Landes zieht. Erfolg beginnt im Kleinen.

Ganz klein hat auch Philipp Walulis angefangen, wenn auch nicht auf der Bühne im Vereinsheim, sondern mit einer Unterhaltungssendung beim Studentensender M94,5. Vergangenen März erklomm seine Karriere einen ersten großen Gipfel: Der Münchner gewann für seine TV-Satire „Walulis sieht fern“ den renommierten Grimme-Preis und schaffte den Sprung vom Ausbildungskanal ins Programm der ARD. Für seine Komik ist die Stadt große Inspiration: „München ist extrem vielfältig, es gibt die pompösen Ecken wie die Maximilianstraße, dann aber auch ein bisschen ranzige, Berlin-artige Winkel. So kann ich mich je nach Laune in das entsprechende Umfeld begeben und die Einflüsse aufnehmen“, sagt Walulis dem Münchner SamstagsBlatt. Ein besonderer Quell der Freude seien für ihn vor allem „die Schickeria mit ihren Nicht-Events und all die Menschen, deren pastellfarbene Polohemdkrägen zwei Meter hoch nach oben stehen.“

An der Existenz dieser Inspirationsquelle wird sich in absehbarer Zeit genauso wenig ändern, wie an der Vielseitigkeit komischer Unterhaltung aus München. Das zeigt Monika Grubers Fernseherfolg mit deutlich bayerischer Färbung im ZDF genauso, wie die beständige Arbeit kleiner Bühnen in der Stadt: vom Giesinger Bahnhof über das Kranz im Glockenbachviertel bis zum Schwabinger Imperium aus Lach- und Schießgesellschaft, Lustspielhaus und Vereinsheim.

Von Albrecht Ackerland

Artikel vom 01.06.2012
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