Streit um Sanierung des Krematoriums am Ostfriedhof

Harlaching/Giesing · Trauerspiel im BA

Diskussion um einen in die Jahre gekommenen Eckpfeiler des Bauensembles am Ostfriedhof: Das Krematorium soll erneuert werden. Foto: Harald Hettich

Diskussion um einen in die Jahre gekommenen Eckpfeiler des Bauensembles am Ostfriedhof: Das Krematorium soll erneuert werden. Foto: Harald Hettich

Harlaching/Giesing · Das Krematorium am Münchner Ostfriedhof ist eindeutig in die Jahre gekommen und entspricht nicht mehr den erforderlichen Standards. Ein Neubau des Krematoriums und ein Umbau der Aussegnungshalle entlang des Bauensembles an der St.-Martin-Straße soll erfolgen – in dieser Einschätzung herrscht weitgehende Einmütigkeit bei der Stadt und innerhalb des örtlichen Bezirksausschusses 17.

Die Frage »ob« scheint damit eindeutig geklärt, beim »wie« prallten zuletzt im BA die Meinungen aber aufeinander. Am Ende stimmte eine knappe Mehrheit im Stadtteilgremium gegen die aktuelle Planungs-Vorlage der Stadt. Vor allem Bedenken über die künftige Gestaltung der denkmalgeschützten Aussegnungshalle und das Gesamtkonzept innerhalb der von Hans Grässel geschaffenen Friedhofsanlage führten im BA zur Forderung einer erneuten Überarbeitung der Stadtvorlage. Pikanterie im BA: Joachim Lorenz (Grüne) ist nicht nur Vertreter seiner Fraktion im Bezirksausschuss – sondern in hauptberuflicher Funktion vor allem Umwelt- und Gesundheitsreferent der Stadt München und damit Kopf der projekt-planenden Kommunalbehörde. Im BA freilich konnte er sich mit seiner Argumentation zur Sache trotz einer argumentativ flammend vorgetragenen Verteidigung der städtischen Vorlage nicht durchsetzen. Zu groß waren die Vorbehalte offenbar im Gremium.

Besonders drastisch geriet dabei die Bewertung der Pläne durch Stefan Reinwald (CSU). Er bezeichnete diese mit Blick auf die gewachsenen Strukturen auf dem weitläufigen Gottesacker als »optisches Verbrechen«. Das neu zu konzipierende Ensemble konterkariere dabei die denkmalgeschützte Bautengruppe, zudem würden dem Neubau in der jetzt geplanten Variante viel zu viele alte Baumriesen zum Opfer fallen. Neben einer ausreichenden Berücksichtigung der alten Bausubstanz vermisste man im BA aber auch konkrete Zahlen: Aussagen zu den veranschlagten Baukosten für das Großprojekt suchte man seitens des BA in der Stadtvorlage vergebens. Dagegen fiel auch die städtische Wortwahl bei der Projektbeschreibung durchs Raster: »Marktpotentiale, attraktives Service- und Kundenangebot oder Einäscherungsquoten«, BA-Mitglieder wie Carmen Muck (SPD) zeigten sich über derlei Wortwahl erschreckt. Dagegen verteidigte Lorenz das städtische Projektpaket. Das Krematorium präsentiere sich seit geraumer Zeit in einem erschreckenden Zustand, führte Lorenz aus. Fünf Öfen hätten hier einst zur Verfügung gestanden. Einer sei jedoch bereits kaputt, die anderen vier bedürften in immer kürzeren Intervallen umfangreicher und vor allem kostenintensiver Reparaturen und Wartungen. Die dafür anfallenden Kosten für den Stadtsäckel bezifferte Lorenz mit über 100.000 Euro pro Jahr. »Die Öfen arbeiten ineffektiv, die Verbrennungsvorgänge dauern länger als früher und verbrauchen mehr Energie. Aufgrund veralteter wie maroder Technik würden Särge mit dem Gabelstapler zum Verbrennen gebracht«, malte Lorenz aktuelle Zustände im Krematorium in den schlimmsten Farben.

Auf der anderen Seite gelte es den wachsenden Willen in der Bevölkerung zu berücksichtigen, die Toten einäschern zu lassen. Derzeit werden nach Angaben des Referenten rund 8.000 Tote pro Jahr am Ostfriedhof eingeäschert, diese Zahl dürfte laut Lorenz »mittelfristig« auf 10.000 bis 12.000 pro Jahr steigen. Flankierend will die Stadt das Ambiente an diesem Ort des Trauerns für die Hinterbliebenen nachhaltig verbessern. So seien im jetzt geplanten, neuen Ensemble etwa ein »Meditationsgarten« und ein »Trauercafé« vorgesehen. Davon sei aber die Ausgangsarchitektur Hans Grässels nicht betroffen, unterstrich Lorenz. Dem BA freilich reichten diese Aussagen nicht. Er forderte per Mehrheitsentscheid detailliertere Informationen insbesondere zur baulichen Ausgestaltung eines neuen Krematoriums, dessen sensible Einbindung in die denkmalgeschützten Areale und Details zu Kosten und Umfang des Mammutprojektes. Krematorium und Aussegnungshalle liegen mit den Verwaltungsgebäuden am östlichen Rand des Ostfriedhofs am Giesinger Feld und nahe der S-Bahn. Innerhalb des 1821 errichteten Ostfriedhofs mit seinen mehr als 30 Hektar Fläche wurde das Krematorium bereits 1929 nach Entwürfen des bedeutenden Friedhofsarchitekten Hans Grässel konzipiert. Am 27. September 1929 schließlich wurde das in seiner heutigen Funktion bestehende Krematorium eröffnet. Harald Hettich

Artikel vom 29.05.2012
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