Stipendium für Schwabinger Schüler mit Migrationshintergrund

Schwabing · »Ich sauge alles auf«

Schwabing · Wenn Viviane Hoang-Thao Nguyen über Schule spricht, dann sagt sie Sätze wie: »Ich bin dankbar, dass mir die Lehrer ihr Wissen weitergeben. Ich betrachte das als großes Geschenk. Und sauge alles auf.« Keine Frage, die 14-Jährige lernt gerne – und sie lernt gut.

So gut, dass sie ausgezeichnet wurde: Das Bayerische Kultusministerium und die Robert Bosch Stiftung haben jüngst 50 weitere Stipendiaten in das Programm »Talent im Land Bayern« aufgenommen. Viviane gehört zu denen, die aus jährlich rund 300 Bewerbern ausgesucht wurden. Kriterium war nicht nur ihr besonderer schulischer Erfolg, sondern auch die Tatsache, dass die Schülerin des Schwabinger Willi-Graf-Gymnasiums als Beispiel gilt für gelungene Integration: Viviane Hoang-Thao Nguyen stammt ursprünglich aus ­Vietnam. »Sie ist wahrscheinlich die beste Schülerin ihres Jahrgangs und das trotz des ›Nachteils‹, dass sie zweisprachig mit Migrationshintergrund aufgewachsen ist«, sagt Klassleiter Martin Ziller. Die Tatsache, dass Jugendliche anderer Nationalitäten schlechtere Startbedingungen haben, dass sie sich wesentlich mehr durchbeißen müssen als ihre deutschen Mitschüler, belegen zahlreiche Studien. Auch Amir Al Asadi vom Gisela-Gymnasium am Elisabethplatz wurde in das Stipendiatenprogramm aufgenommen. »Wow« ist seine erste Reaktion gewesen. Er hat gar nicht glauben können, dass er ausgesucht worden sei. »Das ist eine große Ehre«, sagt der 18-Jährige, der als kleiner Junge aus dem Iran hierher kam. »Ich bin total froh, hier in Deutschland aufgewachsen zu sein«, sagt er. Von Anfang an hat er gerne gelernt, immer versucht, der Beste zu sein. »Süchtig« nach Naturwissenschaften ist er, man muss sich den Schüler aber nicht nur als Forscher und Bücherwurm vorstellen: Unter anderem nimmt er Klavierunterricht und leitet eine Basketballmannschaft der Schule. Dass die Wahl der Jury auf Amir Al Asadi fiel, befürwortet auch Schulleiterin Marianne Achatz: »Unser Schüler hat sich in jeder Weise als würdig erwiesen.«

Auch Viviane fällt nicht nur durch ihre schulischen Leistungen auf. Sie engagiere sich stark für ihre Mitmenschen inner- und außerhalb der Schule, berichtet Klassleiter Ziller. Viviane verkörpere somit die gelungene Verwirklichung des Leitbildes des Willi-Graf-Gymnasiums, nach dem die Gleichstellung aller Schüler unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Hautfarbe, Religion und sexueller Orientierung sowie die Integration ausländischer Schüler aktiv gefördert würden. Das ­Willi-Graf-Gymnasium besuchen derzeit 1.130 Schüler, 45 ­Prozent davon haben Migrationsanteil. Oder anders: 53 Nationen leben und lernen zusammen unter einem Dach. »Wir gehen ganz selbstverständlich und völlig unverkrampft damit um«, sagt der stellvertretende Schulleiter Michael Hoffmann-Graunke. Dieses Gymnasium sei ein Ort, an dem man lernen könne, ohne Vorurteile an bestimmte Bevölkerungsgruppen heranzugehen. Kein Schubladendenken, sondern ein Ja zu unterschiedlichen Nationen – und zu unterschiedlichen Charakteren. »Bei uns finden auch Individualisten ihren Raum«, so Hoffmann-Graunke. Mit dem Stipendienprogramm freilich soll auch in Zukunft motiviert werden. Ziel von »Talent im Land« ist es, den Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund, die die Fachhochschul- beziehungsweise Hochschulreife erreichen, zu steigern. Das Programm verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz: Neben einem monatlichen Stipendium in Höhe von 100 Euro, das für bildungsnahe Zwecke bestimmt ist und bis zum Erreichen des Abschlusses gezahlt wird, erhalten die Stipendiaten umfassende Förderung in Form eines Bildungsangebots mit Seminaren, Studientagen und Studienreisen. »Besonders die neuen Kontakte, die dadurch entstehen, sind sehr bereichernd«, sagt Amir. Das bestätigt auch Viviane: »Schön ist die Vernetzung mit anderen Jugendlichen, die genauso zielstrebig sind wie ich.« Und endlich, auch darüber freue sie sich sehr, könne sie sich wieder den Klavierunterricht leisten. »Dass mir all das zuteil wird, ist nicht nur meine alleinige Leistung«, räumt Viviane ein. »Ich hätte das Stipendium nicht bekommen, wenn nicht meine Eltern, meine Mitschüler und mein Klassenleiter mich unterstützt hätten.« Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 22.05.2012
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