Verein »extra« kümmert sich um drogenabhängige Frauen

Zentrum · Wieder im Leben

Sie hat ein Herz für Mamas und Kinder in Not: Konstantina Papadimitriou im Spielzimmer von »extra«, eingerichtet mit Geldern von ZONTA.	Foto: scy

Sie hat ein Herz für Mamas und Kinder in Not: Konstantina Papadimitriou im Spielzimmer von »extra«, eingerichtet mit Geldern von ZONTA. Foto: scy

Zentrum · Es gab Zeiten, sehr düstere Zeiten, da hat Karin (Name geändert) nur noch an eines gedacht: Wie komme ich an den nächsten Stoff? Nie hätte sie damals geglaubt, der Spirale ihrer Drogensucht entfliehen zu können. Und doch, sie hat es geschafft.

Rettung in der Not gab es vom Verein »extra« an der Corneliusstraße, ein Beratungs- und Kontaktzentrum für drogenabhängige und drogengefährdete Frauen und Mädchen, insbesondere für betroffene Schwangere und Mütter. Ein großes Herz für diese Anlaufstelle mitten im Gärtnerplatzviertel hat auch der ZONTA-Club München II (ZONTA ist ein überparteilicher, überkonfessioneller und weltanschaulichneutraler Zusammenschluss berufstätiger Frauen in Führungspositionen, um die Stellung der Frau in rechtlicher, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht zu festigen), der die Arbeit von »extra« bereits seit 16 Jahren unterstützt.

Auch Anfang Mai ehrte Bürgermeisterin und ZONTA-Schirmherrin Christine Strobl im Rathaus dieses wichtige Münchner Frauen-Projekt, mit einem Scheck über insgesamt 6.000 Euro. »Ohne das Engagement der ZONTA-Frauen wäre vieles nicht möglich«, sagt Konstantina Papadimitriou, Psychologin und Einrichtungsleiterin von »extra«. Vor allem hätte die Ex-Drogenabhängige Karin nicht diesen Job, den sie jetzt macht. Denn Karin ist seit gut zehn Jahren bei »extra« aktiv, übernimmt unter anderem Beratungstätigkeiten und leitet eine Selbsthilfegruppe. Eine Teilzeitstelle, die ohne die Spenden von ZONTA nicht zu finanzieren wäre. »Es wäre ein großer Verlust, Karin nicht in unserem Team zu haben«, so Papadimitriou. Denn neben Fachkräften sei es in ihrer Arbeit wichtig, auch selbst Betroffene miteinzubeziehen. »Wir haben zwar die Ausbildung, doch Frauen wie Karin haben die Erfahrung. Und somit ist sie in der Zusammenarbeit mit den betroffenen Frauen auch eine wichtige Brücke«, erklärt Papadimitriou. Manche würden sich besser öffnen können, wenn ihnen im Gespräch eine Ex-Userin gegenüber sitze. »Zudem ist sie auch Vorbild. Sie hat es raus geschafft aus der Sucht und signalisiert damit anderen: Auch wenn du noch so verzweifelt bist, es gibt einen Ausweg. Diese Aussicht ist für viele wie eine Schwimmweste, an der sie sich festhalten können.«

Angefangen hat es bei Karin so wie bei vielen: in der Pubertät. In der Wohnung lagen die Tabletten die die Mutter nahm, offen herum. Karin probierte aus Neugier mal diese, mal jene Pillen, mischte Alkohol dazu, und bald ging das mit anderen Drogen los. »Ich wollte nur noch den Rausch, alles andere war mir egal«, erinnert sie sich. »Nur die Drogen konnten mir die Wärme und Geborgenheit geben, die mir niemand sonst gegeben hat, vor allem nicht meine Mutter.« Irgendwann ­landete Karin in einer stationären Therapie, blieb zwei Jahre clean, dann kam ein Rückfall. Ausgerechnet jetzt war sie schwanger. Panik stieg in ihr hoch. Sie würde bald ein Kind bekommen, für das sie sorgen musste, aber wie? Würde ihr das Jugendamt den Jungen wegnehmen?

Wenn jemand helfen kann, dann »extra«

Als sie ihren Sohn dann in den Armen hielt, weinte sie ihn einmal völlig nass, so groß waren ihre Schuldgefühle ihm gegenüber. Ihr ehemaliger Therapeut gab ihr den Hinweis, sich an »extra« zu wenden: »Wenn dir jemand helfen kann, dann sind die das.« Plötzlich erlebte Karin etwas, was sie nicht kannte: Sicherheit. »Die Leute bei ›extra‹ waren wie eine Mama, die ich nie hatte. Sie haben mir vermittelt, dass sie hundertprozentig hinter mir stehen«, erzählt Karin. Gleichzeitig wurden ganz klare Regeln vereinbart. Runter von den Drogen, das war Voraussetzung. »Sie haben mir Grenzen gesetzt und mich kontrolliert. Doch genau diese Kontrolle hat mir gut getan. Dadurch habe ich eine Sicherheit gefühlt, die mich sehr gehalten hat.« Derzeit nutzen um die 60 Frauen das vielfältige Angebot der 1996 eröffneten Beratungsstelle. Im Fokus stehen Fragen und Probleme der Betroffenen im Zusammenhang mit ihrem Drogenkonsum, mit ihren Kindern, mit Institutionen oder mit ihrem Leben überhaupt. Das können sein: Schulden, Gewalt, Kranksein, Sich-Einsam-Fühlen, Arzt- und Justizprobleme.

Man kann einfach vorbeikommen, auch ohne Anmeldung, auch Angehörige sind willkommen. »Die Frauen müssen keinerlei Vorbedingungen erfüllt haben, sie benötigen keine Kostenübernahme, sie müssen auch nicht drogenfrei leben wollen, obwohl wir bei ›extra‹ ein drogenfreies Leben als ein gutes Ziel ansehen«, so Papadimitriou. Für Frauen, die Kinder haben, ist die Stabilisierung durch »extra« wichtig für sie selbst und für den Schutz und die Entwicklung ihrer Kinder. »Uns ist wichtig, dass die Mütter mit ihren Kindern zusammen bleiben können«, sagt die Psychologin. Gearbeitet werde an allen Arten von Bindung, unter anderem an der zum Kind, zum Partner, zum Familiensystem. »Wer drogenabhängig ist, ist in einem Zustand ohne Bindung. Deshalb müssen wir uns besonders darum kümmern, Bindungen aufzubauen.« Das Extra von »extra«: Es gibt eine tägliche Kinderbetreuung in einem liebevoll eingerichteten Spielzimmer.

Darüber hinaus leistet »extra« auch so genannte »Aufsuchende Arbeit«, um Frauen mit ihren Kindern auch außerhalb des Beratungszentrums im Alltag zu unterstützen. Neu ist das ambulant betreute Wohnprojekt an der Hedwigstraße 7, stationäres Clearing genannt, für drogenabhängige Mütter mit ihren Kindern und schwangere Frauen nach dem körperlichen Entzug.

Auch ZONTA hilft Frauen

Der Verein »extra« heißt so, weil er extra für Frauen eingerichtet wurde – lange bevor genderspezifisches Arbeiten in aller Munde war. Auch ZONTA kümmert sich speziell um Frauen. Die Finanzierung aller Projekte erfolgt unter anderem aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen. Und aus den Geldern, die durch Benefizveranstaltungen zusammen kommen. Rund 12.000 Euro waren es jüngst bei ZONTA München II. Der Erlös kam außer »extra« zwei Münchner Ausbildungsprojekten zugute: La Silhouette, einem Schneideratelier für Migrantinnen und dem Verein MinA, der allein erziehenden Müttern eine Ausbildung zur Kinderpflegerin und Erzieherin ermöglicht. Zurück zu Karin. Sie lacht, sie strahlt Lebensfreude aus, man merkt, dass es ihr gut geht. »Als sich alles um die Drogen drehte, war ich völlig einsam, abgetrennt von allen, nichts machte Spaß. Nichts, was ich tun wollte, tat ich. Egal, was ich mir vorgenommen hatte, beispielsweise malen, letztlich interessierte mich dann doch nur der Stoff«, erzählt sie. »Und jetzt bin ich mittendrin im Leben. Ich nehme die Natur wahr, Bäume, Blumen. Dinge, die ich früher nie wahrgenommen habe. Ich fühle mich wohl endlich geborgen in der Welt – und das ohne Rausch. Ich hätte nie gedacht, wie schön es sich anfühlt, clean zu sein.«

Der Verein »extra«, Corneliusstraße 2, hat Montag bis Donnerstag von 9.00 bis 17.30 Uhr und Freitag von 9.00 bis 16.00 Uhr geöffnet und nach Vereinbarung. Weitere Informationen gibt es unter Tel. 23 60 63. Der Verein freut sich über Baby- und Kinderkleiderspenden, auch Geldspenden sind willkommen: Bank für Sozialwirtschaft München, Konto 6 80 10 05, Bankleitzahl 700 205 00. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 15.05.2012
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