Wie sich der Nahverkehr in München entwickeln soll

München · In Zukunft zweigleisig fahren

„Wir müssen sehr viel tun, um attraktive Rahmenbedingungen für den öffentlichen Nahverkehr zu schaffen“, sagt Hans Peter Göttler, Verkehrsplaner im Wirtschaftsministerium. Links: Markus Blume.  Foto: ms

„Wir müssen sehr viel tun, um attraktive Rahmenbedingungen für den öffentlichen Nahverkehr zu schaffen“, sagt Hans Peter Göttler, Verkehrsplaner im Wirtschaftsministerium. Links: Markus Blume. Foto: ms

München · Beim Gedanken an die Parkplatzsituation in der Stadt ist schon so mancher Berufspendler gern vom Auto auf U- oder S-Bahn umgestiegen. Und dort stoßen dann einige Haltestellen an ihre Kapazitätsgrenzen.

Von den täglich über eine Million Nutzern des Münchner U-Bahnnetzes steigen laut MVG davon rund 150.000 am Sendlinger Tor um, ein oder aus, weshalb die Station von 1971 in den nächsten Jahren auch umgebaut und dem steigenden Bedarf angepasst wird. Den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) für die Zukunft zu rüsten bedarf eines umfassenderen Umbaus – besonders bei den Zuständigkeiten und der Finanzierung. Da waren sich die verschiedenen Teilnehmer einer Diskussion vom Arbeitskreis Attraktiver Nahverkehr im Münchner Forum und Bund Naturschutz am 4. Mai einig, darunter der Chef-Verkehrsplaner des Bayerischen Wirtschaftsministeriums, Hans Peter Göttler, SPD-Stadtrat Ingo Mittermaier, CSU-Landtagsmitglied Markus Blume und Prof. Dr.-Ing. Gebhard Wulfhorst von der TU München, Fachgebiet Siedlungsstruktur und Verkehrsplanung. Um die 2. Stammstrecke sollte es ausdrücklich nicht gehen an diesem Abend, aber auch sonst bot das Thema genug Diskussionsstoff.

„Die ÖPNV-Entwicklung hängt der Bevölkerungsentwicklung im Ballungsraum München 10 bis 15 Jahre nach“, erklärte CSU-Mann Markus Blume. „Wir müssen endlich den Gegensatz von Individualverkehr und öffentlichem Verkehr auflösen.“ 70 Prozent der Pendler nach München seien heute mit dem Auto unterwegs, 30 Prozent mit dem ÖPNV, „auch wenn es deutliche Zuwächse gibt für öffentlichen Verkehr und Rad“, erklärte Stadtrat Mittermaier. Nachteil: Das führe zu Kapazitätsproblemen bei S- und U-Bahn. „Jeder muss heute am Marienplatz und Sendlinger Tor umsteigen, warum ginge das denn nicht auch am Kolumbusplatz“, schimpfte aus dem Publikum Andreas Nagel, Sprecher der Aktion Münchner Fahrgäste, und forderte mehr Verknüpfungen und Tangenten.

Bis 2030 rechne die Stadt mit 300.000 Zuzügen in den Großraum München, so Stadtrat Mittermaier, davon siedle sich die Hälfte im Stadtgebiet an. „Wenn wir nicht noch mehr Pendler und Autos haben wollen, dann müssen wir jetzt in mehr Infrastruktur investieren und mehr Strecken. Zur Finanzierung hofft er, „dass der Freistaat uns nicht alleine lässt, denn die Kosten sind immens.“ Problem der Stadt sei der Erhalt. „1,5 Milliarden Euro veranschlagt die MVG bis 2020 für die Sanierung der bestehenden Anlagen und Schienen, davon 700 Millionen Euro für neue Züge zur Taktverdichtung.“ Damit nicht die Fahrgastpreise steigen, trotz der Gewinne der Stadtwerke, „wünschen wir uns eine Öffnung der Bundesmittel auch für den Erhalt – nicht nur wie bisher für Neuinvestitionen.“

Das, so die einhellige Meinung, sei das größte Problem des „Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden“, kurz GVFG. Es läuft zwar 2019 aus, aber ein Nachfolgekonzept gibt es bisher nicht. Das GVFG wurde 1971 aufgelegt, um bundesweit Investitionsvorhaben im öffentlichen Nahverkehr zu fördern. Das bedeutet vereinfacht: die Mehrheit zahlt der Bund, etwa 20 Prozent der Freistaat und den Rest die Stadt, etwa bei einem U-Bahnbau. – aber eben nur für Neuinvestitionen, nicht für den Erhalt. „Das führt und führte zu teuren Prestigeprojekten, deren Erhalt sich viele Kommunen auf Dauer nicht mehr leisten können“, erklärt Berthold Maier, Sprecher des Arbeitskreises Attraktiver Nahverkehr. „Ich halte das französische Modell der ÖPNV-Finanzierung für sinnvoller, bei dem die Kommunen pro Jahr und Bürger eine bestimmte Summe bekommen und selbst entscheiden, ob sie die in ein neues goldenes Wartehäuschen stecken oder den Erhalt der Schienen. In Deutschland gibt es zu viele Töpfe, ob für S-Bahn, U-Bahn oder Schülerverkehr, wir sollten sämtliche Fördermittel zusammenfassen.“

Artikel vom 10.05.2012
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